
NachDenkSeiten – Die kritische Website Weihnachtsmarkt in Zweibrücken: Soldaten mit Sturmgewehr sorgen für Polizeieinsatz – Militarisierung schreitet voran
Die Bundeswehr soll zum integralen Bestandteil der Öffentlichkeit werden. So will es die Politik. Werbeplakate, Schulbesuche, Offiziere in Uniform in den Medien: Die Präsenz des Militärischen wird immer offensichtlicher. Nun ist es zu einem Vorfall auf dem Weihnachtsmarkt in Zweibrücken durch vermummte und bewaffnete Soldaten der Bundeswehr gekommen. Santa Claus mit Maschinengewehr? Das kam bei den Besuchern des Marktes nicht gut an. Die Risiken und Nebenwirkungen der Militarisierung sind längst Realität. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.
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Die Bundeswehr soll kein Schattendasein mehr führen. ‚Raus in die Öffentlichkeit!‘, so lautet die Devise. Politiker sprechen von Kriegstüchtigkeit, von Aufwuchs und vom Dienst am Vaterland – und die Bundeswehr sieht die Chance, für sich und ihre Aufgaben auf Sympathiefang zu gehen. In Zweibrücken, wo das Fallschirmjägerregiment 26 der 1. Luftlandebrigade stationiert ist, ist die Bundeswehr auch auf dem Weihnachtsmarkt mit einem Stand vertreten. Bürgernähe – Gespräche führen, „informieren“, Verständnis suchen: Die Bundeswehr macht, was im Zuge der politisch gewollten „Zeitenwende“ eben zu tun ist. Doch der Schuss ging im beschaulichen Zweibrücken nach hinten los. Soldaten der Bundeswehr mit Santa-Claus-Kostüm, vermummt mit einem Tuch vorm Gesicht und bewaffnet mit Sturm- und Maschinengewehr, marschierten über den Weihnachtsmarkt zum Stand der Truppe. Daraufhin hieß es: Polizeieinsatz auf dem Weihnachtsmarkt. Wie die Rheinpfalz berichtet, waren Bürger besorgt und alarmierten die Polizei. Bei dem Einsatz stellte sich raus: Die Soldaten waren tatsächlich schwer bewaffnet und eine Waffe war mit Munition geladen. Nun prüfen die Behörden, ob ein Verstoß gegen das Waffengesetz vorliegt. Denn: Eine „Waffenschau“ war, wie der SWR berichtet, nicht angemeldet. Der Vorfall geht nun durch die Medien. Ob Saarbrücker Zeitung, Rheinpfalz, SWR, Der Spiegel: Die „Weihnachtsmänner“ mit schwerer Bewaffnung bekommen Aufmerksamkeit.
Mittlerweile reagierte auch der Kommandeur des Fallschirmjägerregiments. Gegenüber der Rheinpfalz sagte er:
„Bei allen Gästen, die sich bei ihrem Besuch des Weihnachtsmarktes durch die Anwesenheit von ausgerüsteten Soldaten in diesem Rahmen gestört fühlten, möchte ich mich persönlich und von Herzen entschuldigen.“
Oberstleutnant Martin Holle kündigte zudem an, am Samstag ab etwa 13 Uhr selbst am Stand zu sein, um sich kritischen Fragen zu stellen.
Sowohl die Entschuldigung als auch die Bereitschaft, mit der Öffentlichkeit zu reden, sind ein guter Schritt und verdienen Respekt. Das übergeordnete Kernproblem ist damit jedoch nicht gelöst.
Was auch immer der Grund für das Verhalten der Soldaten war, ob Gedankenlosigkeit oder eine Fehleinschätzung der Situation: Dass die Bundeswehr sich überhaupt herausnimmt, auf einem Weihnachtsmarkt vertreten zu sein, lässt tief blicken. Weihnachtsgebäck und Weihnachtsmusik, festliche Beleuchtung, Eltern mit ihren Kindern, Glühwein, kurzum: ein kleines Stück Beschaulichkeit, bei dem es nicht das „Handwerk des Tötens“ braucht, das sich zur Schau stellt. Und schon gar nicht zu einer Zeit, wo die Politik die Republik auf Kriegstüchtigkeit trimmen will. Können die Bürger nicht einmal um die Weihnachtszeit unbelästigt von der politisch herbeihalluzinierten „Bedrohungslage“ bleiben?
Was werden die Vertreter der Bundeswehr an diesem Stand wohl schon bei den Unterhaltungen mit den interessierten Bürgern sagen? Wird der Kommandeur am Samstag darüber aufklären, was unter Tiefenpolitik und geostrategischen militärischen Interventionen zu verstehen ist? Wird er darlegen, warum es sich bei dem Krieg in der Ukraine auch um einen Stellvertreterkrieg handelt? Wird er sich kritisch zur Russlandpolitik äußern und darüber aufklären, wie unsinnig es ist, einen Angriff Russlands auf die NATO zu erwarten? Wird er über die „die dunkle Seite des Westens“ im Hinblick auf Gladio sprechen? Wird er darüber reden, dass nicht nur der „Feind“ Propaganda betreibt, sondern auch die „Guten“?
An einem Stand der Bundeswehr ist das zu erwarten, was nahezu immer zu erwarten ist, wenn Vertreter der Truppe öffentlich auftreten: Ein erstaunliches Maß an Kritiklosigkeit gegenüber eingeschliffenen, propagandistisch kontaminierten politischen Erzählungen.
Der Vorfall selbst mag nur von begrenzter Reichweite sein: Die Risiken und Nebenwirkungen der fortschreitenden Militarisierung sind es nicht. Es bedarf dringend einer politisch wachen Bundeswehr, es bedarf dringend Soldaten und Offiziere, die ihren Verstand auch gegenüber der Propaganda aus dem Innern gebrauchen – im besten Sinne von Demokratie und Grundgesetz.
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