
Machen statt meckern - Was wir vom Pragmatismus lernen können
Sein und Streit
Die Rolle der Literatur in der Philosophie der Empathie
In diesem Kapitel wird untersucht, wie Literatur die Empathie und Moral beeinflusst, basierend auf Richard Rortys Ideen. Zudem wird Rortys Beitrag zur Philosophie und seine Verbindung zur Literaturwissenschaft beleuchtet.
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Episode notes
Speaker 2
Literatur hat ja einen großen Status bei Rorty auch als Schule der Empathie, ist das richtig? Ja,
Speaker 1
also in der Moral kann man sagen, ist Rortys Motto Jum statt Kant. Also die Sensibilisierung, das Gefühl, das ist sozusagen der Weg der Moral und nicht die Ratio. Und für die Moral ist die Literatur viel wichtiger nach Rotti als irgendwelche philosophischen Traktate. Die Literatur hat zwei Aufgaben. Einerseits soll sie meine Selbsterweiterung, meine Bildung und zwar im umfassenden Sinne, dass ich viele Möglichkeiten der Arten zu leben kennenlerne, also dient dem privaten Ziel der Selbstverwirklichung. Auf der anderen Seite aber eben auch primär soll sie sensibilisieren für Leiden, das wir bisher noch gar nicht wahrgenommen haben. Und da sieht Rorty insbesondere die Rolle von guten Literaten.
Speaker 2
Interessant. Jetzt haben Sie schon erwähnt, dass er biografisch gesehen an einem gewissen Punkt sozusagen eine strenge Korsett der Philosophie ein bisschen flieht. Ist er denn ein Philosoph letztlich, der so ein bisschen ein Ende der Philosophie-Philosoph oder geht er dann doch wieder auch biografisch zurück zur Philosophie?
Speaker 1
Also nach seiner Emeritierung in Virginia ist er dann noch nach Stanford gerufen worden und war dort noch neun Jahre in der Literaturwissenschaftlichen Fakultät, interessanterweise. Man könnte fast sagen, wie so eine Art Verbannung. Aber eigentlich hat er bis zum Schluss beide Wege weiter beschritten. Es gibt beeindruckende Bände, wo er sich auf höchstem philosophischen Niveau mit seinen Fachkollegen austauscht und diskutiert und eben aber auch diesen anderen eher erzählerischen Weg einschlägt. Also eigentlich hat er beides gemacht. Und er war nicht ein Ende der Philosophie, sondern ein Ende der Philosophie, so wie sie bisher betrieben wurde. Wäre seine Idee. Er hat dann letztlich die Idee gehabt, Philosophie soll wie Kulturkritik oder Kulturpolitik unsere Arten zu reden und zu denken, verändern hin zu einer freieren, einer demokratischen Lebensform. Und
Speaker 2
in dem Sinne ein unbedingt auch wiederum sehr idealistisches Vorhaben. Eine letzte Frage, was wäre der Einstieg, die Einstiegsdroge, wenn man Richard Rorty neu für sich entdecken möchte? Was sollte man lesen? Also
Speaker 1
tatsächlich vielleicht den schon mehrfach erwähnten Aufsatz Trotzki und die wilden Eucharistien. Und ansonsten gibt es eine schöne Sammlung bei Reklam Solidarität und Objektivität mit ein paar kleineren wichtigen Aufsätzen und wer politisch interessiert ist natürlich Achieving Our Country.
Speaker 2
Vielen Dank. Und wenn Sie von Martin Müller auch noch gute Sekundärliteratur zu Richard Rorty lesen mögen, seine große Studie zu Rorty heißt Private Romantik, öffentlicher Pragmatismus und ist 2014 bei Transkript erschienen. Es gibt aber auch eine knackige Einführung Rortorti lesen bei Sprenger aus dem Jahr 2021. Und das große, dicke und sehr nützliche Worti-Handbuch, das habe ich schon erwähnt, das erschien 2023.
Nicht jede Philosophie ist vergeistigt und abgehoben, es gibt auch handfestere Denkschulen – den amerikanischen Pragmatismus etwa. Dem geht es mehr um soziale Reformen als um Wahrheit. Ein Gespräch über Kulturkämpfe, Ironie und "whatever works". Müller, Martin; Newmark, Catherine www.deutschlandfunkkultur.de, Sein und Streit