Sachsen und Thüringen: Wie weiter nach der Wahl? Mit Anne Hähnig und Bodo Ramelow
Sep 5, 2024
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Anne Hähnig, Redaktionsleiterin von ZEIT ONLINE und politische Aktivistin, und Bodo Ramelow, amtierender Ministerpräsident von Thüringen, diskutieren die Folgen der Wahlergebnisse, die das politische Landschaft drastisch verändert haben. Sie beleuchten die Herausforderungen, die sich aus dem starken AfD-Zuwachs ergeben, und erörtern die Fähigkeit der demokratischen Parteien zur Regierungsbildung. Ramelow betont die Notwendigkeit pragmatischer Lösungen und die Hoffnung auf regierungsfähige Koalitionen, trotz der unüberwindbaren Differenzen.
Die Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen zeigen eine besorgniserregende Zunahme des Einflusses der AfD in der politischen Landschaft.
Die etablierten Parteien stehen vor der Herausforderung, pragmatische Lösungen zu finden, um eine stabile Regierungsbildung zu gewährleisten.
Die Möglichkeit einer Normalisierung extrem rechter Ansichten könnte durch zukünftige Koalitionen und politische Dynamiken verstärkt werden.
Deep dives
Vergeblichkeitsgefühl nach Wahlen
Ein starkes Vergeblichkeitsgefühl prägt die Reaktionen auf die Ergebnisse der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen, da die AfD in Thüringen mit über 32% erstmals eine Landtagswahl gewinnt. Diese Situation sorgt für große Sorgen und Unsicherheiten über die zukünftige politische Landschaft. Der Gesprächspartner reflektiert, dass trotz jahrelanger Auseinandersetzung mit der AfD und unterschiedlicher Strategien, wie etwa dem Druck auf Wähler in den betroffenen Regionen, die Bemühungen nicht den gewünschten Erfolg bringen. Diese ambivalente Stimmung führt dazu, dass viele die Möglichkeiten für konstruktive Lösungen in der Politik stark in Frage stellen.
Umgang mit der AfD
Der Wahlkampf in Sachsen zeigt, dass traditionelle Mittel zur Wählergewinnung in AfD-Hochburgen nicht funktionieren. Michael Kretschmer, der Ministerpräsident von Sachsen, versuchte aktiv Wähler von der AfD zu gewinnen, indem er auch in diesen schwierigen Regionen Wahlkampf machte und deren Anliegen ansprach. Trotz dieser Anstrengungen scheiterte er daran, wesentliche Wählerstimmen abzuziehen, was das allgemeine Gefühl verstärkt, dass eine Zusammenarbeit mit der AfD unvermeidlich wird. Dies lässt den Eindruck entstehen, dass die etablierten Parteien in ihrem Handeln gefangen sind und alternative Ansätze dringend gesucht werden müssen.
Unregierbarkeit und zukünftige Koalitionen
Die Koalitionsmöglichkeiten nach den Wahlen in Thüringen und Sachsen sind angesichts der hohen Stimmenanteile der AfD stark eingeschränkt, was ein Gefühl der Unregierbarkeit hervorruft. In Thüringen sind die Traditionsparteien gezwungen, aufgrund interner Beschlüsse keine Zusammenarbeit mit der AfD einzugehen, was die Bildung einer stabilen Regierung weiter erschwert. Es wird diskutiert, dass Koalitionen zwischen CDU, der SPD, und einer neuen Bewegung unter Sarah Wagenknecht benötigt werden könnten, um Mehrheiten zu sichern. Dennoch bestehen große Zweifel, ob solche Koalitionen in der Realität tatsächlich möglich sind, was die Unsicherheiten über die praktische Umsetzbarkeit von Regierungsbildung verstärkt.
Forderungen der neuen politischen Akteure
Die neuen politischen Akteure, insbesondere das Bündnis unter Sarah Wagenknecht, stellen Forderungen auf, die für viele in der CDU problematisch sind, wie etwa die Abrüstung amerikanischer Raketen und die Einschränkung militärischer Unterstützung für die Ukraine. Diese Bedingungen könnten die CDU in eine schwierige Lage bringen, die sowohl den innerparteilichen Konflikt schüren als auch öffentlich Probleme verursachen kann. Die aktuellen Debatten über Regierungsbildungen zeigen, dass die Politik sich immer mehr in strategischen Manövern verstrickt, die auf kurzfristige Gewinnaussichten anstatt langfristiger Stabilität abzielen. Diese Dynamik könnte die politische Landschaft in Ostdeutschland stark beeinflussen und das Vertrauen in die schon bestehenden Parteien weiter erodieren.
Zukunftsperspektiven der Politik
Die Diskussion über die zukünftige politische Landschaft in Sachsen und Thüringen zeigt, dass Parteien darauf abzielen, Neuwahlen durch das Bilden von Koalitionen zu vermeiden, um zu verhindern, dass die AfD noch mehr Macht gewinnt. Es besteht die Sorge, dass die gegenwärtigen politischen Unsicherheiten in Kombination mit der weitreichenden Akzeptanz von extremen Positionen zu einem schleichenden Verlust von demokratischen Standards führen können. In einem Jahr könnte sich die Situation dahingehend entwickeln, dass es entweder eine Minderheitsregierung gibt oder sogar eine Koalition, die gezwungen ist, auf die AfD zuzugehen. Dies könnte zu einer Normalisierung extrem rechter Ansichten führen und das politische System in Deutschland entscheidend verändern.
Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik hat eine rechtsextreme Partei bei einer Landtagswahl gewonnen: Am 1. September bekam die AfD in Thüringen mit 32,8 Prozent mit Abstand die meisten Stimmen. In Sachsen lag die CDU nur knapp vor der AfD. Diese Ergebnisse stellen die demokratischen Parteien vor Herausforderungen bei der Regierungsbildung, denn mit der AfD will keine von ihnen koalieren. Um Mehrheitsregierungen zu bilden, müssten jetzt massive politische Differenzen überwunden werden. Komplizierter wird das Ganze durch den Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU mit der Linken und die Koalitionsbedingungen, die das BSW stellt. Die AfD wird währenddessen auch ohne Regierungsbeteiligung an Einfluss gewinnen. Wir fragen darum in dieser Folge: Wie geht es weiter nach den Wahlen in Sachsen und Thüringen? Wie kann überhaupt noch regiert werden? Darüber spricht Anne Will mit Anne Hähnig, der Redaktionsleiterin von ZEIT ONLINE. Für sie sind die Wahlergebnisse ein massiver Einschnitt, der auch zeigt, wie viel rechter der Zeitgeist geworden ist.
Außerdem ist Bodo Ramelow, der scheidende Ministerpräsident Thüringens, zu Gast. Er ist sich sicher: Thüringen bleibt regierbar. Die demokratischen Parteien müssen pragmatische Lösungen miteinander finden, meint Ramelow und erklärt, wie er deshalb aus der Opposition heraus seine Stimme einsetzen will, wenn die Regierung in Thüringen zukünftig keine Mehrheit hat.
Das komplette Gespräch mit Bodo Ramelow wird am 07. September 2024 um 6 Uhr als Bonusfolge veröffentlicht.
Der Redaktionsschluss für diese Folge war Mittwoch, 04. September 2024, um 17:30 Uhr.
Impressum:
Redaktion: Gina Enslin, Teresa Sickert
Executive Producerin: Marie Schiller
Audio Producer: Maximilian Frisch, Lukas Hambach, Patrick Zahn
Sounddesign: Hannes Husten
Vermarktung: Mit Vergnügen GmbH
Eine Produktion der Will Media GmbH
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