Dr. Klaus Radermacher, Verkehrs- und Mobilitätsexperte, beleuchtet die ernsthaften Missstände der Deutschen Bahn und der deutschen Infrastruktur. Er argumentiert, dass nicht finanzielle Mittel, sondern mangelnde Kompetenz die wahre Ursache für die Probleme sind. Die Probleme beim Projekt Stuttgart 21 sowie die enorme Ineffizienz der Deutschen Bahn werden kritisch diskutiert. Außerdem wird die Notwendigkeit betont, öffentliche Investitionen zu reformieren und die Preisgestaltung im Bahnsektor transparenter zu gestalten, um nachhaltige Mobilität zu fördern.
Die Schuldenbremse wird häufig fälschlicherweise als Hauptursache für Investitionsmangel dargestellt, obwohl andere Faktoren entscheidender sind.
Ein gravierender Mangel an Fachkräften und Ressourcen erschwert die Realisierung notwendiger Infrastrukturprojekte in Deutschland.
Die Implementierung innovativer Mobilitätslösungen und ein Umdenken in der Verkehrspolitik sind erforderlich, um den Bedürfnissen der Bevölkerung gerecht zu werden.
Deep dives
Mangel an politischem Willen
Die Herausforderungen der deutschen Infrastruktur, insbesondere die der Deutschen Bahn, sind weniger auf finanzielle Engpässe zurückzuführen, sondern vielmehr auf einen Mangel an politischem Willen und Fachkenntnissen. Auch wenn viele Politiker die Schuldenbremse als Hauptursache für unzureichende Investitionen nennen, zeigen Statistiken, dass der Anteil der öffentlichen Investitionen im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt über die letzten Jahrzehnte gesunken ist. Selbst die Einführung neuer Sondervermögen sollte nicht darüber hinweg Täuschen, dass der tatsächliche Wille zur Umsetzung dieser Investitionen fehlt. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass häufig die bereitgestellten Mittel nicht abgerufen werden konnten, was auf strukturelle und personelle Mängel in der Verwaltung hinweist.
Schuldenbremse und Investitionseffekte
Die Schuldenbremse wird oft fälschlicherweise als Hindernis für notwendige Infrastrukturinvestitionen dargestellt, während die Realität zeigt, dass die öffentlichen Investitionen seit ihrer Einführung im Jahr 2009 sogar leicht gestiegen sind. Studien belegen, dass eine deutliche Erhöhung der öffentlichen Investitionen von 25 Milliarden Euro pro Jahr die Wirtschaftsleistung erheblich steigern und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands verbessern könnte. Historisch gesehen hat Deutschland jedoch über Jahre hinweg versäumt, in die grundlegende Infrastruktur zu investieren, was jetzt zu einem enormen Investitionsstau und einer insgesamt ungünstigen wirtschaftlichen Lage führt. Die Tatsache, dass Deutschland im OECD-Ranking der öffentlichen Investitionen weit hinten liegt, macht die Dringlichkeit von Reformen deutlich.
Baukompetenz und Personalengpass
Ein zentrales Problem bei der Umsetzung von Infrastrukturprojekten liegt nicht nur in der Bereitstellung von Mitteln, sondern auch in der mangelnden Fachkompetenz und personellen Ressourcen in öffentlichen Bauämtern. In den letzten Jahren wurden viele Stellen in Bauämtern abgebaut, was zu einem signifikanten Mangel an qualifizierten Ingenieuren und Fachkräften geführt hat. Die überalterte Belegschaft steht heute vor einer Pensionierungswelle, während gleichzeitig die Komplexität der Bauvorschriften zugenommen hat. Diese Faktoren erschweren die Realisierung von Infrastrukturprojekten und erhöhen die Planungskosten exorbitant.
Sondervermögen Deutsche Bahn
Die Deutsche Bahn steht exemplarisch für die Herausforderungen, vor denen viele öffentliche Unternehmen in Deutschland stehen. Trotz eines Sondervermögens von 500 Milliarden Euro bleibt die Frage, ob das Unternehmen in der Lage ist, diese Mittel effizient zu nutzen, um notwendige Verbesserungen vorzunehmen. Berichte des Bundesrechnungshofs zeigen, dass die DBAG in einer finanziellen Dauerkrise steckt und die Pünktlichkeit der Züge weiterhin hinter den Erwartungen zurückbleibt. Die mangelhafte Infrastruktur, die Jahr für Jahr versäumt wird zu modernisieren, führt zu einem noch größeren Vertrauenverlust bei den Fahrgästen.
Mangelnde Transparenz und Ineffizienz
Die Intransparenz in der Erlangung und Verwendung öffentlicher Mittel führt dazu, dass die tatsächlichen Kosten der Bahninfrastruktur nicht bekannt sind. Dies schafft ein Klima, in dem Politiker wenig Druck verspüren, klare und transparente Finanzierungsstrategien für die Deutsche Bahn zu entwickeln. Gleichzeitig wird die Idee, das System Bahn nachhaltig zu reformieren, häufig durch ideologische Ansätze blockiert, die die Realität ignorieren. Die aktuellen Strukturen behindern die Effizienz und Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im Bereich Mobilität.
Zukunft der Mobilität und neue Ansätze
Die Notwendigkeit, Mobilität neu zu denken, wird zunehmend erkannt, jedoch fehlen klare Strategien zur Implementierung. Die Diskussion sollte nicht nur um bestehende Infrastrukturmodelle kreisen, sondern auch auf innovative Ansätze wie intermodale Verkehrslösungen einzahlen, die unterschiedliche Verkehrsträger kombinieren. Zukünftige Investitionen sollten sich stärker an den tatsächlichen Bedürfnissen der Bevölkerung orientieren, um umweltfreundliche Alternativen zu fördern. Dies könnte auch bedeuten, weniger auf traditionelle Modelle zu setzen und neue Technologien und Mobilitätslösungen in den Fokus zu rücken.
bto#288 – Es lag nicht an der Schuldenbremse, dass die öffentliche Infrastruktur in Deutschland so heruntergewirtschaftet wurde, auch wenn viele Politiker das gern behaupten. Seit Einführung der Schuldenbremse im Jahr 2009 sind die Investitionen sogar leicht auf etwa 2,5 Prozent gestiegen. Von 1970 bis zum Jahr 2000 hingegen – Jahrzehnte ohne Schuldenbremse – sind die Investitionen des Staates von sechs auf zwei Prozent vom BIP gefallen. Dennoch ist die Hoffnung nun groß, dass das neu geschaffene “Sondervermögen” von 500 Milliarden Euro und die faktische Aufhebung der Schuldenbremse endlich die erhoffte Kehrtwende bringen. Zweifel sind mehr als angebracht. Bereits in der Vergangenheit wurden vielfach vorgesehene Investitionsmittel nicht abgerufen, weil die Verwaltung schlicht nicht in der Lage war, Projekte voranzubringen.
Besonders eindrücklich unterstreicht die Deutsche Bahn (DB), was schiefläuft im Land. Obwohl die Bahn 1994 vom Bund komplett entschuldet wurde, befindet sich das Unternehmen heute in einer finanziellen Schieflage.
Darüber spricht Daniel Stelter mit dem Verkehrs- und Mobilitätsexperten Dr. Klaus Radermacher.
Hörerservice
Die Studie des DIW zum Investitionsbedarf finden Sie hier: https://is.gd/gFEVdF.
Die Studie des IW zu öffentlichen und privaten Investitionen finden Sie hier: https://is.gd/8dc7Mq.
Den Bundesrechnungshofs-Bericht zur Dauerkrise der Deutschen Bahn AG finden Sie hier: https://is.gd/MLE6Di.
Den Beitrag von Dr. Klaus Radermacher zum CO2-Ausstoß bei der Bahn finden Sie hier: https://is.gd/IRcfqH.
Den Kommentar von Dr. Radermacher auf LinkedIn finden Sie hier: https://is.gd/Xk0Q54.
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