Macht das Patriarchat uns psychisch krank, Beatrice Frasl?
Jun 27, 2024
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Beatrice Frasl und Laura diskutieren die Auswirkungen des Patriarchats auf mentale Gesundheit. Themen wie systemische Faktoren, historische Verbindungen von Weiblichkeit und psychischer Gesundheit, transgenerationale Traumata, Vermögensunterschiede zwischen den Geschlechtern, Gewalt in Beziehungen und die Rolle von Feminismus in Psychologie und Psychiatrie werden kritisch beleuchtet.
Mentale Gesundheit im Patriarchat ist von verschiedenen Faktoren abhängig, darunter Geschlecht und finanzielle Situation.
Weibliche Körper wurden in der Geschichte pathologisiert, insbesondere in der Medizin des 18. und 19. Jahrhunderts.
Das Patriarchat könnte ein transgenerationales Trauma sein, das sich in Strukturen und Verhaltensweisen fortsetzt.
Deep dives
Therapieplatzsuche in Österreich
Die Suche nach einem Therapieplatz in Österreich gestaltet sich als äußerst schwierig, da 80% der Therapieeinheiten privat finanziert werden müssen. Dies führt zu hohen Kosten, die sich viele Menschen nicht leisten können. Die Erhöhung der Nachfrage nach Therapieplätzen in den letzten Jahren, insbesondere durch die Covid-19-Pandemie, hat die Situation noch verschärft. Die Vermittlungsstellen konnten die Suche nach einem Therapieplatz nicht effektiv erleichtern, mit Wartezeiten von mehreren Monaten.
Historische Pathologisierung von Frauen in der Medizin
In der Medizingeschichte wurden weibliche Körperfunktionen wie Menstruation, Schwangerschaft und Geburt pathologisiert. Weibliche Körper wurden als abweichend vom männlichen Normkörper betrachtet und somit als pathologisch angesehen. Dies fand insbesondere in der Gynäkologie und Psychiatrie des 18. und 19. Jahrhunderts statt. Die Hysterie, als Krankheitsbegriff erst in den 1950er Jahren gestrichen, spiegelte die Vorstellung wider, dass Frauen biologisch anfälliger und schwächer seien.
Patriarchat als Kollektivtrauma und transgenerationales Trauma
Das Patriarchat wird als möglicherweise transgenerationales Trauma betrachtet, das sich in den Strukturen und Verhaltensweisen über Generationen hinweg fortsetzt. Die Übertragung von Traumata kann epigenetisch oder durch Lernen erfolgen. Die Diskussion um patriarchale Verhältnisse im Zusammenhang mit transgenerationalem Trauma ist noch wenig erforscht, trotz Hinweise auf mögliche Zusammenhänge. Es wird die Frage aufgeworfen, ob die psychiatrische Diagnosebildung und -behandlung auch kulturell und historisch geprägt ist und einem stetigen Wandel unterliegt.
Psychische Gesundheit und sozioökonomische Ungleichheit
Die strukturelle Diskriminierung von Frauen durch ökonomische Benachteiligung führt zu einem erhöhten Risiko für psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angstzustände. Aufgrund geringerer Bezahlung, prekärer Arbeitsverhältnisse und höherer Armutsbetroffenheit erfahren Frauen eine Mehrfachbelastung, die zu Ungleichheiten in psychischen Gesundheitsrisiken im Vergleich zu Männern führt. Die ökonomische Diskriminierung von Frauen erstreckt sich auch auf den Besitz von Vermögen, wodurch Frauen weniger erben und auf finanzielle Ressourcen zur Bewältigung von belastenden Situationen zugreifen können.
Psychiatrie, Psychotherapie und strittige Diagnosen
Kritik an psychiatrischen Diagnosen und psychotherapeutischen Ansätzen spiegelt sich in der fraglichen Inklusion bestimmter Erkrankungen im DSM wider. Diskussionen über die Definition von Krankheit und Normalität in der Psychiatrie betonen die Machtstrukturen und weisen auf patriarchale Entscheidungsprozesse bei der Diagnosestellung hin. Der Konflikt zwischen kritischer Haltung gegenüber dem Gesundheitssystem und dem Bedarf an Therapieplätzen zeigt die Ambivalenz zwischen der Notwendigkeit mentaler Gesundheitsunterstützung und der systemischen Ungerechtigkeit in der medizinischen Versorgung auf.
Diesmal spricht Laura mit der Kulturwissenschaftlerin, Geschlechterforscherin, Autorin und Podcasterin Beatrice Frasl über mentale Gesundheit im Patriarchat. Ob jemand psychisch erkrankt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Darunter auch das Geschlecht und die finanzielle Situation bzw. Klasse. Diese systemischen Faktoren finden aber noch zu wenig Beachtung.
Historisch gesehen sind Frausein und Weiblichkeit eng mit psychischen Erkrankungen verwoben. In ihrem Buch „Patriarchale Belastungssstörung”, das 2022 erschienen ist, schreibt Beatrice Frasl: „Frauen und Verrückte bewohnen dieselbe patriarchale Bedeutungsinsel.”
Ist Patriarchat nicht so etwas wie ein kollektives oder transgenerationales Trauma? Was macht uns aktuell krank? Wie kann eine Vermögenssteuer zur psychischen Gesundheit aller beitragen? Diese und weitere Fragen besprechen Laura und Beatrice in dieser Folge.