Hubert Achleitner, besser bekannt als Hubert von Goisern, ist ein vielseitiger Musiker und nun auch Autor seines Debütromans "flüchtig", der 2023 erschien. Im Gespräch erzählt er von der Reise der Protagonistin Maria, ihrer Flucht vor einer eintönigen Beziehung und der unerwarteten Gemeinsamkeit mit der Autostopperin Lisa. Zudem diskutiert er den kreativen Austausch zwischen Musik und Literatur und beleuchtet die Herausforderungen des Schreibens. Auch das Thema der Sichtbarkeit von Frauen in der Literatur wird angesprochen, einschließlich neuer Perspektiven auf weibliche Charaktere.
Hubert von Goisern thematisiert in seinem Debütroman 'flüchtig' die Suche nach Identität und Freiheit in der Lebensmitte einer Frau.
Der Autor beschreibt den kreativen Prozess des Schreibens als herausfordernd, da er eine tiefere Auseinandersetzung mit Charakteren erfordert als die Musikproduktion.
Deep dives
Hubert Achleitners Debütroman ‚Flüchtig‘
Der Roman ‚Flüchtig‘ erzählt die berührende Geschichte von Eva-Maria Magdalena Neuhauser, die nach 30-jähriger Ehe die Entscheidung trifft, ihr Leben zu verändern und sich auf eine Reise ins Unbekannte zu begeben. Diese Reise führt sie von Bad Ischl bis nach Griechenland, wo sie auf dem Berg Athos nach dem Sinn ihres Lebens sucht. Der Autor beschreibt nicht nur die äußeren Orte, die sie bereist, sondern auch den inneren Transformationsprozess, den die Protagonistin durchläuft. Dieser Roman thematisiert die Suche nach Identität und Freiheit im Alter von 55 Jahren, was eine bewusste Entscheidung des Autors war, um eine realistische Darstellung eines oft vernachlässigten Alters zu bieten.
Der Unterschied zwischen Musik und Schreiben
Der Autor Hubert Achleitner, bekannt als Musiker, beschreibt den kreativen Prozess des Schreibens als völlig anders im Vergleich zur Musikproduktion. Während er bei der Musik die Geschichte durch Melodien und Harmonien erzählt, erfordert das Schreiben eine tiefere Auseinandersetzung mit den Charakteren und deren Entwicklung über lange Zeiträume. Achleitner erklärt, dass er beim Schreiben oft mit der Angst kämpfte, ob er das wirklich gut genug machen könne, was ihn lange zögern ließ, bis er schließlich seine Geschichte niederschrieb. Diese Distanz und das Akzeptieren der Möglichkeit des Scheiterns machen das Schreiben für ihn zu einer einzigartigen Herausforderung.
Wechsel der Perspektive und Einbeziehung von Nebenfiguren
Achleitner betont die Wichtigkeit der Perspektive in seinem Roman, indem er die Geschichten sowohl aus Sicht der Hauptfiguren als auch von Nebenfiguren erzählt, was dem Leser ein umfassenderes Verständnis der Charaktere ermöglicht. Er wollte den Figuren eine 'Seele' geben und zeigen, dass jeder Mensch von seiner Vergangenheit und seinem Umfeld geprägt wird. Diese Technik sorgt dafür, dass die Handlung vielschichtig und dynamisch bleibt, da die Nebenfiguren ebenso emotionale Tiefe und Bedeutung haben. Solche Erzählstrukturen fordern den Autor heraus, stets den roten Faden zu behalten und die verschiedenen Erzählstränge zu verknüpfen.
Die Darstellung reifer Frauen in der Literatur
Eine zentrale Diskussion des Gesprächs ist die Darstellung von Frauen in der Literatur, insbesondere von reifen Frauen jenseits der 50. Achleitner möchte mit seiner Protagonistin Eva-Maria eine authentische Figur schaffen, die nicht in die typisierten Klischees eingeordnet wird. Die Figur ist nicht nur die rückblickende, unerfüllte Frau, sondern hat klare Lebensziele und eine narrative Tiefe, die sie greifbar macht. Der Autor erkennt an, dass Frauen in diesem Alter oft ignoriert werden, undhofft durch seine Darstellung, eine positive Sichtweise und einen Dialog über die Lebensrealitäten reifer Frauen zu fördern.
Viele kennen Hubert Achleitner besser unter seinem Künstlernamen, unter dem er Musik macht: Hubert Achleitner ist Hubert von Goisern. Ein literarischer Spätzünder, erst mit 67 Jahren erscheint sein Debütroman "flüchtig". Es geht um Maria, sie ist 55 Jahre alt, und sie ist weg - plötzlich, ohne Abschiedsbrief. Ihren 60-jährigen Gatten lässt sie zurück, ihre Liebe war zur Zweckgemeinschaft geworden, und sie fährt ohne Ziel Richtung Süden. Die Reiseleitung übernehmen der Zufall und die Autostopperin Lisa, die als Erzählerin durch "flüchtig" führt. Er spricht bei Petra Hartlieb über das Buch, dessen Genese und natürlich über das Leben.
Barbara Tóth aus der FALTER-Redaktion stellt dann noch ein Sachbuch und einen Roman vor. In "Unsichtbare Frauen" geht es um die systematische Unterrepräsentation von Frauen in unserer datengetriebenen Welt, in "Eva schläft" erschafft Autorin Francesca Melandri zwei tolle Frauenfiguren, dabei lernt man auch viel über Südtirol.
Am Ende liest noch Miriam Hübl, eine der Organisatorinnen des FALTER-Buchclubs auf Facebook, einen Ausschnitt aus "flüchtig".
Unsichtbare Frauen (Caroline Criado-Perez): https://shop.falter.at/detail/9783442718870
Eva schläft (Francesca Melandri): https://shop.falter.at/detail/9783803128058
Zur Moderatorin: Petra Hartlieb betreibt nicht nur zwei Buchhandlungen in Wien, sondern ist auch als Schriftstellerin überaus erfolgreich. Ihr Roman “Meine wundervolle Buchhandlung” wurde zum Bestseller und in acht Sprachen übersetzt. 2019 war sie Jurymitglied des Deutschen Buchpreises. Der Podcast "Besser lesen mit dem FALTER" erscheint alle zwei Wochen; Hartlieb spricht darin mit Autorinnen und Autoren über das Lesen, das Schreiben und das Leben an sich.