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In Deutschland gab es 2023 über 12.000 Anzeigen wegen Sexualdelikten, doch die Dunkelziffer ist hoch, da nur etwa ein Zehntel der Betroffenen Anzeige erstattet. Viele Menschen fürchten sich vor dem Verfahren oder empfinden Scham, was sie daran hindert, sich Hilfe zu suchen. Die Statistik verdeutlicht, dass 50% der Betroffenen aus Scham kein Verfahren einleiten, während andere glauben, ihre Situation sei nicht strafbar. Diese Wahrnehmungen müssen dringend aufgeklärt werden, um mehr Menschen zu ermutigen, ihre Rechte geltend zu machen.
Betroffene von sexueller Gewalt kämpfen oft mit den Auswirkungen von Traumata, die sich in einem rechtlichen Kontext verstärken können. Während der Vernehmung erleben viele eine Rückkehr der traumatischen Erinnerungen, was ihre Fähigkeit beeinflusst, ihre Erlebnisse klar zu schildern. Der Verlust der Kontrolle über die eigene Körperreaktion in extremer Angst führt häufig dazu, dass sich die Betroffenen nicht sicher fühlen können. Diese Schwierigkeiten werden von Polizeibeamten und Juristen nicht immer verstanden, was zu Missverständnissen und einer negativen Einschätzung der Glaubwürdigkeit führen kann.
Opfer von sexueller Gewalt sollten ermutigt werden, Unterstützung von Beratungsstellen zu suchen, bevor sie eine Anzeige erstatten. Bei dem Entscheidungsprozess ist die Berücksichtigung der persönlichen Lebensumstände und der Familienreaktionen entscheidend. Es ist wichtig, dass Betroffene das Gefühl der Selbstbestimmung erleben und nicht gezwungen werden, eine Anzeige zu erstatten, nur weil dies von anderen erwartet wird. Diese Selbstbestimmung hilft, eine Reviktimisierung zu verhindern und ermöglicht den Betroffenen, sich auf ihren eigenen Heilungsprozess zu konzentrieren.
Die rechtlichen Verfahren können für Betroffene äußerst belastend sein, da sie oft ihre traumatische Erfahrung offenbaren müssen. Der Prozess der Aussage vor Gericht kann mit erheblichen psychologischen Auswirkungen einhergehen, darunter Depressionen und Angstzustände. Darüber hinaus können die langen Wartezeiten zwischen den Verfahren dazu führen, dass sich Betroffene allein und hilflos fühlen. Daher ist es von Bedeutung, dass während des gesamten Verfahrens psychosoziale Unterstützung und Begleitung durch Fachkräfte angeboten wird.
Eine sorgfältige Beweissicherung ist entscheidend, um eine erfolgreiche strafrechtliche Verfolgung zu gewährleisten. Bei der medizinischen Untersuchung nach einem Übergriff werden Beweise wie DNA- und Verletzungsdokumentation gesichert, die für den Fall von zentraler Bedeutung sind. Es ist wichtig, dass diese Untersuchungen traumasensibel durchgeführt werden und den Betroffenen die Möglichkeit gegeben wird, auf ihre Kontrolle zu achten. Opfern sollte klar gemacht werden, dass sie nicht verpflichtet sind, sofort eine Anzeige zu erstatten, sondern die Beweissicherung auch anonym erfolgen kann.
Es ist wichtig zu erkennen, dass ein strafrechtliches Verfahren nicht als Fortsetzung einer Therapie angesehen werden sollte. Die Erwartungen von Opfern hinsichtlich der Gerechtigkeit und des emotionalen Abschlusses sind oft unrealistisch, was zu Enttäuschungen führen kann. Ein Prozess kann das erlittene Unrecht anerkennen, doch sollte niemals als ultimative Lösung für die seelischen Wunden gesehen werden. Die Verantwortung von Opfern sowie die von Juristen, den Balanceakt zwischen Gerechtigkeit und Unterstützung zu meistern, erfordert ein hohes Maß an Sensibilität und Verständnis für die Bedürfnisse der Betroffenen.
Nur die Hälfte aller angezeigten Sexualstraftaten landet vor Gericht, viele Betroffene wenden sich gar nicht erst an die Polizei. Etwa aus Scham oder Angst davor, was danach passieren könnte. Die Traumatherapeutin Ingrid Wild-Lüffe und die ehemalige Staatsanwältin Kirsten Böök beraten Polizei und Justiz: Was braucht es für sensible Vernehmungen, wie beeinflusst das Erlebte die Aussage und das Verhalten der Betroffenen – und wie schützt man sie davor, erneut traumatisiert zu werden?
"Betroffene müssen wissen: Anzeigen haben Risiken und Nebenwirkungen", sagt Wild-Lüffe. Eine gute Vorbereitung sei wichtig, sagt auch Böök. Die Staatsanwaltschaft sei verpflichtet, ein faires Verfahren zu ermöglichen. Über allem stehe dabei die Unschuldsvermutung des Angeklagten, der auch fälschlich beschuldigt worden sein könne. Damit das Gericht Schuld oder Unschuld feststellen kann, brauche es stichhaltige Beweise, detaillierte Aussagen und die Unterstützung aller Beteiligten. Und das kann im Zweifel lange Zeit dauern und für mutmaßliche Opfer und Täter schwer belastend sein. Im Gespräch mit den Sexpodcasthost Melanie Büttner und Sven Stockrahm erklären sie, was es für ein Strafverfahren braucht und wann es Betroffenen zu viel werden kann.
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Welche Stellen beraten bei sexualisierter Gewalt?
Wo kann man nach einer Vergewaltigung Spuren sichern lassen?
Was können Betroffene selbst tun?
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