Indien zwischen digitaler Revolution und Nachfragekrise - Infosys-Co-Gründer Nilekani im Interview
Feb 21, 2025
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Nandan Nilekani, Mitgründer von Infosys und Architekt des Aadhaar-Systems, diskutiert mit Mathias Peer, Korrespondent für Südostasien, über Indiens digitale Revolution und aktuelle wirtschaftliche Herausforderungen. Nilekani erklärt, wie Aadhaar das Leben von Millionen verändert hat und welche Hürden für die Digitalisierung überwunden wurden. Zudem wird die Rolle der IT-Infrastruktur, des Startup-Ökosystems und der Künstlichen Intelligenz thematisiert. Auch die Rückzüge ausländischer Investoren und der Einfluss geopolitischer Spannungen werden näher beleuchtet.
Indien hat sich als bedeutender Markt für Technologie-Investitionen etabliert, sieht sich jedoch gleichzeitig mit Herausforderungen wie Nachfrageschwäche und Abflüssen gegenüber.
Die digitale Revolution, insbesondere durch das Aadhaar-System, hat das Leben vieler Inder verändert und den bargeldlosen Zahlungsverkehr verbreitet.
Trotz des Wirtschaftswachstums bleibt die Schaffung gut bezahlter Arbeitsplätze in der Privatwirtschaft eine zentrale Herausforderung für Indien.
Deep dives
Indiens wirtschaftlicher Aufstieg
Indien hat in den letzten Jahren einen signifikanten wirtschaftlichen Aufstieg erlebt und wird zunehmend als Boom-Markt für Technologie-Investoren angesehen. Mit einer Bevölkerung von über 1,4 Milliarden Menschen gilt das Land als Motor der Weltwirtschaft, insbesondere unter den G20-Staaten, wo die Wachstumsraten seit der Corona-Pandemie die höchsten sind. Dieser Aufschwung ist jedoch von Herausforderungen begleitet, da die indischen Börsen kürzlich unter Druck geraten sind, was zu einem Rückgang der Bewertungen vieler Start-ups geführt hat. Geopolitische Spannungen und Handelskonflikte, insbesondere mit den USA, haben ebenfalls zur Unsicherheit auf den Märkten beigetragen.
Digitalisierung und finanzielle Inklusion
Die digitale Revolution, die von der indischen Regierung vorangetrieben wird, hat das alltägliche Leben in Indien revolutioniert, insbesondere im Bereich des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Mit Initiativen wie Aadhaar, einem biometrischen Identifikationssystem, können Inder in Minuten Bankkonten eröffnen und Zugang zu sozialen Leistungen erhalten. Das System hat dazu geführt, dass in Indien bargeldloser Zahlungsverkehr zur Norm geworden ist, was sich in der hohen Anzahl an täglichen Transaktionen widerspiegelt. Diese Fortschritte sind nicht nur für den Einzelnen von Vorteil, sondern haben auch das Potenzial, die gesamte Wirtschaft durch bessere Steuererfassung und erhöhten Zugang zu Krediten zu transformieren.
Herausforderungen im Arbeitsmarkt
Trotz des beeindruckenden Wirtschaftswachstums hat Indien mit einem Mangel an gut bezahlten, formellen Arbeitsplätzen zu kämpfen. Viele junge Menschen streben eine Karriere im Staatsdienst an, da die Privatwirtschaft nicht genügend Möglichkeiten bietet, um die jährlich auf den Arbeitsmarkt drängenden Millionen zu beschäftigen. Regierungsmaßnahmen, wie Steuersenkungen, sollen die Konsumnachfrage ankurbeln und das Wachstum ankurbeln, doch die Realität ist, dass das Land noch lange nicht genug Arbeitsplätze schafft, um mit dem Wirtschaftswachstum Schritt zu halten. Um dieses Problem anzugehen, muss die Regierung auch die Schaffung neuer Arbeitsplätze in der Privatwirtschaft fördern.
Indisches Start-up-Ökosystem
Das indische Start-up-Ökosystem hat in den letzten Jahren erhebliche Investitionen angezogen und zählt über 100 Start-ups, die den sogenannten Unicorn-Status erreicht haben. Während während der Corona-Pandemie Investitionen in Höhe von 42 Milliarden Dollar in indische Start-ups flossen, sind die Investitionen 2022 auf etwa 12 Milliarden Dollar gesunken, was Investoren vorsichtiger gemacht hat. Dennoch gibt es weiterhin ein reges Interesse am indischen Markt, mit vielen neuen Börsengängen und einer Vielzahl innovativer Ideen, die die Branche antreiben. Die Digitalisierung und der technologische Fortschritt sind Schlüsselfaktoren für den Erfolg dieser Start-ups, die auf einer soliden digitalen Infrastruktur aufbauen.
Künstliche Intelligenz und ihre Auswirkungen
Indien hat das Potenzial, von der Entwicklung und Implementierung von Künstlicher Intelligenz (KI) enorm zu profitieren, steht jedoch im internationalen Vergleich noch hinter Ländern wie den USA und China zurück. Die indische Regierung plant, in den nächsten Monaten ein KI-Grundlagenmodell zu entwickeln, um im globalen Wettbewerb mitzumischen. Es gibt einige Ansätze, KI in verschiedenen Sektoren wie Landwirtschaft und Bildung zu nutzen, um diese Bereiche effizienter zu gestalten und die Produktivität zu steigern. Der Trend zur Automatisierung durch KI wirft jedoch auch Fragen auf, wie die Zukunft des Arbeitsmarktes in Indien aussieht und wie viele Arbeitsplätze möglicherweise verloren gehen könnten.
In den vergangenen Jahren hat sich Indien zum Hotspot für Tech-Investoren entwickelt. Unternehmen expandierten rasant und die Regierung trieb ihre Pläne für eine digitale Transformation kräftig voran. Doch zuletzt haben viele indische Unternehmen ihre Gewinnziele verfehlt und kämpfen mit einer schwachen Nachfrage. Mehr als 20 Milliarden Dollar haben ausländische Investoren in den vergangenen Monaten aus dem Land abgezogen. Chefredakteur Sebastian Matthes diskutiert mit Handelsblatt-Südostasien-Korrespondent Mathias Peer über die aktuellen Entwicklungen im Land.
Außerdem spricht er mit Nandan Nilekani, der Indiens digitalen Wandel in den vergangenen Jahren maßgeblich geprägt hat. Er war Co-Gründer des IT-Unternehmens Infosys. Im Interview erklärt Nilekani, warum der Erfolg indischer Unternehmen eng mit dem Image des Landes verknüpft ist: "Wir mussten Indien verkaufen, bevor wir Infosys verkaufen konnten."
2009 wechselte Nilekani in die Politik, um das größte biometrische Identifikationssystem der Welt zu leiten: Aadhaar. Nilekani und Matthes diskutieren in der aktuellen Folge von Handelsblatt Disrupt, wie Aadhaar das Leben von Millionen Indern verändert, welche Hürden bei der Digitalisierung des Landes überwunden werden mussten und warum Leidenschaft und Geduld entscheidend für unternehmerischen Erfolg sind.
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