Tim & Oliver im Gespräch
In einigen Organisationen fehlt der Scrum Master – und oft übernimmt dann einfach die Product Ownerin oder der Product Owner diese Rolle gleich mit. Eine Doppelrolle, die auf den ersten Blick pragmatisch wirkt, aber in der Praxis große Risiken birgt. In dieser Folge sprechen Tim und Oliver offen darüber, was passiert, wenn die Verantwortung für Produkt und Team-Entwicklung in einer Person vereint ist – und warum das langfristig fast nie gut ausgeht.
Viele Teams arbeiten ohne Scrum Master, weil die Rolle im Unternehmen noch nicht etabliert ist, keine passende Person gefunden wurde oder weil das Budget gekürzt wurde. Und es werden gefühlt immer mehr. Was dann oft folgt: Die Product Ownerin übernimmt einfach mit – lädt zu Events ein, moderiert Retrospektiven, erklärt Prozesse, arbeitet an der Team-Motivation. Klingt erstmal lösungsorientiert. Aber genau darin liegt das Problem.
Eine funktionierende Produktentwicklung - vor allen in Scrum - lebt davon, dass Rollen klar getrennt sind. Die PO-Rolle fokussiert auf Wert, Wirkung, Nutzer:innen und Geschäftserfolg. Die Scrum Master-Verantwortlichkeit hingegen kümmert sich um Rahmenbedingungen, Prozessqualität und die Lern-Entwicklung des Teams. Wer beides gleichzeitig macht, verliert Fokus. Statt Marktchancen zu analysieren, steckt man in Moderation fest. Statt Stakeholder zu führen, erklärt man zum dritten Mal das Framework Scrum. Und am Ende leidet beides: das Produkt und das Team.
Noch kritischer wird es, wenn in der Doppelrolle Interessenkonflikte auftreten. Wie soll eine Person gleichzeitig Coach sein und gleichzeitig Druck machen, weil ein Release ansteht? Wie kann man Konflikte moderieren, in denen man selbst Partei ist? Und wie wirkt das auf ein Team, das sich ohnehin fragt, ob es wirklich mitgestalten darf – oder doch nur Vorgaben bekommt? Gerade dort, wo Teams anfangen, echte Ownership zu übernehmen, blockiert die Doppelrolle oft ungewollt genau diesen Prozess.
Das größte Risiko: Man gewöhnt sich daran. Alle tun so, als wäre das normal. Die Organisation spart sich eine Rolle, das Team freut sich über weniger Abstimmung, und die PO reibt sich auf. Diese Form der organisatorischen Schuld muss sichtbar gemacht werden. Es braucht Transparenz – und klare Absprachen, wie lange diese Übergangslösung trägt. Wer die Doppelrolle stillschweigend hinnimmt, macht es der Organisation zu leicht, nichts zu verändern.
Die Folge zeigt, wie man trotz der Doppelrolle handlungsfähig bleibt – zumindest vorübergehend. Klare Rollensignale helfen. Externe Moderation entlastet. Reflektion im Team schafft Verständnis. Und vor allem: Man muss reden – mit dem Team, mit Vorgesetzten, mit anderen POs. Denn aus der Überforderung heraus entsteht keine gute Produktentwicklung.
Wenn du selbst in der Doppelrolle steckst oder jemanden kennst, der dort gerade kämpft: Diese Folge hilft, die Situation klarer zu sehen – und erste Schritte raus aus dem Dilemma zu finden. Damit Verantwortung wieder dort landen kann, wo sie hingehört.