
Peter Sloterdijk - "Pessimismus muss tabuisiert bleiben"
Sein und Streit
Europas geopolitsche Illusionen
Das Kapitel untersucht die illusionsgeprägte politische Identität Europas und die Abhängigkeit von den USA zur Sicherung seiner Interessen. Es wird die historische und militärische Selbstwahrnehmung der europäischen Nationen analysiert, insbesondere im Kontext Deutschlands und seiner Vergangenheit. Zudem wird die Bedrohung durch Russland und das Wiederaufleben nationalistischer Strömungen innerhalb Europas thematisiert.
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Speaker 2
Sie machen das auch namhaft in Ihrem Buch, indem Sie von einer bewussten Schwäche, gar einer amiablen Schande sprechen, die darin liegt, dass Europa sich sehr lange in einem pseudokantianischen Trugbild verschrieben hat, in dem es sich nicht mehr ausreichend um seine Selbstbehauptung kümmerte. Man kann sagen, Europa hat sich in dem Trugbild gesonnt, dass es nicht mehr für seine eigene Sicherheit zuständig wäre. Europa
Speaker 1
hat sich vor allem entschieden, verabschiedet von seinen vielfältigen imperialen Vergangenheiten. In unseren Geschichtsbüchern erzählt man uns die Geschichte Europas, zumindest in den letzten 100 Jahren, meistens in der Tonart von Erzählungen über Nationalstaaten. Die Wahrheit über die europäischen Nationalstaaten ist aber die, dass sie alle Imperien waren, in mittleren Formaten. Die Spanier, die Engländer, die Franzosen,
Speaker 2
die Niederländer, die Portugiesen.
Speaker 1
Die Portugiesen, die Belgier, auch die Schweden zu ihrer Hochzeit, die Briten ohne dies, Italiener in letzter Minute, leisteten sich diese wunderbare Illusion, dass ihnen noch große Teile von Nordafrika, einschließlich Äthiopien, unbedingt gehören sollten. Und selbst die Deutschen sprangen dann noch auf diesen Zug auf? Auch Deutschland wollte am Ende des 19. Jahrhunderts diesen berühmten und berüchtigten Platz an der Sonne für sich noch zurückgewinnen. Also kurzum, es waren überall imperiale Konstrukte, die dann zu Nationalstaaten abgerüstet wurden. Und wir haben sozusagen die Schatten dieser imperialen Strukturen bewohnt und haben den dazugehörigen Militarismus abgelegt. Natürlich ist das in Frankreich anders. Die französische Nation hat sich seit der Revolution immer auch als eine kämpferische Nation verstanden. Deswegen hat das Wort Militantismus in Frankreich einen ganz anderen Klang als bei uns. Bei uns zieht man sich, wenn man militant ist, recht leicht einen radikalen Erlass zu. In Frankreich ist das eigentlich die Normalverfassung des Staatsbürgers, das heißt des aufgeweckten Zeitgenots. Das ist ein Erbe der französischen Revolution. So wäre also eine Erklärung für Sie, dass
Speaker 2
es Europa, wie es sich jetzt gestaltet, aus geschrumpften oder sich selbst beschränkenden Imperialmächten besteht. Aber es gibt doch wirklich eine Frage, für die man wahrscheinlich nur einen Philosophen fragen kann. sie besteht darin, wie kann es sein, dass ein Raum von 450 Millionen Menschen 80 Jahre lang in einem Zustand lebt, in dem es nicht für seine eigene Sicherheit militärisch aufkommen kann. Das ist ja ein riesiges historisches Rätsel eigentlich.
Speaker 1
steht ja vor allem darin, dass dieses sich selbst schreibende Drehbuch zwar auf europäischem Boden nicht weitergeschrieben worden ist, aber die imperiale Komödie, also sozusagen das Textbuch Europas, nämlich dass es Imperium ist, Imperium Romanum, das an anderen Orten nachgespielt werden kann. Die Ironie Europas besteht darin, dass wir dieses Drehbuch über den Atlantik haben auswandern lassen. Wer jemals physisch anwesend war in Washington, sieht eine römische Stadt, eine Stadt, die nach dem Dekorum der römischen Erhabenheitsarchitektur... Deren Zentrum dann das Kapitol steht. Das Kapitol, also dieser strukturelle Romanismus sowohl der amerikanischen Staaten als auch der Vereinigten Staaten. Bis auf die Staatsebene der United States haben ja auch die einzelnen Staaten immer sich ihre Kapitole errichtet. Von den 50 Staaten haben 40 andere auch Kapitole. State Capitals. Also man ist schon, wenn man nach Amerika geht, eigentlich immer ein gutes Stück weit in diese Welt des politischen Romanismus eingetaucht. Die Gründerväter waren ja alles gebildete Aristokraten, die das europäische Gymnasium noch in sich verkörpert haben. Im Übrigen ist ja auch die amerikanische Universität bis vor wenigen Jahren, als sie sozusagen durch diese Brugbewegung übernommen worden ist und durch die brustkundinale Ideologie dominiert worden ist. Der amerikanische Campus war eigentlich die real existierende europäische Universitätsutopie, die sich jenseits des Atlantik reinkarniert hatte. Aber Herr Sotterdeck,
Speaker 2
wir sprechen jetzt auch am Wochenende der Sicherheitskonferenz von München und Sie sprachen von Amerika, dass diese imperiale Aufgabe und auch dieses Selbstbild übernommen hat. ist es so, dass Amerika, dass die USA uns unter die Zumutung stellen, uns Europäer aus ihrem Sicherheitsschatten treten zu müssen. Man wird gerade dazu aufgefordert, sich selbst zu ermächtigen oder selbst zu behaupten. Das ist ja schon etwas Neues. Die Amerikaner haben zum Teil zumindest die Empfindung entwickelt und Trump
Speaker 1
ist der Exponent einer etwas breiteren Strömung, wonach Amerikas Schutzmachtrolle in der Welt zu teuer geworden sei. Das heißt, das europäische Protektorat, das bis vor kurzem existiert hat, wird von den Amerikanern im Augenblick nicht mehr in der gleichen Weise unterstützt und ausgeübt, wie wir es bisher gewohnt waren. Also das ist ein Teil unseres europäischen Erwachens. Wir sind heute wieder zur Selbsterhaltung verdammt. Wir waren in dem Punkt auf einer eher halbwüchsigen Position. Wir haben uns keine vollständige politische Erwachsenheit einschließlich der militärischen Autonomie mehr zugetraut. Und die Bundesrepublik Deutschland ist ja im Vorzeichen ihrer bewussten militärischen Schwäche gegründet worden. Schon die Wiedereinführung der Bundeswehr war vor dem Hintergrund der Geschichte ein Skandal und musste gegen die pazifistische Stimmung der Bevölkerung durchgesetzt werden. Das ist eines der Erbstücke der Adenauerzeit, mit denen wir heute wieder zu tun bekommen. Und dass nun der lange Weg in die politische Erwachsenheit fortgesetzt werden muss, dass Europäer auch von einer Art militärischen Selbstsorge verurteilt sind, um diesen schönen, stoischen Begriff, den Foucault wieder in Umlauf gebracht, die Sorge um sich selbst, der Suci de soi, cura sui. Das ist jetzt plötzlich aus der Sphäre der Diskurse und aus der Sphäre der therapeutischen Reflexionen sozusagen auf die politische Bühne zurückgekommen.
Speaker 2
Es werden ja viele Analogien gezogen hinsichtlich der jetzigen Druckverhältnisse und eine Lieblingsanalogie auch des Völthors sind die 20er Jahre, dass man sich in einer Art Vorzeit befindet. Diese 20er Jahre zeichneten sich auch dadurch aus, dass insbesondere in Zentraleuropa und in Deutschland es ein Bewusstsein dafür gab, unter zwei Druckverhältnisse zu geraten. Einerseits das Sowjetreich, das sich neu organisierte und eine Idee von Bolschewismus und Sozialismus propagierte. Und andererseits Amerika, das man als Sphäre der Zivilisation, aber nicht als der Kultur wahrnahm. Eine Art Merkantilismus. Kann man sagen, dass Europa jetzt wieder in so einer Spannung ist? Einerseits sich gegen eine sich wandelnde USA behaupten zu müssen und andererseits dann doch den Angstfaktor Russland immer mit zu bedenken.
Speaker 1
Also wenn man sich in der Kunst des positiven Denkens üben wollte, könnte man ja auch sagen, die Europäer haben Glück, dass sie zumindest den Schatten einer Feindschaft wieder wahrnehmen dürfen. Sie haben nicht mit einer förmlichen Kriegserklärung von außen her zu tun, aber sie bekommen den Schatten eines Nicht-Freundes deutlicher zu sehen als bisher. Wir haben ja auch geglaubt, dass mit der Einstellung des sowjetischen Experiments eine Feindschaftsquelle in Welt verschwunden sei. Wir waren nicht darauf gefasst, dass Moskau als das dritte Rom das europäische imperiale Drehbuch für sich ernsthaft wieder reklamieren würde. Und erneuern will für sich. bei unserem Blick auf die Sowjetunion immer willens, ihre Selbstbeschreibung als eine transnationale, wohltätige, sozialistische Assoziation von Arbeiter- und Bauernrepubliken zu betrachten. zum Nennwert und zum Nettowert gekauft und geglaubt und haben uns lange Zeit erlaubt, hier so einäugig auf dieses russische Monstrum zu blicken. Wir haben uns erlaubt zu vergessen, dass Russland im 18., 19. Jahrhundert durch eine Serie von Kriegen zu dieser monströsen Landmasse herangewachsen war, dass Russland das ganze 19. Jahrhundert hindurch eine Politik der Zwangsrussifizierung von angrenzenden Völkern betrieben hat. Denn Russland, so wie wir es kennen, besteht ja nicht aus Russen, sondern das sind 180 Völkerschaften, die zwangsrussifiziert wurden. Und unsere ostdeutschen Landsleute gehörten ja bis vor 30 Jahren auch in die Sphäre der Zwangsrussifizierung. Deswegen ist es so erstaunlich, wie wenig Ostdeutsche heute noch gut Russisch sprechen. Die meisten haben diese unfreiwillig erworbenen Kenntnisse schnellstens abgeworfen. So wie viele von uns, wenn wir vom Gymnasium gekommen sind, schon ein Jahr später alles vergessen hatten, was wir von Tyküdetites oder von unseren Mathematiklehrern beigebracht bekommen haben, weil das alles unfreiwillige Weisheiten waren. Also eher ein Verdrängen als ein Vergessen, wenn man so sagen kann. Es ist mehr Verdrängen als Vergessen. Sie
Speaker 2
sprachen jetzt von uns in diesen Formulierungen und da kann man sagen, das war vielleicht auch eine spezifisch deutsche Illusion, auch eine spezifisch deutsche Illusion der letzten 20, 30 Jahre. Von den Polen, sagen wir, den Finnen oder den Balten würde man ja so etwas nicht sagen. Man würde vielleicht eher formulieren müssen, dass da eine deutsche Illusion verstoben ist, keine europäische.
Speaker 1
Ich habe viele meiner Einschätzungen und Urteile selbstverständlich eben von der deutschen Position aus formuliert. Ich habe nicht so getan, als könne man. Man müsste sich nur sozusagen das große europäische Gewand überwerfen und schon hätte man seine nationalen Vorurteile abgelegt. So einfach geht das auch nicht für Mitglieder der Philosophischen Fakultät. Herr
Speaker 2
Slotterdeik, dieses Deutschland im Februar 2025 wirkt auch in spezifischer Weise verunsichert. Man kann sagen instabil. Es gibt jetzt Neuwahlen und vielleicht einen Eindruck, ich weiß nicht, ob Sie ihn teilen, dass das, was man die Habermasianische Konsensrepublik genannt hat, eine Republik, die sich in einem tiefen Konsens findet und stabilisieren kann, dass auch diese gerade einen Ende findet.
Speaker 1
Zur gegenwärtigen Lage gehört sicher eines, nämlich dass die Menschen das Gleiten der Grundlagen stärker spüren als zu anderen Zeiten. Es gab eine Ära, in der ein Großteil der deutschen Bevölkerung diesem Slogan der Adenauer Jahre keine Experimente von ganzem Herzen zugestimmt haben. Es hat sich so eine Art Stabilitätsgefühl ausgebreitet, das so stark war, dass man sich auch fast so etwas wie eine Fundamentalopposition hat leisten können. Die Studentenbewegung der späten 60er Jahre in Deutschland mit einer Kulmination in den 70ern beruht ja letztens darauf, dass die opponierenden jungen Leute sich wirklich ganz sicher waren, dass ihnen wahrscheinlich nichts passieren wird, auch wenn sie radikale Meinungen vertreten. Das war eher so ein Räuber- und Gendarm-Spiel, kann man sagen, das da inszeniert wurde. In der Hinsicht hat sich wirklich etwas verändert. Und deswegen ist es ganz gut, wenn man zu einer Großraumbetrachtung übergeht. Die gelassene Theorie hat ja ihre besten Zeiten schon in der napoleonischen Ära hinter sich gebracht. Es ist eine interessante Kombination, dass wir die Vollendung des deutschen Idealismus, sei es im Werk von Hegel, sei es im Werk von Schelling, auf der einen Seite beobachtet haben und dann diese Totenstille, die sich über Europa ausgebreitet hat nach dem Wiener Kongress bis zu den Unruhen von 1848. Sören Kierkegaard hat das in einer seiner kleinen Schriften, auf die Heidegger sich später stark bezog, eine literarische Anzeige elaboriert und hat gezeigt, dass diese glühenden Jahre voller Ereignisse übergegangen sind in eine epochale Friedhofsruhe, die Ruhe nach dem Sturm, nicht vor dem Sturm, sondern nach dem Sturm. Europa hat solche Zeiten mehrmals erlebt. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg ist eine relative Beruhigung eingetreten. Und die Wiederbeunruhigung begann wesentlich in der Ära, als mit dem Verschwinden der Sowjetunion eine neue geopolitische Großwetterlage entstanden ist. Wir haben noch nicht gewusst, dass es Bedrohung geben werde. Zunächst einmal haben die Europäer jubeln dürfen. Osteuropa, Mitteleuropa hat plötzlich politische Autonomie zurückgewonnen. Dieser ganze Gürtel von Satellitenstaaten in Russlands Westen, hat die politische Autonomie gewonnen. Was übrigens erklärt, warum sie nervös sind oder reizbar gegen jede Form von politischer Gängelung, die aus Straßburg oder Brüssel kommt.
Speaker 2
Wenn ich da kurz einhacken darf, das ist ja auch eine gewisse Unwucht insofern gewesen, als die deutsche Selbstbeschreibung unter Kohl noch eine war, in der man die Frage der Nationalität in Europa auflöst und man dann mit mitteleuropäischen und osteuropäischen Staaten konfrontiert wurde, die ihre Autonomie ganz stark an die nationale Beschreibung banden. Und da entstand schon etwas, sowas wie ein Riss,
Speaker 1
den wir heute sondern es beschrieb eine sozialpsychologische Befindlichkeit, die es wirklich gegeben hat und die sich zum großen Teil aufgelöst hat, weil dieser neu europäische Kosmopolitismus heute unter Druck geraten ist. Selbst der beste Europäer wird heute dazu genötigt, das Wort nationale Interessen wieder affirmativ in den Mund zu nehmen. Und die große Belehrung, die seinerzeit der General de Gaulle seinem Außenminister erteilt hat, bei einer Ministerrunde als Coup de Meville von Frankreich und seinen Freunden in der Welt gesprochen hatte, hat sich der General aufgerichtet und zu seinem Außenminister wie zu einem Schuljungen gesagt, hören Sie, mein Herr, Frankreich hat keine Freunde, ein Staat hat keine Freunde, ein Staat hat Interessen. Der ultimative Realismus, wie man sagen könnte. Idealismus ist inzwischen auch bei uns durchgesickert und dass wir auch sozusagen eine neonationalistische Partei heute wieder in Deutschland haben, ist also nicht nur der Tatsache geschuldet, dass alle anderen Parteien seit zehn Jahren Tag und Nacht Wahlkampf im Modus der Ablehnung für das neue Phänomen geführt haben, sondern ist auch der Tatsache geschuldet, dass die Kategorie des nationalen Interesses weniger hässlich klingt als noch vor einem Vierteljahrhundert. Sofern es eine nationale
Speaker 2
Selbstbeschreibung zumindest der Bundesrepublik im Westen seit ihrer Lebenszeit gab, eigentlich seit 1947, kann man sagen, dass sie drei Nonimperative beinhaltete, die von Adorno verkörpert und auch in Umlauf gebracht wurden. Nie wieder Auschwitz, nie wieder Krieg von deutschem Boden und nie wieder eine Selbstbeschreibung im Sinne des Völkischen oder der Rasse. Ist es auch Ihr Eindruck, es ist nämlich meiner, dass diese drei Nonimperative derzeit auf der Kippe stehen? Weder lässt sich der Erinnerungsort Auschwitz in seiner Relevanz stabilisieren, die militärische Frage ist offensichtlich und auch das Wiederaufkommen einer völkischen Selbstbeschreibung scheint im politischen Raum an Triftigkeit zu gewinnen.
Speaker 1
dieses Erste von Nini Widers. Man kann nicht behaupten, dass in Europa irgendwo, auch nicht an irgendwelchen Außengrenzen, solche exterministischen Exzesse im Entstehen wären. Das kann man nicht sagen. Und ich glaube, dass die meisten Europäer nach wie vor als gebrannte Kinder der Geschichte diesen Imperativ doch tief genug verinnerlicht haben. Die Sache mit Nini Wider Krieg ist eine heikle Angelegenheit, weil man den Krieg ja nicht alleine macht. Mit anderen Worten, man braucht einen Kriegspartner oder einen Kriegsgegner oder einen Feind. Das Wort Feind gegen Deutschen, wenn sie nicht Karl-Schmidt waren, in den letzten 50 Jahren eigentlich überhaupt nicht mehr über die Lippen. Wir hatten gewissermaßen ein Ticket auf einem Kreuzfahrtschiff durch die Zeiten gebucht, in der so etwas wie eine Welt ohne Feindschaft enthalten war. Und dass wir nun auf halber Strecke erfahren, dass ein Feind aufgetaucht sei, entsprach eigentlich nicht der ursprünglichen Buchung. Aber das ist eine Realität, mit der wir uns auseinandersetzen müssen. Und je solidarischer man sich mit der ukrainischen Sache fühlt, desto näher kommt man auch an eine real existierende Front heran. Berlin kann fast sagen, dass Berlin eine Nachbarstadt zu Kiew geworden ist. Die geopolitischen Spannungen übertragen sich auch kartografisch auf ungewöhnliche Weise. ins kollektive Bewusstsein eingesenkt hat. Es hieß ja auch damals, auf deutschem Boden soll nie wieder ein Joint ausgehen. Man hat da das Wort Ausgehen benutzt, einmal im Sinne von Ausstrahlung oder Emanation, im anderen Fall von Erlöschen und mit anderen Worten das Evangelium der 68er Jahre, das ein wenig Höhenflug mit Hilfe dessen, was Aldous Huxley die Drogen genannt hat, genauer gesagt, die chemischen Gnadensubstitute, ein wenig Höhenflug dieser Art, sollte in den deutschen Nationalcharakter mit eingeprägt geblieben sein. Und wie ich meine lieben Deutschen beobachte, haben sie wenigstens in diesem Punkt nicht versagt. Denn die Festbereitschaft, die Hochgefühlsbereitschaft, die Neigung bei der erstbesten Party sich einzuklinken, die ist ja den jungen Leuten geblieben. Das ist so ein unterirdisches Erbe der 68er
Speaker 2
Zeit.
Der Ukrainekrieg, die Wiederwahl Trumps, die Klimakrise: Der Blick auf die Gegenwart stimmt nicht gerade optimistisch. Philosoph Peter Sloterdijk warnt davor, sich in Krisenzeiten nur von Nachrichten zu ernähren und die Hoffnung zu verlieren. Eilenberger, Wolfram www.deutschlandfunkkultur.de, Sein und Streit