Claudia Christine Wolf, Redakteurin bei Spektrum der Wissenschaft, spricht mit der Neurowissenschaftlerin Mary Frances O'Connor über die komplexen Prozesse der Trauer im Gehirn. Sie beleuchten, warum Trauernde oft das Gefühl haben, Verstorbene seien noch bei ihnen und welche neurologischen Veränderungen der Verlust mit sich bringt. O'Connor erklärt, wie unterschiedliche Trauerarten das Gehirn beeinflussen und Warum Psychotherapie in diesen Momenten helfen kann. Die Forschung zeigt, dass Trauer nicht nur Stress, sondern auch einen heilsamen Bestandteil der Identität darstellt.
Trauer beeinflusst das Gehirn nachhaltig, indem es versucht, die Realität des Verlustes zu akzeptieren und dabei traumatische Erinnerungen verarbeitet.
Die individuelle Trauerreaktion zeigt sich im Gehirn unterschiedlich, wobei das Belohnungssystem bei komplizierter Trauer weiterhin aktiv bleibt.
Deep dives
Die Komplexität der Trauer
Trauer ist ein starkes und komplexes Gefühl, das individuell unterschiedlich erlebt wird. Menschen, die eine geliebte Person verloren haben, können in unterschiedlichen Phasen trauern, wobei es nicht ungewöhnlich ist, dass der Tod in einem selbst Veränderungen hervorruft. Diese emotionalen Reaktionen sind nicht nur psychologisch, sondern haben auch tiefgreifende neurologische Implikationen, da das Gehirn auf den Verlust reagiert und versucht, die Realität der Abwesenheit der verstorbenen Person zu akzeptieren. Wissenschaftler untersuchen derzeit, wie sich Überzeugungen und Erinnerungen im Gehirn manifestieren, wenn jemand trauert, und was das für unsere Identität bedeutet.
Neurobiologische Perspektive auf Trauer
Neurowissenschaftliche Forschungen untersuchen, was im Gehirn passiert, wenn Menschen den Verlust eines geliebten Menschen verarbeiten. Die Psychologin Mary Frances O'Connor zeigt, dass traumatische Erinnerungen und Bindungen im Gehirn weiterhin aktiv sind, auch nachdem eine Person gestorben ist. Das Gehirn verhält sich quasi als Prognosemaschine, die an die Rückkehr der verstorbenen Person glaubt, was zu dem Gefühl führt, dass diese immer noch in der Nähe ist. Diese neurologischen Reaktionen verdeutlichen, dass Trauer nicht einfach nur eine emotionale Reaktion ist, sondern von tiefgreifenden biologischen Prozessen begleitet wird.
Individuelle Trauererfahrungen
Trauer ist ein höchst individuelles Erlebnis, und es gibt signifikante Unterschiede darin, wie Menschen mit dem Verlust umgehen. Einige Personen erleben weiterhin intensive Trauerjahre nach dem Verlust, was als komplizierte Trauer bezeichnet wird. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass bei diesen Menschen das Belohnungssystem im Gehirn aktiv ist, was auf ein starkes Verlangen hinweist, mit dem verstorbenen Angehörigen zusammen zu sein. Dieses Phänomen kann die Schwierigkeit des Loslassens verdeutlichen und darauf hinweisen, wie tief die emotionale Bindung ist, die Menschen zu ihren Liebsten entwickeln.
Stirbt ein geliebter Mensch, dann hinterlässt das Spuren in unserem Gehirn. Untersuchungen liefern erste Erkenntnisse, wie die Trauer sich auf unser Denkorgan auswirkt und welche Prozesse dort ablaufen, wenn wir jemanden verlieren.
(00:00:35) Begrüßung
(00:01:28) Wer ist Mary-Frances O’Connor und woran forscht sie?
(00:02:23) Woher kommt das Gefühl, dass Verstorbene noch da sind?
(00:03:44) Das Gehirn muss lernen, dass jemand tot ist.
(00:05:25) Hinterlässt der Tod von Angehörigen Spuren im Gehirn?
(00:07:17) Wie untersucht man Trauer im Labor?
(00:08:59) Warum trauern Menschen unterscheidlich? Liegt das am Gehirn?
(00:11:05) Welchen Gefühlsmix löst Trauer im Gehirn aus?
(00:12:03) Wie ähnlich sind sich unterschiedliche Arten von Trauer?
(00:13:48) Heilt die Zeit alle Wunden auch bei Trauer?
(00:15:04) Warum erinnern sich Trauernde aus dem Nichts an Verstorbene?
(00:16:05) Wie ändert sich das Verständnis von Trauer durch Forschung?
(00:17:32) Wie kann die Neurobiologie Trauernden helfen?