Feminismus von den Anfängen bis heute – Lila Büchersommer mit Agnes Imhof
Aug 8, 2024
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Agnes Imhof, eine Islamwissenschaftlerin und Publizistin, beleuchtet die Entwicklung des Feminismus von den Anfängen bis heute. Sie diskutiert, wie patriarchale Strukturen immer wieder Frauenbewegungen zurückdrängen und warum viele bedeutende Feministinnen in Vergessenheit geraten. Ein weiteres Thema sind die historischen Herausforderungen, die Kapitalismus und Religion an die Rechte von Frauen stellen. Imhof fordert zudem eine stärkere Berücksichtigung intersektionaler Ansätze im Feminismus.
Der Feminismus wird als die älteste Menschenrechtsbewegung betrachtet, die im Laufe der Geschichte immer wieder Repressionen und Rückschläge erlebte.
Die Analyse des Patriarchats zeigt, dass dessen Ursprünge komplexer sind als häufig angenommen, insbesondere in Bezug auf den Einfluss kultureller Kontexte.
Agnes Imhof kritisiert den Mangel an intersektionalen Ansätzen im Feminismus und betont die Notwendigkeit solidarischer Kämpfe gegen verschiedene Diskriminierungsformen.
Deep dives
Feminismus als älteste Menschenrechtsbewegung
Feminismus wird als die älteste Menschenrechtsbewegung der Welt betrachtet, die über Jahrhunderte hinweg immer wieder an Einfluss verlor, während Frauen und ihre Ideen teilweise in Vergessenheit gerieten. Im Buch von Agnes Imhof wird die Entwicklung des Feminismus von den Anfängen bis heute nachgezeichnet und betont, dass diese Bewegung nicht nur in einem kulturellen oder nationalen Kontext gesehen werden kann. Sie zeigt auf, dass die Diskriminierung von Frauen stark durch patriarchale Strukturen geprägt ist, die oft mit kulturellen Erzählungen und historischen Rückschlägen verbunden sind. Somit wird deutlich, wie wichtig es ist, die Stimmen der Protagonistinnen der feministischen Geschichte zu würdigen und ihre Kämpfe zu verstehen.
Der Beginn des Patriarchats
Der Ursprung des Patriarchats liegt laut Imhof im Neolithikum, als die Menschen sesshaft wurden. Es wird diskutiert, ob die Sesshaftwerdung allein für die Entstehung patriarchaler Strukturen verantwortlich ist, da verschiedene Kulturen unterschiedlich auf diese Veränderungen reagierten. Beispiele aus der Geschichte, wie die matrifokalen Gesellschaften, zeigen, dass die Rolle der Frauen im Laufe der Zeit je nach kulturellem Kontext variierte und nicht zwingend abwertend sein musste. Diese tiefere Betrachtung macht deutlich, dass das Verständnis des Patriarchats komplexer ist als oft dargestellt.
Die Eizelle und die Rolle der Frauen
Die Entdeckung und das lange Unverständnis der Funktion der Eizelle zeigen, wie sehr patriarchale Narrative die Wissenschaft und das gesellschaftliche Bild von Frauen beeinflussten. Über Jahrhunderte hinweg wurde die Rolle der Frauen in der Fortpflanzung minimiert, was zu einem kollektiven kulturellen Erbe führte, das Frauen als sekundär im Fortpflanzungsprozess ansah. Imhof hebt hervor, dass sogar in der Antike, trotz Wissen über die weiblichen Fortpflanzungsorgane, die Eizelle als trivial betrachtet wurde, um das patriarchale Narrativ aufrechtzuerhalten. Diese Ignoranz widerspiegelt sich bis ins 20. Jahrhundert und hat nachhaltige Auswirkungen auf die gesellschaftliche Sichtweise von Frauen.
Kapitalismus und das Zurückdrängen der Frauen
Der Kapitalismus wird als ein zentraler Faktor betrachtet, der zur Zurückdrängung von Frauen aus dem öffentlichen Raum und zur Konzentration auf unbezahlte Care-Arbeit beitrug. Historische Beispiele verdeutlichen, dass Frauen rechtlich und sozial ausgegrenzt wurden, beispielsweise bezüglich ihrer Bankkonten oder des Zugangs zum Arbeitsmarkt, was die patriarchalen Strukturen festigte. Der Zusammenhang zwischen ökonomischen Bedingungen und der Rolle der Frauen wird herausgestellt, wobei der Kapitalismus als ein System gezeichnet wird, das von niedrig bezahlter Arbeit, oft von Frauen, abhängt. Diese gesellschaftliche Realität zeigt derer an, wie wichtig feministische Kämpfe auch im wirtschaftlichen Kontext sind.
Feminismus und intersektionale Perspektiven
Imhof kritisiert die oft fehlende Berücksichtigung intersektionaler Perspektiven innerhalb des Feminismus und betont, wie wichtig es ist, unterschiedliche Diskriminierungsformen zu berücksichtigen. Der intersektionale Feminismus wird als notwendig erachtet, um Menschenrechte universell zu verstehen und sicherzustellen, dass keine Gruppe gegeneinander ausgespielt wird. Gleichzeitig warnt sie vor der Gefahr des Wettstreits unter den Unterdrückten und fordert solidarische Kämpfe. Die Diskussion über feministische Inhalte und Unterschiede in den Lebensrealitäten verschiedener Frauen ist entscheidend, um eine inklusive Bewegung zu schaffen, die alle Frauen stärkten.
Wir starten wieder in unseren Lila Büchersommer. Den Auftakt macht Laura. Sie bringt ein Sachbuch mit: “Feminismus – Die älteste Menschenrechtsbewegung von den Anfängen bis heute” Der Name ist Programm: In ihrem umfangreichen Werk erzählt die Islamwissenschaftlerin und Publizistin Agnes Imhof entlang des historischen Zeitstrahls und über Ländergrenzen hinweg davon, wie Feminismus immer wieder aufs Neue zurückgedrängt wurde. Mit jedem Backlash wurden Protagonistinnen und ihre Ideen vergessen. Imhof ruft sie in Erinnerung und stellt die Thesen ihrer wichtigsten Werke vor. Und auch in der Sendung sprechen Laura und Agnes über bedeutende Feministinnen. Einziges Manko des Buches: Der intersektionale Ansatz kommt etwas zu kurz. Warum? Auch darum geht es in der Sendung.
“Feminismus” ist im Mai 2024 bei Dumont erschienen und hat 384 Seiten.