Das Neue Berlin

Das Neue Berlin
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Sep 7, 2018 • 1h 46min

Regentanz – Funktionale Theorie mit Robert K. Merton

Du willst uns unterstützen? Hier entlang. Folge uns auf Twitter oder Bluesky. ⎯ Gesellschaft ist mehr als eine Summe von Individuen. Wer nur Absichten, Ziele, Bedürfnisse kennt, der muss die Menschen stets beim Wort nehmen und bleibt am Nullpunkt der Soziologie. Deshalb entstauben wir einen alten Begriff aus dem Werkzeugkasten der Gesellschaftstheorie und begleichen damit eine unabgetragene Ehrenschuld. Funktion heißt das Zauberwort, das mehrere Generationen von Soziologen umtrieb. Wir lesen noch einmal Mertons Social Theory and Social Structure – die geneigte Hörerin erinnert sich an Episode 5 – um zu verstehen, was funktionale Analyse von Gesellschaft sein könnte. Merton verabschiedet sich vom anthropologischen Funktionalismus. Gesellschaft erscheint nun nicht mehr – in der Analogie zum menschlichen Körper – als hochintegrierter Organismus, sondern als Ansammlung von Einzellern. Funktion ist nichts Zwangsläufiges, kann ihre Form wandeln oder auch ganz verschwinden. Am Beispiel des Regentanzes klären wir Mertons Unterscheidung von manifesten und latenten Funktionen. Erstere erfährt man, wenn man die Leute fragt. Letztere rekonstruiert die Soziologie – zumindest wenn sie nicht nur Hilfswissenschaft sein soll. Doch wie stellt man Funktionen fest? Sind sie willkürliche Erfindungen des Soziologen?
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Aug 24, 2018 • 2h 3min

Trampelpfade – Vor-, nach- und nichtmoderne Strategien der Planung

Du willst uns unterstützen? Hier entlang. Folge uns auf Twitter oder Bluesky. ⎯ Wir reden nicht zum ersten Mal über das Ende moderner Paradigmen. Unsere Ausgangsbeobachtung ist dieses Mal, dass moderne Planung und Herrschaft im Hinblick auf das, was erreicht werden soll, vielleicht nicht rational ist. Modern gesehen, so lesen wir es bei Hans Freyer nach, erscheint die Welt als mehr oder weniger ungeordnete Natur, die durch Theorie und Gewalt unter Kontrolle gebracht werden muss. Die entgegengesetzte Strategie, stellt sich hingegen auf Ordnung, die immer schon da ist, ein. Diese „natürliche Rationalität“, ursprünglich antimodernistische Polemik, wird uns heute vertrauter. Sinnbild ist der Trampelpfad, der als „Desire path“ längst seinen Weg in den Planungsdiskurs gefunden hat. Man erhofft sich, die soziale Intelligenz, die sich in ihm abdrückt, abschöpfen zu können. An der University of Oregon baute man erst die Gebäude und ließ zwischen ihnen Trampelpfade entstehen, bevor man befestigte Wege schuf. Keine Theorie mehr also? Da landen wir doch wieder bei Chris Andersons The End of Theory! Was sind „Spuren“? Das beschäftigt uns zum Schluss. Spurenlesen, so Sibylle Krämer, ist eine „alltägliche Wissenskunst des Umgangs mit Situationen von Ungewissheit“, die nicht allein die Jäger und Sammler, sondern auch die modernen Menschen beherrschen, um durch den Alltag zu kommen. Das gilt insbesondere für die Hochtechnologie des 21. Jahrhunderts. Macht die automatisierte Produktion menschliche Fähigkeiten neu sichtbar?
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Aug 10, 2018 • 1h 46min

Alles korrekt – Was ist dran an der linken Kritik politischer Korrektheit?

Du willst uns unterstützen? Hier entlang. Folge uns auf Twitter oder Bluesky. ⎯ Zur Linken ist man sich nicht ganz einig, welches Unrecht dieser Welt man zuerst abschaffen soll. Ging es lange um Armut, Ungleichheit und Ausbeutung, entdeckte man irgendwann die Diskriminierung, die Exklusion, den Alltagsrassismus und den bösen weißen Geist, der immer noch die Welt beherrscht. „Politisch korrekt“ schimpfen manche die Wende. Nicht nur die Konservativen hüsteln „Hypermoral“, auch Sozialdemokraten (Sigmar Gabriel, Mark Lilla) fragen sich nach verlorenen Wahlen, ob man es mit der „Postmoderne“ nicht übertrieben hätte. Harte Gleichheitspolitik brauche es und kein Diversitätsgerede. Beim Philosophen Robert Pfaller hören wir, was falsch sein soll am „Zartsprechen“ in der Politik. Aber gibt es tatsächlich einen Widerspruch zwischen der Reflexion kultureller Ausschlüsse und der guten alten sozialen Frage? Haben sie nicht beide ihren Fluchtpunkt in der modernen Idee der Gleichheit? Muss eine progressive Politik nicht Antworten auf beide liefern, weil symbolische Entwertung und ökonomische Ausbeutung ein altes Liebespaar sind? Und wie steht es um die Frage der Strategie – wie lassen sich Mehrheiten gewinnen, wie lässt sich Politik machen und nicht nur Debatte?
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Jul 27, 2018 • 1h 54min

Harte Kerle – Prekäre Männlichkeit im 21. Jahrhundert

Du willst uns unterstützen? Hier entlang. Folge uns auf Twitter oder Bluesky. ⎯ „Wir müssen unsere Männlichkeit zurückgewinnen“, ruft Björn Höcke vor Gleichgesinnten ins Mikrophon. Und er ist nicht der einzige. Allerorts beklagen Autokraten und Nationalisten mal wieder die Feminisierung, die Verweichlichung von Gesellschaft und Kultur. Feministen, Liberale, Linke, Pazifisten – sie alle beraubten den Mann seiner natürlichen Rolle. In The crisis in modern masculinity  (deutsch im Lettre International) rekonstruiert Pankaj Mishra eine Geschichte dieser Geschlechtlichkeit, die so gar nichts mit Chromosomen zu tun hat. Männlichkeit zeigt sich dabei ebenso als eine Funktion der Industriegesellschaft wie als ein koloniales Beschreibungsmuster. Zugleich wird sie zur Identitätsstrategie, wenn der Fabrikjob unsicher wird, wenn die Frau mehr Geld verdient, wenn die Tradition sich verflüssigt. Unter der brutalen Eindeutigkeit der Geschlechterdichotomie müssen nicht nur Frauen, Homo- und Transsexuelle leiden. Auch die »Männer« haben für ihre Herrschaft einen hohen Preis zu zahlen. In seinem Aufsatz Männerpolitik zeigt Thomas Gesterkamp, dass Geschlechterpolitik eine Angelegenheit für alle sein muss. So wird dann die Krise der Männlichkeit zu einer Chance: Was fällt, das soll man auch noch stoßen!
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Jul 13, 2018 • 1h 59min

Politische Schönheit – Über das Verhältnis von Kunst und Politik

Du willst uns unterstützen? Hier entlang. Folge uns auf Twitter oder Bluesky. ⎯ Nichts ist harmlos an der Schönheit, wenn sie uns überwältigt, wenn sie die Welt eindeutig macht, wenn sie uns in moralischen Rausch versetzt.  Für Wolfgang Urlich wecken einige Zeitgenossen unangenehme ästhetische Erinnerungen: Bjung-Chul Han, Philipp Ruch, Martin Sellner – so unterschiedlich sie sind, so beschwören sie doch alle Die Wiederkehr der Schönheit. Sie alle fordern die Erschütterung des Alltäglichen, einen Kunstschock, der die alte Ordnung brüchig werden lässt. Wolfgang Ulrich ist das nicht ganz geheuer, denn auch Heidegger träumte 1936 vom Stoß, den die Kunst der Geschichte gäbe – eine Geschichte, in der das Volk in sein „Mitgegebenes“ einrücke. Eine Kunst, die Gemeinschaft durch Überwältigung erzeugt, kann für Ulrich keinen demokratischen Common Ground schaffen. Stattdessen zieht sie Grenzen, beteubt die Reflexion, entmündigt. Wir widmen uns eingehender Urlichs Argumentation und überlegen erneut, welche Rolle die Kunst im Verhältnis zur Politik spielen kann und spielen soll. Verwandte Episoden Warum streiten wir über Kunst? – mit Johannes Franzen
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Jun 29, 2018 • 1h 57min

Auf dem Marktplatz – Was ist Öffentlichkeit?

Du willst uns unterstützen? Hier entlang. Folge uns auf Twitter oder Bluesky. ⎯ Auf der Liste von Dingen, die vermeintlich gerade den Bach runter gehen, steht die Öffentlichkeit ziemlich weit oben. Früher klopfte sie den Mächtigen auf die Finger, stellte einen Konsens her und gab dem „Volk“ eine Stimme. Heute fühlt sich keiner mehr repräsentiert, Aufmerksamkeit bekommen immer die Falschen und keiner liest mehr FAZ. Wir fragen uns, was ist Öffentlichkeit eigentlich? Ist sie ein Ideal oder immer nur ganz konkret? Soll sie die Menschen der Gesellschaft zusammenbringen an einem Ort des Allgemeinen oder soll nicht lieber jeder seine eigene haben, zum nachause nehmen und für zwischendurch? Mit Volkan Sayman sprechen wir über Öffentlichkeiten und landen bald fußtief in der Mediengeschichte. Ein Parforceritt durch die Jahrhunderte. Von Agora, Zeitungsreligion, Volksempfänger, fordistischer Massenkultur und natürlich der AfD.
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Jun 15, 2018 • 1h 49min

J'accuse! – Was kann man von Intellektuellen noch erwarten?

Du willst uns unterstützen? Hier entlang. Folge uns auf Twitter oder Bluesky. ⎯ Ob Liberalismus, Sozialismus oder Kommunismus: Die großen gesellschaftlichen Entwürfe und der politische Kampf um sie sind ohne bürgerliche Öffentlichkeit nicht zu denken. Die Helden dieser Öffentlichkeit sind die Intellektuellen, deren Aufstieg und Fall wir uns dieses Mal widmen. Wir schauen zunächst in die Geschichte, entdecken, welche Macht das gedruckte „J’accuse!“ (Ich klage an!) eines Émile Zola entfalten konnte. Wir verfolgen dann – holzschnittartig – die verschiedenen Generationen französischer Intellektueller. Als Leitfaden dient uns ein Beitrag von Caspar Hirschi zu Eribon und Macron, Bourdieu und Juppé. Über Jean-Paul Sartre und Pierre Bourdieu landen wir bei Didier Eribon. Wir diskutieren Hirschis These, dass Eribon, gefangen zwischen den verschiedenen Rollenerwartungen und politischer Desillusionierung, eigentlich nichts mehr zum Fortschritt der Gesellschaft beizutragen habe, mit seiner Verweigerungshaltung gar „symbolische Antipolitik“ betreibe. Wie ist der intellektuellen Ratlosigkeit beizukommen – auch über die Anklage hinaus?
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Jun 3, 2018 • 1h 32min

Die neuen Bilderstürme – Was bedeutet die Freiheit der Kunst?

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May 17, 2018 • 2h 24min

Smarte Deals – Trump erklären mit Robert K. Merton

Du willst uns unterstützen? Hier entlang. Folge uns auf Twitter oder Bluesky. ⎯ Die Wahl des Orangenmannes zum Präsidenten der Vereinigten Staaten ist halbwegs verdaut. Die Erklärungen dafür kennt man. Auf der einen Seite scheint es immer noch zu reichen, ihn als irre abzutun. Auf der anderen Seite hat man „die Abgehängten“ entdeckt, die ihn aus Wut und Verzweiflung – und entgegen ihrer Interessen – gewählt hätten. Wir versuchen demgegenüber, eine soziologische Erklärung nachzuvollziehen, die Trump als Figur ernst nimmt und eine Antwort darauf hat, warum gerade sie zu den Vereinigten Staaten heute passt. Es geht um Anomie, wie sie Robert K. Merton in Social Theory and Social Structure beschrieben hat. „Kulturelle Ziele“ und „institutionelle Normen“ fallen, so seine Vorstellung, in modernen Gesellschaften immer wieder auseinander. In den Vereinigten Staaten bedeutet das, dass man zwar reich werden soll, aber es keine festen Regeln gibt, wie. Get Rich or Die Tryin‘. „Smarte Kerle“ wie Trump, die sich nicht an die Regeln halten und gerade dadurch Erfolg haben, sind nicht nur Ausdruck, sondern die Helden dieser Anomie. Verwandte Episoden Mit Johannes und Paul Simon über Trumps Amerika
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May 4, 2018 • 1h 34min

Lose verbunden – Internettheorie mit David Weinberger

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