"Unser Wohlstand darf nicht auf Ausbeutung aufbauen"
Feb 5, 2024
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Antje von Dewitz, Geschäftsführerin von Vaude und Vorkämpferin für Nachhaltigkeit, diskutiert, wie Unternehmen menschenrechtliche Standards in ihren Lieferketten umsetzen können. Sie kritisiert die FDP für ihre ablehnende Haltung zum EU-Lieferkettengesetz, welches Verantwortung einfordern soll. Außerdem erörtert sie die Herausforderungen und Chancen, die sich aus dem deutschen Lieferkettengesetz ergeben. Von Dewitz betont, dass ethische Produktionsbedingungen unabdingbar sind, um Wohlstand nachhaltig zu gestalten.
Der Wohlstand darf nicht auf Ausbeutung basieren, weshalb Unternehmen Verantwortung für soziale und ökologische Belange übernehmen müssen.
Das geplante EU-Lieferkettengesetz zielt darauf ab, Verantwortung in Lieferketten zu fördern und stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen.
Antje von Dewitz zeigt, dass nachhaltiges Management nicht nur notwendig, sondern auch profitabel sein kann, was einen Wettbewerbsvorteil schafft.
Deep dives
Wohlstand und Nachhaltigkeit
Der Wohlstand einer Industrienation sollte nicht auf der Ausbeutung von Menschen und der Zerstörung der Umwelt beruhen. Eine moderne Unternehmensphilosophie muss die Verantwortung für soziale und ökologische Belange in den Vordergrund stellen, um zukunftsfähig zu sein. Antje von Dewitz, Geschäftsführerin von VAUDE, legt dar, dass Unternehmen die Kontrolle über ihre Lieferketten behalten können und dabei sogar profitabel wirtschaften können. Insbesondere Firmen, die sich aktiv um faire Arbeitsbedingungen und Umweltschutz bemühen, können dies als Wettbewerbsvorteil nutzen.
Das Lieferkettengesetz der EU
Das geplante EU-Lieferkettengesetz verpflichtet Unternehmen dazu, Menschenrechte und Umweltstandards in ihren Lieferketten zu beachten, unabhängig davon, wo sich diese befinden. Dies sollte eine gesetzliche Grundlage schaffen, die Unternehmen dazu bringt, Verantwortung zu übernehmen, ähnlich wie es VAUDE bereits in kleinerem Rahmen tut. Der Widerstand gegen das Gesetz ist jedoch stark, auch innerhalb der deutschen Regierung, und die FDP hat sich gegen die Zustimmung ausgesprochen. Die Diskussion über die Notwendigkeit solcher Regelungen zeigt, dass viele Unternehmer noch unsicher sind über die wahren Auswirkungen auf ihre Geschäfte.
Blick auf die Arbeitsbedingungen
Die Arbeitsbedingungen in Fabriken wie der, die beim Rana-Plaza-Unglück betroffen waren, spiegeln oft die Notwendigkeit eines Lieferkettengesetzes wider. Trotz fortschrittlicher Abkommen in der Textilindustrie zur Verbesserung der Sicherheit ist der Druck auf die Arbeitskräfte noch immer hoch, was die Situation der Beschäftigten nicht wesentlich verbessert hat. Eine Umfrage unter deutschen Unternehmen ergibt, dass nur ein geringer Teil tatsächlich auf soziale und ökologische Standards achtet, was zeigt, dass viele Unternehmen noch nicht ausreichend vorbereitet sind. Die Frage bleibt, wie viel Druck von den Unternehmen ausgeht, um diese Standards aktiv umzusetzen.
Herausforderungen und Vorteile der Regulierung
Das deutsche Lieferkettengesetz gilt aktuell für größere Unternehmen, während die EU-Richtlinie eine breitere Basis schaffen will, die auch kleinere Betriebe einbezieht. Unternehmen müssen nicht nur Lieferanten von erster Ebene überprüfen, sondern die gesamte Lieferkette im Blick haben. Dies könnte für viele Unternehmen, insbesondere in der Maschinenbau- und Fahrzeugindustrie, zu einer größeren Herausforderung werden, da sie häufig mit einer großen Zahl an Lieferanten arbeiten. Allerdings könnten einheitliche Regeln in der EU auch Wettbewerbsnachteile gegenüber Mitbewerbern außerhalb der Union verringern.
Die Rolle der Unternehmer
Unternehmer wie Antje von Dewitz beweisen, dass nachhaltiges Management nicht nur notwendig, sondern auch wirtschaftlich vorteilhaft sein kann. Sie argumentiert, dass ein ganzheitlicher Ansatz in der Wirtschaft, der Umwelt- und soziale Verantwortung integriert, die Zukunft der Unternehmen sichert. Es gibt bereits ein schwindendes Verständnis unter den Unternehmen, dass die Berücksichtigung von sozialen und ökologischen Aspekten nicht nur eine Pflicht ist, sondern auch strategische Bedeutung hat. Eine gemeinsame Anstrengung aller Firmen im Bereich Nachhaltigkeit könnte positiv auf die gesamte Branche wirken und Veränderungen herbeiführen.
Die Entscheidung galt eigentlich nur noch als Formsache. Am 9. Februar wollen die Mitgliedstaaten der Europäischen Union darüber abstimmen, ob sie den Großteil der Unternehmen in der EU dazu verpflichten, die Menschenrechte und bestimmte Umweltstandards in ihrer Lieferkette zu achten. Wenn also ein deutsches Unternehmen ein T-Shirt in Bangladesch produzieren lässt, muss es sicherstellen, dass die Kleidung nicht von Kindern genäht wird. Oder dass die umliegenden Flüsse nicht verpestet werden. Ist das zu viel verlangt von der deutschen Wirtschaft?
Die FDP meint: Ja. Und hat sich unerwartet gegen das EU-Lieferkettengesetz gestellt, obwohl sie zuvor daran mitgearbeitet hatte. Antje von Dewitz, Unternehmerin und Chefin des Outdoorherstellers Vaude findet das Verhalten der FDP in dieser Frage "ganz, ganz, ganz katastrophal". Es werde damit ein "Pseudoschutz um Unternehmen" aufgebaut, der signalisiere: "Verantwortung in Lieferketten ist nicht so wichtig". Im ZEIT-Wirtschaftspodcast "Ist das eine Blase?" spricht von Dewitz auch darüber, wie viel Prozent vom Umsatz die Achtung der Menschenrechte und der Umwelt in ihrem Unternehmen kostet und wie sie selbst versucht, die Kontrolle über ihre Lieferkette zu wahren.
Außerdem gehen die ZEIT-Redakteure Carla Neuhaus und Zacharias Zacharakis der Frage nach, was genau in der EU nun beschlossen werden soll und wie sich das Gesetz unterscheidet von dem deutschen Lieferkettengesetz, das bereits seit einem Jahr gilt.
Der Wirtschaftspodcast "Ist das eine Blase?" erscheint immer montags und dreht sich um all das, was die Welt im Innersten zusammenhält: Geld, Macht, Gerechtigkeit. Immer mit einem Experten aus der Redaktion, einem Gast – und einem Tier.
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