Boeing vs. Whistleblower: Das Zocken mit der Flugsicherheit
Jan 15, 2025
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Gerald Traufetter, erfahrener SPIEGEL-Reporter und Luftfahrtexperte, beleuchtet die skandalösen Vorfälle rund um Boeing und die 737 MAX. Hier erfährt man, wie Whistleblower wie Martin Bickeböller gegen Sicherheitsmängel angekämpft haben, während das Unternehmen kritische Sicherheitsstandards missachtete. Die Fusion mit McDonnell Douglas führte zu einer renditeorientierten Kultur, die Leben gefährdete. Tragische Abstürze wurden durch gravierende Kommunikationsfehler und Druck auf Ingenieure verursacht, was Fragen zur Unternehmensethik aufwirft.
Boeing ignorierte grundlegende Ingenieurprinzipien und schloss sicherheitsrelevante Redundanzen aus, was zu den Abstürzen zweier 737 MAX-Flugzeuge führte.
Der zunehmende Fokus auf Gewinnmaximierung nach der Fusion mit McDonnell Douglas untergrub die Sicherheitskultur bei Boeing und schuf gravierende technische Mängel.
Deep dives
Redundanzprinzip in der Luftfahrt
Flugzeuge sind nach dem Prinzip der Redundanz konstruiert, bei dem wichtige Teile mindestens doppelt vorhanden sind, um die Sicherheit zu gewährleisten. Diese Sicherheitskultur wurde jedoch von Boeing in kritischen Bereichen, insbesondere bei der 737 MAX, ignoriert, was tragische Folgen hatte. Der Verzicht auf doppelte Sensoren im neuen Steuerungssystem MCAS führte dazu, dass das Flugzeug bei fehlerhaften Signalen unkontrollierbar wurde. Diese Missachtung grundlegender Ingenieurprinzipien trug zum Absturz von zwei 737 MAX-Flugzeugen bei, wodurch 346 Menschenleben verloren gingen.
Der Wandel der Unternehmenskultur bei Boeing
Boeing erlebte einen tiefgreifenden Wandel in seiner Unternehmenskultur, insbesondere nach der Fusion mit McDonnell Douglas, wo das Profitstreben immer mehr in den Vordergrund rückte. Dieser Fokus auf Gewinnmaximierung führte dazu, dass Ingenieure und Sicherheitskultur an Bedeutung verloren, was die Grundlage für die späteren technischen Mängel bildete. Mitarbeiter wie Martin Bickeböller wurden mit Widerstand konfrontiert, als sie versuchten, Sicherheitsdefizite zu melden, was das Vertrauen in die Unternehmensführung weiter untergrub. Das ursprüngliche Ingenieurdenken, das den Erfolg von Boeing prägte, wurde durch einen drängenden Bedarf an Kostensenkungen ersetzt.
Fehlende Transparenz und Kontrolle
Boeings Probleme wurden durch eine unzureichende Kontrolle der Federal Aviation Administration (FAA) verstärkt, die Delegierungen an Boeing zuließ, um den Zertifizierungsprozess zu beschleunigen. Dieses System führte dazu, dass Boeing Informationen über Sicherheitsmängel verschleierte, um schneller produzieren zu können, ohne die notwendigen Genehmigungen einzuholen. Als die FAA schließlich von den Problemen erfuhr, war der Druck, Produktionszeitpläne einzuhalten, größer als der Fokus auf Sicherheitsstandards. Diese Schlamperei führte zu einem ernsthaften Vertrauensverlust sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei den Fluggesellschaften.
Die Rolle der Whistleblower
Whistleblower wie Martin Bickeböller spielten eine entscheidende Rolle bei der Aufdeckung der Sicherheitsprobleme innerhalb von Boeing. Trotz ihrer Bemühungen, auf kritische Mängel hinzuweisen, wurden sie oft ignoriert oder sogar schikaniert, was zu einem weiteren Rückgang der Sicherheitskultur führte. Die Vielzahl von Beschwerden nach den Abstürzen verdeutlicht, dass viele Mitarbeiter hinter den Kulissen versuchten, die Sicherheitsstandards zu verbessern, während das Unternehmen versuchte, die Medialisierung ihrer Probleme zu kontrollieren. Der Druck auf Whistleblower blieb bestehen und verdeutlicht die tief verwurzelten Probleme in der Unternehmensethik von Boeing.
Zwei Abstürze und ein Beinahecrash: Nach fatalen Zwischenfällen melden sich Boeing-Mitarbeiter, die schon länger Missstände im Unternehmen beobachtet haben wollen. Einer dieser Whistleblower ist der deutschstämmige Ingenieur Martin Bickeböller. Er warnte mehrfach vor Sicherheitsmängeln.
Doch anstatt die Probleme zu beheben, versuchte Boeing offenbar lange, Kritiker wie ihn zum Schweigen zu bringen. 346 Menschen haben das mit dem Leben bezahlt.
Warum ist es so weit gekommen?
In dieser Folge von »Firewall« erzählen wir vom Kampf der Whistleblower. Es geht um Outsourcing bei der Produktion, Profitstreben von Managern und Nachlässigkeit bei der Entwicklung neuer Flugzeuge.
Hier findet und hier lest ihr mehr über unsere Recherche zu Boeing.
Über »Firewall«: In diesem Podcast erzählen wir jeden Donnerstag von Angriffen auf Systeme. Ob Geheimdienst, Bundesregierung oder Dating-App. Jedes System hat eine Schwachstelle – manche finden sie. Gemeinsam mit SPIEGEL-Reporterinnen und Reportern sucht Host Sandra Sperber nach Schwachstellen in Systemen und erzählt von denen, die sie ausnutzen.
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