Sineb El Masrar, Publizistin und Autorin mit Fokus auf Islam, Migration und Feminismus, spricht über die Ursachen des Islamismus. Sie betont die Verantwortung muslimischer Familien und die Rolle der Medien bei der Verbreitung extremistischer Ideologien. El Masrar analysiert, wie das Streben nach Gemeinschaft bei jungen Menschen Radikalisierung begünstigen kann. Zudem wird die Einflussnahme von Social Media und die Vielfalt innerhalb der muslimischen Gemeinschaft thematisiert, während gleichzeitig der Bedarf an offenem Dialog zur Prävention von Extremismus hervorgehoben wird.
Die Unterscheidung zwischen Islam und Islamismus ist entscheidend, um Vorurteile zu vermeiden und ein gerechteres Bild des Islams zu fördern.
Der Einfluss von Medien und sozialen Plattformen trägt zur Radikalisierung junger Menschen bei, indem sie eine verzerrte Wahrnehmung von Identität und Gemeinschaft schaffen.
Deep dives
Differenzierung zwischen Islam und Islamismus
Islam wird als eine der großen Weltreligionen verstanden, die oft fälschlicherweise mit Islamismus gleichgesetzt wird. Während der Islam eine friedliche Glaubensausübung darstellt, verbindet der Islamismus religiöse Überzeugungen mit einem politischen Anspruch auf Weltherrschaft. Diese Unterscheidung ist entscheidend, da die undifferenzierte Islamkritik, die häufig nur den radikalen Teil thematisiert, das Bild des Islam insgesamt verzerrt. Die Autorin hebt hervor, dass es wichtig ist, beide Konzepte klar voneinander abzugrenzen, um die Problematiken des Islamismus besser verstehen zu können und Muslimen ein gerechteres Bild zu verleihen.
Radikalisierung durch Gemeinschaftsbedürfnis
Viele radikalisierte Menschen, sowohl Männer als auch Frauen, suchen häufig nach Gemeinschaft und Zugehörigkeit, insbesondere innerhalb muslimischer Milieus. Diese Personen, oft aus familiären Dysfunktionen hervorgehend, finden in extremistischen Ideologien ein Ventil für ihre Suche nach Identität. Der Zugang zu islamistischen Gruppierungen hat sich durch das Internet und soziale Medien erleichtert, wodurch sich auch neue Formen der Radikalisierung entwickelt haben. Es wird betont, dass ein tiefes Verständnis dieser Dynamiken nötig ist, um effektiv gegen die Radikalisierung vorzugehen.
Die Rolle der Medien in der Islamdebatte
Die Medien spielen eine entscheidende Rolle in der Wahrnehmung des Islam und können sowohl positive als auch negative Konsequenzen hervorrufen. Oft wird das Bild von Muslimen durch extreme Stimmen dominiert, während die Mehrheit der friedlichen Muslime nicht ausreichend sichtbar ist. Dies führt zu einer Verzerrung der Realität und schränkt die Meinungsfreiheit ein, da die leisen, differenzierten Stimmen nicht gehört werden. Eine mutigere und differenziertere Medienberichterstattung könnte dazu beitragen, das Verständnis für die vielfältigen Perspektiven innerhalb der muslimischen Gemeinschaft zu verbessern.
Das Thema: An der Ausbreitung des Islamismus seien Medien wie muslimische Gemeinden nicht ganz unschuldig, sagt Sineb El Masrar. Da die Medien dem Islamismus Reichweite geben, weil er interessant für sie ist und viele Muslime seinen Einfluss auf ihr Leben zugleich unterschätzen, würde er vor allem für junge Menschen als vermeintlicher Gegenentwurf zur Mehrheitsgesellschaft immer attraktiver.
Unser Gast in dieser Folge: Sineb El Masrar ist Publizistin und Autorin. Sie stammt aus Hannover und ist die Tochter marokkanischer Einwanderer. 2006 gründete sie das Frauenmagazins Gazelle, das sie als Herausgeberin leitete. El Masrar war Teil der Arbeitsgruppe „Medien und Integration“ im deutschen Kanzleramt und von 2010 bis 2013 Mitglied der Deutschen Islam-Konferenz. Über muslimisches Leben der Gegenwart hat sie mehrere Bücher geschrieben, darunter Muslim Men und Emanzipation im Islam. Zuletzt erschien von ihr Heult leise, Habibis im Eichborn Verlag (Ullstein Books).