Ilko-Sascha Kowalczuk, Berliner Historiker und Autor eines umfassenden Werks über Walter Ulbricht, teilt spannende Einblicke in die Gründung der DDR. Er diskutiert, wie Moskau die Staatsgründung 1949 orchestrierte und die ursprünglichen Ziele einer deutschen Wiedervereinigung. Kowalczuk beleuchtet die Diskrepanz zwischen propagierten Freiheiten und der Realität für die Bevölkerung sowie die Symbolik des Fackelzugs, der die Gründung prägte. Zudem wird die Rolle von Walter Ulbricht und die Ideologie der kommunistischen Herrschaft analysiert.
Die Gründung der DDR war ursprünglich als vorläufig gedacht und sollte auf eine zukünftige Wiedervereinigung mit dem Westen abzielen.
Die enge Verbindung zur Sowjetunion prägte die Gründung und frühe Jahre der DDR, wobei Stalin maßgeblichen Einfluss auf politische Entscheidungen hatte.
Deep dives
Die Gründung der DDR und die Nationalhymne
Die erste öffentliche Aufführung der Nationalhymne der DDR fand am 7. November 1949 statt, nur wenige Wochen nach der Gründung der DDR. Die Hymne, gestaltet von Johannes R. Becher und Hans Eisler, sollte symbolisch die Hoffnung auf eine vereinte Zukunft für ganz Deutschland darstellen, was auf die damaligen Gemütszustände der Menschen in der DDR zurückzuführen ist. Interessanterweise war die Gründung zu diesem Zeitpunkt als vorläufig gedacht, und es bestand die Hoffnung auf eine spätere Einigung mit dem Westen, was den gesamten Gründungsprozess beeinflusste. Auch die SED, als führende Partei im Osten, hatte anfänglich eine nationale Mission für die deutsche Einheit im Sinn, was sich in den Grundsatzdokumenten und der Symbolik der Hymne widerspiegelt.
Stalins Einfluss auf die DDR
Die Entscheidung zur Gründung der DDR fiel im Wesentlichen in Moskau, wo die sowjetische Führung die wesentlichen politischen Rahmenbedingungen und die Verfassung der DDR festlegte. Stalin verfolgte dabei geopolitische Ziele, die darauf abzielten, die Sowjetunion als starke Macht im Westen zu etablieren, was die DDR zu einem strategisch wichtigen Posten machte. Die Verfassung, die am 7. Oktober 1949 inkraft trat, war nur das Ergebnis von Diskussionen, die im Vorfeld mit Stalin und seinen Beratern geführt wurden. Diese enge Verbindung zwischen der DDR und der Sowjetunion prägte die ersten Jahre der DDR und schloss notwendigerweise den Einfluss Stalins in alle Entscheidungen mit ein.
Walter Ulbrichts Rolle in der DDR
Walter Ulbricht war zwar eine zentrale Figur der DDR, agierte jedoch oft im Hintergrund, während andere wie Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl öffentlich im Vordergrund standen. Ulbricht hielt eine entscheidende Machtposition ein und hatte das Vertrauen der Sowjets, was bedeutete, dass er die Fäden in der Hand hielt, besonders in den entscheidenden Verhandlungen zur Staatsgründung. In seiner Antrittsrede stellte er dar, dass die Verwirklichung einer demokratischen Ordnung notwendig sei, während gleichzeitig eine Diktatur des Proletariats unter der Führung der SED installiert wurde. Diese duale Sicht auf Demokratie und Macht zeigt, dass Ulbrichts Verständnis von Demokratie im Widerspruch zu westlichen demokratischen Prinzipien stand.
Der Gründungstag der DDR
Am 7. Oktober 1949 fand die konstituierende Sitzung der provisorischen Volkskammer statt, bei der die DDR offiziell proklamiert wurde. Wilhelm Pieck stellte in seiner Rede die Ziele der neuen Regierung dar und begründete die Notwendigkeit einer provisorischen Volkskammer, was die Fragwürdigkeit der demokratischen Legitimität unterstrich. Die Einheitlistenwahlen, die der Bevölkerung präsentiert wurden, erlaubten de facto keine echte Wahl und verstärkten die Enge der politischen Situation. Der Umgang mit der Opposition und die Kontrolle der politischen Meinungsäußerung waren von Anfang an Teil der Strategie, um eine echte demokratische Entwicklung in der DDR zu verhindern.
Was wenige wissen: Bei ihrer Gründung stand die DDR noch zum Ziel einer deutschen Wiedervereinigung. Die Staatsgründung selbst wurde maßgeblich von Moskau orchestriert – bis auf den großen Fackelzug am 11. Oktober 1949, den selbst der Kreml befremdlich fand. Stefan Nölke im Gespräch mit dem Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk (MDR 2024) | Mehr zur Sendung: http://swr.li/gruendung-ddr | Bei Fragen und Anregungen schreibt uns: daswissen@swr.de | Folgt uns auf Mastodon: https://ard.social/@DasWissen und https://ard.social/@Archivradio
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