

Hohepriester statt Maschinenbauer | Von Roberto De Lapuente
Die europäische Wirtschaft wird abgewickelt, aber Deutschland hat noch einen Exportschlager — vor zwei Wochen konnte man diesen in Berlin beobachten.
Um festzustellen, dass es der deutschen Wirtschaft seit Jahren schlecht geht, braucht eigentlich niemand eine Statistik. Praktischerweise gibt es jetzt dennoch eine, und diese belegt, dass es schon bergab ging, als medial noch Entwarnung postuliert wurde. Das Gütesiegel „Made in Germany“ bedeutet immer weniger, zumindest was Autos und Industrieprodukte angeht. Ein letztes Pferd aber bleibt der Bundesrepublik: queerer Aktivismus.
Ein Standpunkt von Roberto De Lapuente.
Wobei man das in der Öffentlichkeit gar nicht genau weiß. Das Statistische Bundesamt passte letzte Woche die Quartalszahlen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) der letzten drei Jahre an. Siehe da, die Rezession war längst da. Sie hat sich nur nicht in der Statistik ausgebreitet. Die Statistiker und das Bundeswirtschaftsministerium sprechen unisono von einem völlig normalen Vorgehen, man würde stets die bestmöglichen Datenquellen nutzen, die später dann durch die tatsächlichen Zahlen ersetzt würden, Fehlberechnungen seien das aber keine. Und politisch unabhängig sei das Statistische Bundesamt selbstverständlich auch: Nicht, dass da jemand auf falsche Gedanken kommt — ein Bundeswirtschaftsminister ist schließlich kein Schwachkopf und belügt nicht willentlich die Leute.
Wirtschaftlich läuft es also mehr als bescheiden. Nur ein Wirtschaftszweig boomt mehr denn je, nur in einer Branche scheint Deutschland Weltmarktführer. Beim CSD in Berlin neulich konnte man das sehen.
Die Wirtschaft darbt
Aber nochmal zurück zum Skandal, der keiner ist, der keiner sein soll, weil sich kaum einer damit befasst — außer vielleicht Heiner Flassbeck: Sieben Quartale in Folge stagnierte die deutsche Wirtschaft nach neuester Zahlenlage; es war also Rezession, aber keine sprach es aus, musste ja auch keiner aussprechen, weil die Zahlen glücklicherweise etwas anderes sagten. Das aber hätte eine andere Wirtschaftspolitik nötig gemacht — eine, die es in Wirklichkeit nie gab, weil die Quartalszahlen zwar nicht berauschend waren, aber eben auch nicht rezessiv aufblinkten. Ob es freilich eine andere Wirtschaftspolitik gegeben hätte, bleibt auch fraglich, denn die Qualitäten zeitgenössischer Politiker und ihrer auf Zuruf reagierenden Volkswirte lässt viele Zweifel offen. Man könnte es jedoch auch so sehen: Die amtierende Kriegswirtschaft scheint die neue Wirtschaftspolitik und damit die Antwort der Eliten auf die herrschende Misswirtschaft zu sein.
Auf dieser rezessiven Grundlage wäre vielleicht auch eine gesellschaftliche Debatte in Schwung gekommen, wie man es weiter mit der Ukraine und den Milliarden halten sollte, die außer Landes gebracht werden. Denn wenn die eigene Wirtschaft darbt, wenn sie schrumpft und der generierte und zu verteilende Wohlstand klein und kleiner ausfällt, wird es schwieriger, von der Schrumpfungsmasse etwas sachfremd zu verteilen — möchte man jedenfalls meinen.
Wir steckten also in einer dramatischen wirtschaftlichen Situation, einer Abwärtsbewegung, wussten es aber nicht, weil die offiziellen Statistiken es nicht auswiesen. Wobei: Natürlich wussten wir es; jeder im Lande, der sich in den letzten Jahren den Rest einer Wahrnehmung gegönnt hat, spürte das am eigenen Leib.
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