

„Das pure Grauen“ – Stefanie Schüler-Springorum bei Carolin Emcke über Unterdrückung in der Nachkriegsgesellschaft
Die Demokratisierung der Bundesrepublik nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wird häufig verklärt. Gerade die Unterdrückungserfahrungen von Minderheiten werden im Rückblick ausgeblendet. Darüber spricht Carolin Emcke im Podcast mit der Historikerin Stefanie Schüler-Springorum. Sie erzählt, wie auch lange nach dem Ende des Krieges Kontinuitäten aus der Zeit des Nationalsozialismus bestanden haben.
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Stefanie Schüler-Springorum, geboren 1962 in Hamburg, leitet seit 2011 das Zentrum für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität Berlin. Zuvor hat sie das Institut für die Geschichte der deutschen Juden in Hamburg geleitet. In ihrem neuesten Buch „Unerwünscht. Die westdeutsche Demokratie und die Verfolgten des NS-Regimes“ schildert die Historikerin die westdeutsche Nachkriegsgesellschaft aus Sicht der Menschen, die im Nationalsozialismus verfolgt wurden.
„Man muss demokratisch stabil bleiben.“ Stefanie Schüler-Springorum beschreibt die Ergebnisse ihrer Recherche zur deutschen Nachkriegszeit als „das pure Grauen“. Wer nicht zur Mehrheitsgesellschaft gehörte, wurde ausgegrenzt und unterdrückt. Juden, Homosexuelle, Zwangsarbeiterinnen, Sinti und Roma – im Podcast beschreibt sie die Lebenswirklichkeiten dieser Bevölkerungsgruppen in den 50er- und 60er-Jahren. Und den langen Weg hin zu mehr Gleichheit in der Gesellschaft.
Diskussionen über Opfer- und Täterschaft seien zu lange verkürzt geführt worden, betont die Historikerin. Im Gespräch mit Carolin Emcke legt Schüler-Springorum die Gründe dafür dar. Unter anderem nennt sie ein „deutsches Überlegenheitsgefühl“, das die Gesellschaft auch nach dem Ende des Nationalsozialismus und im Übergang zur Demokratie zusammengehalten habe.
Schließlich geht es im Podcast noch darum, wie die Erinnerung an die vergangene Geschichte auch nach vielen Jahren noch aufrecht gehalten werden kann. Schüler-Springorum beklagt, dass vielen Menschen heute das Interesse an einer Auseinandersetzung mit der Geschichte fehle. Gleichzeitig plädiert sie bei dem Thema für mehr Gelassenheit. Auch ohne intensive Geschichtsstudien sei es möglich, „demokratisch stabil“ zu bleiben. „Man muss einfach hoffen, dass genug Spuren gelegt sind, auf die man sich beziehen kann.“
Empfehlung von Stefanie Schüler-Springorum Als Kulturtipp legt die Historikerin den Hörerinnen und Hörern ans Herz, sich tiefergehend mit der deutschen Geschichte zu beschäftigen. „Lest die Originale. Lest die ganze Lebensgeschichte von Hugo Höllenreiner oder von Hans Frankenthal oder den großartigen Interview-Band aus den 90er-Jahren mit jüdischen Überlebenden in Berlin.“
Moderation, Redaktion: Carolin Emcke Redaktionelle Betreuung: Ann-Marlen Hoolt Produktion: Imanuel Pedersen Bildrechte Cover: G. Faller-Walzer/Bearbeitung SZ