Speaker 2
Christoph, machen wir zum Abschluss vielleicht noch einen größeren Bogen auf. Du hast schon zu Beginn gesagt, dass Befürworter vom Grundeinkommen ja durchaus auf Realitäten oder Probleme reagieren und der Lösungsvorschlag ist einer, dem du und auch ganz viele andere Expertinnen zumindest im Hier und Jetzt nicht viel abgewinnen können. Aber viele der Probleme bestehen ja, es gibt Armut, viele Menschen müssen Jobs machen, die sie vielleicht gerne nicht machen möchten, es gibt ungleiche Machtverteilung und so weiter. Wenn man das Grundeinkommen jetzt verwirft, das ist keine gute Idee, wie du das machst. Was wären denn Antworten auf die Fragen, die Grundeinkommensbefürworter da aufwerfen? Also
Speaker 1
ich glaube, man muss zwei Gruppen von Antworten unterscheiden. Das eine ist, wir brauchen eine wirkliche, dichte, gute Mindestsicherung. Die hatten wir schon fast, und da sind wir wirklich im Sozialstaat ein Stück zurückgegangen durch die Abschaffung der Mindestsicherung und das hinübertreibende Sozialhilfe. Mindestsicherung heißt für mich, dass ein Mensch, der aus welchen Gründen auch immer keine Erwerbsarbeit leisten kann oder nur so wenig Erwerbsarbeit leisten kann, dass er oder sie davon nicht leben kann, dass dieser Mensch wirklich finanziell abgesichert ist, finanziell abgesichert, dass er ein menschenwürdiges Leben führen kann. Das geht nur über Einzelfallprüfung, das geht natürlich nur, wenn Menschen auch, wenn auch gecheckt ist, ob der Mensch bereit wäre zu arbeiten, ob es aus irgendeinem Grund nicht geht. Und diese Bedürfnisse haben sicher nichts damit zu tun, ob jemand Deutsch kann oder nicht. Das muss man auch ganz deutlich sagen. Also man muss das soziale Netz hier wirklich dicht machen. Und da haben wir nach wie vor Lücken und wir haben sie in gewisser Weise jetzt mehr als vor drei Jahren. Die andere Ebene, die ich anschneiden möchte, ist, wir müssen, und das ist ein permanenter Prozess, die Arbeitsbedingungen in der Erwerbsarbeit verbessern. Ich meine damit nicht nur das Entgelt, aber es geht nicht an, dass Menschen den ganzen Tag hakeln und dann so wenig noch ausbringen, dass sie davon eben nicht leben können. Das kann kein befriedigender gesellschaftlicher Zustand sein. Und es gibt natürlich immer noch genug Berufe, wo das Arbeiten sehr ungesund ist, sehr stark belastend ist und dergleichen mehr. Und da muss man schauen, dass man noch mehr schafft, um diese Arbeitsbedingungen zu verbessern. Das ist nicht immer leicht, zugegebenermaßen, aber da gibt es auch Handlungsbedarf. Und diese zwei Linien würde ich sozusagen befürworten. Ganz
Speaker 1
es ist ja so, dass nachdem die damalige türkisblaue Regierung die Mindestsicherung auf der Bundesebene umgestaltet hat in Höchststandards, die die Länder machen können, und die Bundesländer machen jetzt ihre eigenen Sozialhilfegesetze wieder, Da gibt es zum Beispiel Länder, wo die Zuerkennung einer vollen Mindestsicherung von der Fähigkeit, Deutsch zu können oder vom Willen Deutsch zu lernen, abhängt. Und bitte, wir dürfen das Problem der Integration von Migrantinnen und Migranten nicht dadurch lösen, dass wir sie sozusagen zur Schwarzarbeit oder zum Betteln zwingen. Das ist sicher keine konstruktive Lösung des Ausländerproblems.