

Barbara Coudenhove-Kalergi: BRUNO KREISKY. DER GROSSE VERSÖHNER UND ERZIEHER
In Bruno Kreiskys Denken und Wollen spielte – wie er es selbst formulierte – „Der Mut zum Unvollendeten“ eine große Rolle. Das hatte nichts mit Zögerlichkeit oder Halbherzigkeit zu tun. Der Mut zum Unvollendeten bedeutete vielmehr, dass Ideologien und gesellschaftliche Strukturen für ihn kein in sich geschlossenes endgültiges System waren und schon gar kein Endstadium der Geschichte. Es war ein Bekenntnis zum Neuen, zur schrittweisen Reform, ein Bekenntnis zur Überprüfbarkeit politischer Entscheidungen im Sinne von Karl Popper. Und es war eine Abgrenzung gegenüber dogmatischen oder gar totalitären Positionen.
Jedes politische und gesellschaftliche System ist unvollendet und muss unvollendet sein. Denn, was Menschen machen, kann auch von Menschen zum Besseren verändert werden. Die Freiheit dazu darf man ihnen nicht nehmen.
Barbara Coudenhove-Kalergi, Journalistin, Publizistin, STANDARD Kolumnistin und ehem. Osteuropa-Korrespondentin des ORF, erinnerte sich zu Bruno Kreiskys 111. Geburtstag des großen Staatsmannes. Aufgezeichnet im Kreisky Forum am 20. Jänner 2022.