Ella Schindler, Co-Vorsitzende der Neuen deutschen Medienmacher*innen, spricht über die einseitige Berichterstattung in den Medien zur Migration. Sie kritisiert, dass oft nur über negative Vorfälle berichtet wird und darunter wichtige Themen wie Armut und Bildung leiden. Schindler fordert mehr Vielfalt in der Perspektive und mehr Wertschätzung für die Herausforderungen von Migranten. Zudem beleuchtet sie das Misstrauen der migrantischen Community gegenüber den Medien und die Notwendigkeit einer respektvollen und umfassenden Berichterstattung.
Die unreflektierte Medienberichterstattung über Migration führt dazu, dass sicherheitsrelevante Narrative über andere gesellschaftliche Probleme dominieren und viele wichtige Themen vernachlässigt werden.
Die Ängste und Herausforderungen der migrantischen Bevölkerung werden in den Medien oft ignoriert, während die Sorgen vor Übergriffen durch Migranten übermäßig betont werden, was zur Stigmatisierung beiträgt.
Deep dives
Die Notwendigkeit diversitätsbewusster Berichterstattung
Die Berichterstattung über Migration in den Medien ist oft unreflektiert und gibt politische Aussagen ohne kritische Analyse wieder. Diese unkritische Übernahme politischer Narrative führt dazu, dass Migration fälschlicherweise als Ursachen für gesellschaftliche Probleme dargestellt wird, während andere wichtige Themen wie Bildung, Armut und Wohnungsnot vernachlässigt werden. Ein Beispiel ist die einseitige Fokussierung auf Vorfälle wie Messerattacken, die häufig mit der migrantischen Bevölkerung in Verbindung gebracht werden, ohne die zugrunde liegenden sozialen Herausforderungen zu beleuchten. Die Medien sind gefordert, eine differenzierte Sichtweise einzunehmen und allseitige Perspektiven zu präsentieren, um die Realität angemessen abzubilden und nicht nur Sensationsnachrichten zu bedienen.
Das Versagen der Medien bei der Darstellung von Ängsten
Die Ängste der migrantischen Bevölkerung werden in der Medienberichterstattung oft übersehen, während die Ängste vor Übergriffen durch Migranten übermäßig betont werden. Diese einseitige Berichterstattung trägt zur Stigmatisierung bei, indem sie die Perspektive von Menschen ignoriert, die aufgrund ihres Aussehens oder Namens Diskriminierung erfahren. Die Diskrepanz zeigt sich besonders im unzureichenden Zugang zu Wohnraum oder Jobs für viele Migranten, was das Gefühl der Unsicherheit verstärkt. Eine ausgewogene Berichterstattung, die sowohl die Ängste von Menschen in der Mehrheitsgesellschaft als auch von Migranten ernst nimmt, ist entscheidend, um ein umfassenderes Bild der gesellschaftlichen Dynamik zu zeichnen.
Medien als Spiegel der gesellschaftlichen Realität
Die derzeitige mediale Landschaft ist stark klickgetrieben, wobei erfolgreiche Geschichten oft auf Sensationen beruhen, anstatt die komplexen Realitäten von Migranten in der Gesellschaft zu reflektieren. Diese Tendenz wird durch wirtschaftlichen Druck verstärkt, der dazu führt, dass Medienhäuser weniger Interesse an weniger skandalösen, dafür aber bedeutenden Geschichten zeigen. Trotz der Wichtigkeit einer kontinuierlichen Berichterstattung über Migration bleibt das Thema häufig im Hintergrund, bis ein sensationeller Vorfall die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Ein langfristiger, fortlaufender Dialog über Migranten und deren Beiträge zur Gesellschaft ist notwendig, um Vorurteile abzubauen und das Vertrauen in die Medien zu stärken.
Warum berichten Medien nur dann über Migration, wenn etwas Schlimmes passiert?
Der aktuelle Bundestagswahlkampf ist bestimmt vom Thema Migration. Man bekomme dabei den Eindruck, als sei Migration die Hauptursache aller unserer Probleme, sagt Ella Schindler. Die Vorsitzende des Vereins „Neue deutsche Medienmacher*innen“ ist diese Woche zu Gast im Übermedien-Podcast und kritisiert, dass Medien sich zu sehr von der Politik vereinnahmen ließen und zu oft unreflektiert das wiedergäben, was Politiker sagen.
„Das Thema Migration wird darauf reduziert, dass es Menschen gibt, die man für ein Sicherheitsrisiko hält.“ Viele andere wichtige Themen – wie Armut, Wohnungsnot oder Bildung – kämen dabei zu kurz. Über Migration werde meist nur dann berichtet, wenn etwas Schlimmes passiert, beobachtet Ella Schindler. Sie wünscht sich bei der Berichterstattung über Migration mehr Kontinuität – und Perspektivenvielfalt: „Wir sprechen sehr oft über die Ängste der Menschen vor Angriffen oder Terrorattacken“, sagt die Journalistin. Aber was sei mit den Sorgen der Menschen, Angst vor rassistischen Sprüchen haben oder davor, als muslimisch gelesener Mann keine Wohnung zu finden? „Diese Sorgen werden in den Medien zu wenig aufgegriffen“, sagt Schindler.
Woran liegt das ihrer Meinung nach? Wie ginge es besser? Und wie sollten Medien mit der Herkunft eines Täters umgehen? Darüber sprechen Holger Klein und Ella Schindler in der neuen Folge „Holger ruft an…“.