Hartmut Rosa, ein renommierter deutscher Soziologe, diskutiert die Rolle der Religion in einer säkularisierten Welt. Er erklärt, wie Religion als Antwort auf das menschliche Bedürfnis nach Resonanz fungiert. Diese Resonanz entsteht nicht nur in zwischenmenschlichen Beziehungen, sondern auch im Umgang mit Natur und Kunst. Er erörtert, warum die Idee Gottes weiterhin bedeutsam ist und reflektiert die Herausforderungen der modernen Gesellschaft, die echte Resonanzbeziehungen erschwert. Zudem verbindet er persönliche Erfahrungen mit der Natur und den Einfluss von Ritualen auf das Lebensgefühl.
Resonanz wird als aktive Wechselwirkung verstanden, die dem Menschen Selbstwirksamkeit und Lebenssinn in Beziehungen vermittelt.
Religion bietet eine strukturelle Antwort auf das menschliche Bedürfnis nach Resonanz und verbindet Gläubige mit einer letzten Wirklichkeit.
Der Umgang mit dem Tod in verschiedenen Kulturen zeigt, dass die Auseinandersetzung mit Sterblichkeit die Resonanzfähigkeit und Lebensqualität fördert.
Deep dives
Die Bedeutung von Resonanz
Resonanz wird als eine Form der Beziehung zwischen Subjekten und Objekten definiert, in der das Gegenüber aktiv berührt und bewegt. Es sei keine bloße emotionale Befindlichkeit, sondern eine aktive Wechselwirkung, die einen Intrinsischen Sinn hat. Diese Wechselbeziehung hat vier fundamentale Momente: das Berühren des Gegenübers, das Erfahren von Selbstwirksamkeit, die Transformation der Beteiligten sowie die Unverfügbarkeit. Vor allem die Unverfügbarkeit ist entscheidend, da Resonanz nur mit etwas entstehen kann, das sich dem vollständigen Verständnis und der Kontrolle entzieht.
Resonanz und Unverfügbarkeit in der modernen Gesellschaft
In der modernen Gesellschaft wird häufig versucht, alles verfügbar und kontrollierbar zu machen, was im Konflikt mit dem Bedürfnis nach Resonanz steht. Der Steigerungs- und Beschleunigungszwang führt zu einem Verlust an Selbstwirksamkeit und verhindere wahrhaftige Resonanzbeziehungen. Diese Dynamik führt dazu, dass zwischenmenschliche Beziehungen und Naturerfahrungen in ihrer Qualität abnehmen, da Menschen unter Zeitdruck stehen und nicht die Muße finden, in Resonanz zu treten. Es wird bemerkt, dass echte Resonanz nicht erzwingbar ist und häufig verloren geht, je mehr Kontrolle über die Welt angestrebt wird.
Religion als Resonanzquelle
Religion wird als ein zentraler Ort der Erfahrung von Resonanz beschrieben, da sie es ermöglicht, in Beziehung zu einer letzten Wirklichkeit zu treten. Rituale wie Gebete und das Abendmahl fördern diese Resonanzachsen und bieten den Gläubigen das Gefühl, mit etwas Größerem verbunden zu sein. Der Austausch in gemeinschaftlichen religiösen Praktiken stiftet ein Gefühl des Getragenseins, das weit über das Individuelle hinausgeht. Hier wird die Fähigkeit zur Unverfügbarkeit betont, die es ermöglicht, Resonanz zu spüren, trotz des Fehlens von klaren Antworten oder einem vollständig erklärbaren Weltbild.
Der Einfluss der Kultur auf Resonanzbeziehungen
Die Art und Weise, wie Resonanz wahrgenommen wird, ist stark vom kulturellen Kontext abhängig, in dem Menschen leben. Unterschiedliche Kulturen haben verschiedene Ansätze zur Gestaltung von Beziehungen zu Natur und Spiritualität, was die Resonanzfähigkeit beeinflussen kann. Die Gegenüberstellung von traditionellen Zeremonien und modernen Praktiken zeigt, dass Rituale oft eine tiefere Verbindung zu einer Gemeinschaft und zur Natur schaffen können. Diese Resonanz wird leicht verloren, wenn Gesellschaften hin zu einer utilitaristischen Haltung wechseln, in der alles als Ressource betrachtet wird.
Der Tod und seine Unverfügbarkeit
Der Umgang mit dem Tod steht im Spannungsfeld zwischen dem Verlangen nach Kontrolle und der natürlichen Unverfügbarkeit des Lebens. In vielen Kulturen wird der Tod offen betrachtet und ermöglicht den Menschen, in Resonanz mit ihrer Sterblichkeit zu treten. Das Verstecken des Todes in der modernen Gesellschaft führe zu einem Verlust der Verbindung zur Vergangenheit und Zukunft, was den Umgang mit der eigenen Sterblichkeit erschwere. Es wird darauf hingewiesen, dass ein gelingendes Leben auch die Auseinandersetzung mit dem Tod und der Vergänglichkeit miteinschließen sollte.
Hartmut Rosa ist einer der bekanntesten Soziologen Deutschlands. In seinen Überlegungen zur Sozialkritik der Moderne nimmt die Religion eine wichtige Rolle ein. Olivia Röllin spricht mit ihm über die Bedeutung der Religion, wozu sie nützt und warum sie trotz Säkularisierung nicht verschwindet.
Der Mensch sehnt sich nach Resonanz, da ist sich Harmut Rosa sicher. Sei es in der Interaktion mit Menschen, Dingen wie einem Brotteig oder der Welt als Ganzes, in Form von Religion etwa – überall kann Resonanz entstehen. Diese Beziehungen sind es, die dem Menschen das Gefühl von Selbstwirksamkeit und deshalb auch Lebenssinn geben.
Speziell in der Religion sieht Rosa eine Antwortstruktur angelegt, die dem menschlichen Bedürfnis nach Resonanz besonders entgegenkommt. «Es gibt da jemanden, der mich meint und hört und zwar vom Ursprung meiner Existenz her», erklärt er das grosse religiöse Versprechen. Was bedeutet das konkret für den Menschen?
Ein Gespräch über die Wirkmächtigkeit der Idee Gottes, Schweizer Berge und die Resonanzfähigkeit von Brotteig.
Diese Sendung ist eine Wiederholung vom 05.01.2020.
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