#22 2025 Über Aufrüstung und Kriegsgefahr in Europa - mit Bernhard Müller
Apr 16, 2025
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Bernhard Müller, ein Experte für Verteidigung und Sicherheit bei PwC Legal Austria, diskutiert mit Host Stefan Lassnig über die geforderte militärische Aufrüstung in Europa. Sie beleuchten die geopolitischen Veränderungen und die Abhängigkeit von den USA. Müller hinterfragt, ob Aufrüstung wirklich zu Frieden führt oder Konflikte provoziert. Außerdem wird die Rolle der Rüstungsindustrie, die Auswirkungen des Ukraine-Konflikts und die Herausforderungen für Österreichs Neutralität eingehend analysiert.
Die geopolitischen Veränderungen und die Abhängigkeit von den USA stellen eine Kernherausforderung für die europäische Sicherheit dar.
Die Diskrepanz zwischen reduzierten militärischen Kapazitäten und den aktuellen Bedrohungen erfordert ein Umdenken in der europäischen Verteidigungsstrategie.
Deep dives
Auswirkungen der Friedensdividende auf die Sicherheitslage
Die Friedensdividende, die nach dem Ende des Kalten Krieges in Europa entstand, führte zu erheblichen Reduzierungen der militärischen Kapazitäten, da der Fokus zunehmend auf Katastrophenschutz und Auslandseinsätze gelegt wurde. Dies führte dazu, dass viele klassische militärische Fähigkeiten, insbesondere die Landesverteidigung, abgebaut wurden. In Österreich beispielsweise sank die Mobilmachungsstärke von 360.000 Soldaten auf nur 55.000, während die NATO ebenfalls wesentliche Fähigkeiten verlor. Diese Veränderungen haben dazu geführt, dass die Streitkräfte in Europa im Hinblick auf konventionelle Kriegsführung stark hinter dem Bedarf zurückbleiben, was nun angesichts des Ukraine-Konflikts und der sich verändernden geopolitischen Landschaft als riskant betrachtet wird.
Geopolitische Veränderungen und die Rolle der NATO
Die geopolitischen Veränderungen, einschließlich der Abkehr der USA von Europa und der Bedrohung durch Russland, haben die sicherheitspolitische Landschaft in Europa erheblich beeinflusst. Das Vertrauen in die NATO wird in Frage gestellt, insbesondere da die USA die Verpflichtung zur Unterstützung europäischer Staaten womöglich nicht mehr in dem Maße aufrechterhalten können. Ein militärischer Konflikt könnte nicht in der Form einer großangelegten Offensive erfolgen, sondern vielmehr in Form kleinerer, subkonventioneller Auseinandersetzungen wie Cyberangriffe und hybride Kriegsführung. Dies erfordert ein Umdenken in der europäischen Verteidigung, um der Bedrohung durch Russland und der Unsicherheit innerhalb der transatlantischen Beziehungen zu begegnen.
Die Notwendigkeit einer europäischen Rüstungsstrategie
Die Entwicklung einer kohärenten europäischen Rüstungsstrategie wird als notwendig erachtet, um Abhängigkeiten von amerikanischen Waffensystemen zu reduzieren und die strategischen Fähigkeiten des Kontinents zu stärken. Die Notwendigkeit, geeignete Rüstungsanlagen und -kapazitäten aufzubauen, wird durch den zunehmenden Druck auf die europäische Verteidigungsindustrie deutlich. Trotz der damit verbundenen Herausforderungen gilt es, eine europäische Waffenindustrie zu fördern und eine gemeinsame Beschaffungsstrategie zu entwickeln. Dies würde nicht nur die Effizienz erhöhen, sondern auch die Unabhängigkeit und Selbstversorgung Europas in sicherheitsrelevanten Bereichen verbessern.
Abschreckung und die Balance zwischen Frieden und Krieg
Die Diskussion um Aufrüstung wirft die Frage auf, ob diese Maßnahme zu einer erhöhten Kriegsgefahr oder zu einer stabileren Friedenssituation führen kann. Abschreckung, verstanden als Vorbereitung auf potenzielle Konflikte, wird als notwendig erachtet, um einem möglichen Übergriff zuvorzukommen. Dennoch muss abgewogen werden, wie ein Gleichgewicht zwischen defensiven Maßnahmen und der Vermeidung einer Eskalation geschaffen werden kann. Die Idee, dass man sich militarisieren sollte, um Frieden zu sichern, erinnert an das bekannte Sprichwort, dass man, um Frieden zu bewahren, sich auf den Krieg vorbereiten muss, was die Komplexität der aktuellen Sicherheitslage in Europa verdeutlicht.
Das Wort "Aufrüstung" ist wieder ein ständiger Begleiter in der täglichen Berichterstattung. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat erst kürzlich den "ReArm Europe"-Plan vorgestellt, der unter anderem 800 Milliarden Euro für die Aufrüstung Europas bereitstellen soll. Host Stefan Lassnig spricht mit Bernhard Müller, Experte für Verteidigung und Sicherheit, über diese Aufrüstung in Europa: Welche geopolitischen Veränderungen beeinflussen unsere Ausgangslage? Müssen wir den Krieg vorbereiten um den Frieden zu sichern? Sind die Weichen in Europa bereits in Richtung militärische Aufrüstung gestellt? Wie abhängig sind wir von den USA? Und wird die offenbar bevorstehende Aufrüstung eher zu einem friedlichen Gleichgewicht oder zu kriegerischen Auseinandersetzungen führen?