
Taxigeschichte - MietsÀnften und Kraftdroschken
Radiowissen
Intro
In diesem Kapitel wird die amĂŒsante RealitĂ€t des Taxifahrens in MĂŒnchen und der Einfluss von Musik auf die Wahrnehmung des Taxigewerbes betrachtet. Anhand eines Liedes wird die Erlebnisse eines Fahrgasts thematisiert und deren kulturelle Bedeutung hervorgehoben.
Die Geschichte des Taxis ist ein faszinierendes Kapitel Transport-Kultur, ein Spiegel technischen Fortschritts. Kunden gegen Entgelt zu transportieren, das beginnt mit SĂ€nften und Kutschen, geht ĂŒber FahrrĂ€der, bis hin zu den motorisierten Taxis der Neuzeit. Von Martin Trauner
Credits
Autor dieser Folge: Martin Trauner
Regie: Martin Trauner
Es sprachen: Julia Fischer, Carsten Fabian
Technik: Stefan Oberle
Redaktion: Katharina HĂŒbel
Im Interview:
JĂŒrgen Hartmann - taxitimes
Diese hörenswerten Folgen von Radiowissen könnten Sie auch interessieren:
Die Erfindung des Rads - Als die Welt ins Rollen kam
JETZT ENTDECKEN
Velo, Radl, Mountainbike - Ein GefÀhrt und seine Geschichte
JETZT ENTDECKEN
Verkehrspolitik der Zukunft - Effizienter und umweltschonender?
JETZT ENTDECKEN
Und noch eine besondere Empfehlung der Redaktion:
11KM Stories - Das Gift in Dir
PFAS sind ĂŒberall â in Pizzakartons, Regenjacken, Kosmetika. Sie gelten als Jahrhundert-Gift. Doch was bedeutet das fĂŒr uns? In der ersten Staffel von 11KM Stories âDas Gift in Dirâ gehen die Journalist:innen Johannes Edelhoff und Catharina Felke der unsichtbaren Gefahr auf den Grund. Sie erzĂ€hlen von Gemeinden in Deutschland, deren Grundwasser so vergiftet ist, dass sie es nicht mehr nutzen dĂŒrfen. Und von einer mĂ€chtigen Chemie-Lobby, die alles daransetzt, ihr GeschĂ€ft weiterzufĂŒhren. Wie tief steckt das Gift bereits in uns? Johannes wagt den Selbstversuch â und lĂ€sst sein Blut testen. HIER geht es zum Podcast
Spannende Berichte ĂŒber aktuelle Forschung und Kontroversen aus allen relevanten Bereichen wie Medizin, Klima, Astronomie, Technik und Gesellschaft gibt es bei IQ - Wissenschaft und Forschung:
BAYERN 2 | IQ - WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG
Skurril, anrĂŒhrend, witzig und oft ĂŒberraschend. Das Kalenderblatt erzĂ€hlt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum. Ein Angebot des Bayerischer Rundfunks.
DAS KALENDERBLATT
Literatur:
Ulrich Kubisch: Taxi - das mobilste Gewerbe der Welt - Schriftenreihe des Museums fĂŒr Verkehr und Technik Berlin
Wir freuen uns ĂŒber Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.
Radiowissen finden Sie auch in der ARD Audiothek:
ARD Audiothek | Radiowissen
JETZT ENTDECKEN
Das vollstÀndige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
MUSIK: Fredl Fesl âTaxiliedâ
âHallo, Taxi, fahrn's mich bitte
in die Ottobrunner Strassâ.
Doch fahrn's bitte nicht so narrisch
denn ich hab' schon fĂŒnf-sechs Mass.
Wenn's geht, den kurzen Weg
ĂŒber Giesing-Martinstrassâ,
weil ich einen kleinen Umweg
ĂŒber Dachau furchtbar hassââŠ
ERZĂHLERIN
Der niederbayerische Liedermacher Fredl Fesl singt 1976 von seiner Erfahrung in einem Taxi, in der Landeshauptstadt MĂŒnchen. Eigentlich will er einfach nur ganz schnell heim⊠Von einem Auftritt im berĂŒhmten Kleinkunstlokal âMUHâ neben dem Sendlinger Tor, heim in die MĂŒnchner OttobrunnerstraĂe. Das wĂ€ren so um die 6 Kilometer Fahrtstrecke ⊠EigentlichâŠ.
MUSIK: Fredl Fesl âTaxiliedâ
Und ich will auch nicht nach Pasing
Und auch ungern nach Freimann
Weil ich a) schon furchtbar mĂŒdâ bin und
b) es mir nicht leisten kann
Der Innungskopf hat d'Tuer zug'haut
Hat g'wart, bis dass ich schlief
Dann hat er schnell sei' Uhr eing'stellt
Auf gĂŒnstigsten Tarif
MUSIK weg
ERZĂHLERIN
Lieder ĂŒber das Taxifahren gibt es viele. In jedem Land, in jeder Stadt. Und ja, damit kann man sogar einen Adventskalender fĂŒllen
1. ZUSPIELUNG (JĂŒrgen Hartmann)
Wir als Magazin haben auch als Adventskalender, da haben wir jeden Tag, vom 1. Dezember bis zum 24. ein Taxilied vorgestellt als AdventskalenderâŠ
ERZĂHLERIN
Sagt JĂŒrgen Hartmann, GeschĂ€ftsfĂŒhrer des âTaxi-times-Verlagâ, der auch ein gleichnamiges Magazin herausgibt. Ein Fachmagazin fĂŒr die Taxibranche.
2. ZUSPIELUNG (JĂŒrgen Hartmann)
âŠda ist auch das Fredl-Fesl-Lied natĂŒrlich darin vorgekommen⊠oder auch das berĂŒhmte Lied âI steh in der KĂ€ltân und wart auf mein Taxi, aber es kummt netâŠ
MUSIK (DĂF)
I steh in der Költ'n und woat auf a Taxi, oba es kummt net.
(Kummt net, kummt net)
I woat auf des Brummen von am Mercedes Diesel, oba es brummt net
(Brummt net, brummt net)
Die Dame vom Funk, die sagt zu mia:
"Der Wagen 734 ist in fĂŒnf Minuten hier!"
ERZĂHLERIN
Wenn Lieder nicht nur Geschichten erzĂ€hlen könnten, sondern wirklich Geschichte, wĂ€re die Geschichte des Taxis hier bereits auserzĂ€hlt: Also: entweder kommt das Taxi nicht und wenn es dann doch kommt, ja, dann wirdâs eine abenteuerliche Fahrt und sehr teuer.
MUSIK aus und GerĂ€usch: AutotĂŒr schlĂ€gt zu
3. ZUSPIELUNG (JĂŒrgen Hartmann)
(âŠ) das sind so diese Geschichten, die man halt hört, das Problem ist einfach wie ĂŒberall. Wenn du im Taxi zehnmal fĂ€hrst und hast neunmal einfach, neunmal ist es okay und es passiert nix und der fĂ€hrt dich so wie er soll und völlig gewissenhaft von A nach B auf den direktesten Weg, dann bist du ausgestiegen als Fahrgast und hast in dem Moment, wo die TĂŒr zugeht, auch schon wieder die Fahrt vergessen. Aber wenn dir mal was Schlechtes passiert, dann erzĂ€hlst du das einfach âŠ
ERZĂHLERIN
âŠ. oder singst das in Liedern. â
MUSIK (alt und tĂŒckisch)
ERZĂHLERIN
⊠Die Geschichte des âPersonenlohnfuhrwesensâ, so hieĂ die Taxibranche auch mal, ist natĂŒrlich eine andere, eine komplexere und vor allem ist sie eine sehr lange und eine sehr alte Geschichte âŠ. Wie alt eigentlich?
4. ZUSPIELUNG (JĂŒrgen Hartmann)
Also wenn man ĂŒberlegt, dass ja auch ein SĂ€nftentrĂ€ger schon ein Taxi war, wenn man so will, ja, ⊠so alt wie die Menschheit, ja.
ERZĂHLERIN
So JĂŒrgen Hartmann. Er kennt sich aus mit der Branche und der Geschichte des Taxis. Er war selbst lange Jahre Taxifahrer und auch Taxiunternehmer mit vier Fahrzeugen, Referent an der Taxischule MĂŒnchen. Und JĂŒrgen Hartmann ergĂ€nzt:
5. ZUSPIELUNG (JĂŒrgen Hartmann)
Ich denke ab dem, also ohne eine Jahreszahl nennen zu können, ab dem Moment, wo eben jemand nicht selber mobil genug war, um irgendwo hinzukommen und deswegen auf eine fremde Hilfe, auf ein fremdes GefÀhrt mit einem entsprechenden Chauffeur angewiesen war.
ERZĂHLERIN
Jahreszahlen oder Daten zu nennen ist tatsĂ€chlich gar nicht so einfach oder kaum möglich. Denn in jedem Land, in jeder Stadt entwickelt sich die heute so genannte TaximobilitĂ€t etwas unterschiedlich. das Wort âTaxiâ ist ĂŒbrigens gar nicht so uralt⊠Aber dazu spĂ€ter mehrâŠ
MUSIK aus
ERZĂHLERIN
Vermutlich beginnt dieses mobile Gewerbe also wirklich mit den SĂ€nften. Doch wer weiĂ das so genau? Aufzeichnungen darĂŒber gibtâs wenige. Die Ăra der SĂ€nftentrĂ€ger in Deutschland endet jedenfalls allerspĂ€testens irgendwann Anfang des 19.Jahrhundert. In Berlin hĂ€ngt 1833 an einer festgezurrten SĂ€nfte ein Schild:
ZITATOR
âWer diese SĂ€nfte gebrauchen will, der melde sich in der Siebergasse.
ERZĂHLERIN
Den Adeligen ist die SĂ€nfte schon lĂ€ngst zu unbequem geworden, und ein normaler BĂŒrger kann sich das teure GefĂ€hrt ehâ nicht leisten. Und man dĂŒrfte in dieser Zeit, also um 1830, durchaus einige Probleme gehabt haben, geeignetes Personal zu finden: in Berlin waren es Anfang 1700 die zugewanderte Hugenotten, die SĂ€nften tagen durften, und: in MĂŒnchen waren es um diese Zeit tĂŒrkische Kriegsgefangene- man nennt sie âtĂŒrkische SesseltrĂ€gerâ, die SĂ€nften tragen mussten. Dass es in Berlin um diese Zeit ĂŒberhaupt noch einen SĂ€nftenservice gegeben haben soll, das ist dann doch schon ziemlich kuriose Geschichte âŠ
MUSIKAKZENT und (GerÀusch Kutsche)
ERZĂHLERIN
Denn: Ein nicht vom Menschen angetriebenes GefĂ€hrt zur allgemeinen Personenbeförderung, erobert die StĂ€dte bereits lange vorher: Die Kutsche. Bereits um 1770 fahren in Berlin 40 Wagen. Der Erfolg dort ist wechselhaft. Durchsetzen konnte sich diese, nicht ganz so neue Bewegungsart erstmal nur in wenigen StĂ€dten. Etwa in Warschau und natĂŒrlich in Wien.
MUSIK (Wiener Fiakerlied)
A Kutscher kann a jeder werân,
Aber fahren kinnans nur in Wean.
Refrain:
Meiâ Stolz is, iâ bin halt an echtâs Weanakind,
A Fiaker, wie man net alle Tagâ findât,
Mein Bluat ist so lĂŒftig und leicht wie der Wind,
Iâ bin halt an echtâs Weanerkind.
MUSIK aus
6. ZUSPIELUNG (JĂŒrgen Hartmann)
Ja, also die typischen Pferdekutschen, die nennt man Fiaker, vor allem in Wien, da gibt es sie immer noch. ⊠Den Fiaker, da hat sich der Begriff auch noch gehaltenâŠ. und es wurde dann tatsĂ€chlich irgendwann von der Droschke ersetzt, also vom Automobil.
ERZĂHLERIN
Bis die Pferdedroschke zur Motordroschke, also zum Automobil wird, dauert es dann doch noch ein wenig. Im SĂŒddeutschen Raum und vor allem in Ăsterreich heiĂen die Fiaker nach dem französischen Vorbild so, weil die Pariser ihre Kutscher als âFiacresâ bezeichnet haben. Warum die da so hieĂen? Da ranken sich viele Legenden darum. War es vielleicht der erste Standplatz fĂŒr Taxis in Paris, in der Rue de Saint Fiacre? â Wir wissen es nicht. Immerhin:
Pate fĂŒr diesen Begriff steht jedenfalls der âHeilige Fiacriusâ, heute ĂŒbrigens der Schutzheilige fĂŒr GĂ€rtner und Taxifahrer. -
Den Namen âDroschkeâ, das weiĂ man dann immerhin doch sehr genau, fĂŒhrt ein Dessauer PferdehĂ€ndler ein, der 1811 die Regierung von PreuĂen ersucht, âWarschauer Droschkenâ zur allgemeinen Personenbeförderung zur allgemeinen Personenbeförderung in Berlin fahren zu lassen. âDroschkeâ stammt vom russischen Wort âDroschkiâ â auf Deutsch: âFuhrwagenâ. - Und schon drei Jahre nach seinem Antrag kommt prompt die Antwort von Friedrich Wilhelm:
ZITATOR (Friedrich Wilhelm)
Ich finde keine Bedenken, dem PferdehĂ€ndler Mortgen mit RĂŒcksicht auf die Bequemlichkeit der Berliner Einwohner, die ausschlieĂliche Befugnis, so genannte âWarschauer Droschkenâ in der Stadt aufzustellen.
ERZĂHLERIN
32 Droschken darf der PferdehĂ€ndler Alexi Mortgen in Berlin aufstellen. Und in den nĂ€chsten Jahren passiert schon einiges: Es entwickelt sich eine erste âEtiketteâ des frĂŒhen Lohnfuhrgewerbes. Die DroschkenfĂŒhrer sind uniformiert oder zumindest gut gekleidet: schwarzer Zylinder, grĂŒne Jacken mit gelben SchnĂŒren. TatsĂ€chlich ist das ein erster Schritt in die Zukunft des Taxigewerbes â so wie wir es heute kennen.
7. ZUSPIELUNG (JĂŒrgen Hartmann)
Also wenn man so will, gucken Sie in den lĂ€ndlichen Bereich, dort ist es nahezu, also eigentlich in der Ăberzahl, so dass in dem lĂ€ndlichen Bereich die dortigen Taxibetriebe alle Angestellten, also keine Uniform tragen, aber natĂŒrlich eine Firmenkleidung tragen. Das heiĂt, ein T-Shirt, ein Sweatshirt oder auch eine Jacke, wo ganz klar das Logo der Firma draufgedrĂŒckt ist. (âŠ)
ERZĂHLERIN
In dieser frĂŒhen Zeit des Lohnfuhrwesens, Anfang des 19. Jahrhunderts in PreuĂen, damals ist der Begriff âTaxiâ noch völlig unbekannt, setzt sich noch eine Etikette durch, die bis heute bei modernen Taxis gilt. Die Droschken stehen hintereinander aufgereiht auf PlĂ€tzen, die ihnen die Polizei zugewiesen hat, und warten auf FahrgĂ€ste. Und fĂŒr Kunden gilt das Höflichkeitsgebot: Man nehme immer die erste Kutsche. - Das hat sich im GroĂen und Ganzen bis heute gehalten. JĂŒrgen Hartmann:
8. ZUSPIELUNG (JĂŒrgen Hartmann)
Das mag vielleicht der Gerechtigkeitsgedanke sein, dass man sagt, also wer das Taxi, das ganz vorne steht, ist das, das am lÀngsten jetzt schon wartet. Und dann auch das Vorrecht hat, den Auftrag zu bekommen oder die Fahrt zu bekommen.
(ERZĂHLERIN
Heutzutage ist das per Verordnung geregelt:
9. ZUSPIELUNG (JĂŒrgen Hartmann)
Es steht aber ganz klar in der Ordnung drin, in jeder Taxitarifordnung, der Fahrgast hat das Recht, sich sein Taxi frei auszuwÀhlen. Also er darf am Taxistand entlang laufen und auch in das dritte Taxi einsteigen)
MUSIK Akzent (GerÀusch altes Taxameter)
ERZĂHLERIN
In der vermeintlich guten, alten Zeit der Fiaker und Droschken, also immer noch gegen Ende der 1880er Jahre, ist der Fahrpreis entweder Verhandlungssache oder: der Kutscher misst mit seiner Taschenuhr die Fahrzeit und berechnet daraus nach eigenem Ermessen seinen Tarif. Nur: Warum sollte der Kunde mehr bezahlen, nur weil der Kutscher lahme GÀule eingespannt hat. Oder den Weg nicht gekannt hat - Kein Wunder, dass da manche Unstimmigkeiten entstehen. - Aber da kommt plötzlich ein GerÀt in die Welt, dass das Lohnfuhrwesen revolutioniert. Das Taxameter! Eine Zeitungsannonce dieser Zeit macht es publik:
MUSIK Werbung 1900
ZITATOR (Werbung um 1900)
Original Taxameter Bruhn! Erster und Àltester Taxameter der Welt!!
Original Bruhn! FĂŒhrende Weltmarke auf dem Gebiet der Verkehrskontrolle!
ERZĂHLERIN
Erfunden hat dieses seltsame KĂ€stchen mit den vielen ZahnrĂ€dern, diesen bald Geschichte schreibenden Mechanismus, erfunden hat das ein gewisser Friedrich Wilhelm Gustav Bruhn. So um die 1890er Jahre. - Ăber Wilhelm Bruhn weiĂ man natĂŒrlich, wie in der Taxigeschichte ĂŒblich, so nicht unbedingt viel: In LĂŒbeck ist er geboren, er besucht dort ein altsprachliches Gymnasium, lernt also Latein und Griechisch, heuert dann bei einem IngenieurbĂŒro in Hamburg an und erfindet und vermarktet sehr geschickt sein âTaxameterâ in Zeitungsanzeigen. - Nur: was ĂŒberhaupt ist ein Taxameter? - 1927 schreibt das âHandwörterbuch fĂŒr KaufmĂ€nnerâ:
ZITATOR (Handwörterbuch fĂŒr KaufmĂ€nner);
Das Taxameter ist ein GerĂ€t, bei dem die durchfahrende Strecke auf einem sichtbaren ZĂ€hlwerk derart angezeigt wird, dass der Fahrgast sofort den zu zahlenden Betrag fĂŒr die Fahrt ablesen kann âŠ
MUSIK aus
ERZĂHLERIN
JĂŒrgen Hartmann erklĂ€rt es genauer:
10. ZUSPIELUNG (JĂŒrgen Hartmann)
Das Taxameter ist letztendlich das GerĂ€t im Taxi, das eben den Fahrpreis anzeigt, den Kunden und durch eine entsprechende Technik und Mechanik berechnet. (âŠ) Und anhand dessen zĂ€hlt es dann quasi die Radumdrehungen. Und das fĂŒhrt dann letztendlich zur Berechnung des Fahrpreises, weil: der Fahrpreis setzt sich ja zum einen aus dem Zeitfaktor zusammen und zum anderen aus den gefahrenen Kilometern. (Und um die zu messen, werden einfach die Radumdrehungen gemessen. Da sitzt der Sensor dran und das wird alles mit dem Tachosignal und dem Taxameter verknĂŒpft.)
ERZĂHLERIN
Das âTaxameterâ gibt dem alten Lohnfuhrwesen nicht nur einen neuen Takt und einen neuen Preis vor, das âTaxameterâ gibt der Branche vor allem ihren Namen. Beinahe weltweit, in vielen Sprachen, etwa im Arabischen, im Japanischen oder im Russischen, wird das GefĂ€hrt zum Transport bald âTaxiâ genannt werden. Klingt ja so einfach â Freilich: Friedrich Wilhelm Bruhn, ĂŒbrigens SchĂŒler der alten Sprachen, hat den Begriff aus dem lateinischen Wort âtaxareâ - was âabschĂ€tzenâ bedeutet â und der griechischen Vokabel âmetronâ â was âMaĂâ bedeutet â neu zusammengesetzt. Aus der guten alten Pferdedroschke mit einem Taxameter wird also spĂ€ter das uns bekannte GefĂ€hrt, das âTaxiâ.
MUSIK
ERZĂHLERIN
Bereits 1896 wird das neue GerĂ€t, das Taxameter, Pflicht fĂŒr alle Berliner Pferdedroschken. Und auch andere StĂ€dte ziehen bald nach. - Doch fast gleichzeitig erreicht eine neue, vielleicht noch revolutionĂ€rere Erfindung, das Taxigewerbe.
MUSIK Fiakerlied Vorspiel
ERZĂHLERIN
Sang man noch in Wien in den 1890er Jahren das berĂŒhmte Fiakerlied mit den Anfangszeilen:
MUSIK (Fiakerlied)
I fĂŒhrâ zwa harbe Rappen,
Meiâ Zeug dös steht am Grabân,
A so wie dö zwa trappen
Werâns net viel gâsehen habân.
ERZĂHLERIN
⊠singt man das gleiche Lied bereits wenige Jahre spÀter ein bisserl anders:
MUSIK
Ich hab an alten Daimler
die Kraxn steht am Grabn.
A so a Taxi-Auto werdn sâ
no net gsehgn no habm.
ERZĂHLERIN
FĂŒr die Nicht Wiener sei das mal ĂŒbersetzt: anstatt der zwei alten Rappen, der alten Pferde, besitzt der Wiener Fiaker nun einen alten Daimler, in dem er die Kundschaft kutschiert. â Ja, was ist denn da passiert?
MUSIK Akzent (GerÀusch: evtl erstes Daimler Taxi)
ZITATOR
⊠Der neue Daimler-Taxameter hat seinen Stand am Jungfernstieg und fĂ€hrt zur bestimmten Taxe. Bei den zahlreichen bisher mit dem GefĂ€hrt unternommenen Fahrten bewĂ€hrte sich das GefĂ€hrt so gut, dass man nur Stimmen der Anerkennung vernehmen konnte⊠Seine VorzĂŒge mit der schnellen Fahrweise werden zur Hebung seiner Beliebtheit beitragen.
ERZĂHLERIN
Schreibt 1898 die Zeitschrift âDer Motorwagenâ. Schon in diesem Jahr entsteht in Hamburg ein Daimler Taxibetrieb. Der âDaimlerâ, der damals noch so genannte âTaxameterâ oder auch die so genannte Kraftdroschke, er erobert die StĂ€dte. Das sind keine Pferdekutschen mehr, sondern motorisierte Kutschen, der Volksmund nennt sie âStinkdroschkenâ. Die Fahrzeuge sehen zwar anfangs immer noch aus, wie die alten Droschken, statt dem Pferd haben sie halt einen Motor vorne dran, aber die GefĂ€hrte werden immer besser. Und immer beliebter.
11. ZUSPIELUNG (JĂŒrgen Hartmann)
Es gab frĂŒher mal den Spruch unter der Kundschaft, wenn du mal Mercedes fahren willst, dann fahr Taxi. Ja, weil Mercedes, der war damals noch eine Luxusmarke, konnte sich lang noch nicht jeder leisten. Und wer mal in so einer Luxuskarosse fahren wollte, ist Taxi gefahren, weil es tatsĂ€chlich so war, dass die Taxibranche gröĂtenteils in Mercedes-Taxis unterwegs war.
ERZĂHLERIN
Damals zu Beginn der Motorisierung sind Daimler und Mercedes Benz noch getrennte Firmen, aber: sie konkurrieren um das Taxigewerbe. Und die neuen Kraftdroschken verdrĂ€ngen immer mehr die alten Pferdedroschken. Die sind zu langsam, fahren im Schritttempo, also um die 5 bis 6 Stundenkilometer. Also: die neuen GefĂ€hrte: Fahren immerhin im Radltempo, also um die 18 Stundenkilometer. Und werden immer luxuriöser ⊠Die Zeit der Pferdetaxis geht spĂ€testens in den 1920er Jahren zu EndeâŠ
MUSIK
ZITATOR (Fallada)
Der alte Gustav Hackendahl, der Vater â denn es gab ja auch einen jungen Gustav Hackendahl, den Ă€ltesten Sohn vom gefallenen Otto; der Alte hatte ihn freilich nie gesehen â, der alte Gustav Hackendahl fand es immer schwieriger, mit einem Pferde zwei Menschen zu ernĂ€hren, nĂ€mlich sich und seine Frau.
ERZĂHLERIN
Ein Ausschnitt aus dem Roman â Der eiserne Gustavâ von Hans Fallada. Hauptfigur ist Gustav Hackendahl, ein alter Pferdedroschkenfahrer. Das wahre Vorbild fĂŒr Falladas Romanhelden: Gustav Hartmann. Den gab es tatsĂ€chlich âŠ
12. ZUSPIELUNG (JĂŒrgen Hartmann)
Gustav Hartmann ist in Berlin ein ganz geehrter und bekannter Taxifahrer gewesen.
ERZĂHLERIN
Gustav Hartmann, oder wie er im Roman heiĂt âGustav Hackendahlâ, leidet unter der Konkurrenz der neuen motorisierten Droschken. Er hat mit 26 Jahren ein Fuhrunternehmen in Berlin gegrĂŒndet und es ĂŒber 40 Jahre einigermaĂen erfolgreich geleitet:
ZITATOR (Fallada)
FrĂŒher (âŠ) konnte man mit einer Droschke sogar Kinder groĂziehen, wenn man sich nur ein bisschen MĂŒhe gab, die richtigen WarteplĂ€tze aufsuchte und einen Gaul vor dem Wagen hatte, der den Leuten Vertrauen einflöĂte. Aber wer setzte sich heute noch in eine Pferdedroschke?
ERZĂHLERIN
Der eiserne Gustav setzt sich in der RealitÀt am 2. April 1928 in seine alte Pferdedroschke und fÀhrt, als Protest gegen den Untergang des Pferdefuhrwesens, nach Paris. Dort, wo der gute alte Fiaker seinen Namen herhat. Mit einem Plakat:
ZITATOR
âDer Ă€lteste Fuhrherr von Wannsee, GrĂŒnder der Wannseedroschken, erlaubt sich mit der Droschke 120 die letzte Fahrt Berlin â Paris zu machen, da das Pferde-Material im Aussterbeetat steht.â
MUSIK aus
ERZĂHLERIN
Erreicht hat Gustav Hartmann mit seiner Fahrt nichts. AuĂer, dass er in die Literatur und in die Ahnentafel der âTaxigeschichtenâ eingegangen ist - Aber tatsĂ€chlich entbrennen in diesen frĂŒhen Jahren Anfang des 20. Jahrhunderts noch heftigere Streitereien. Es geht nun um das Thema, welches Auto fĂŒr das Taxi das passendere sei: eines, das mit Kraftstoff betrieben wird, sprich: mit fossilem Brennstoff, oder ein, und ja, das gibt es tatsĂ€chlich von Anfang an, ein mit Strom betriebenes Automobil. Das seinerzeitige E-Taxi hatte damals immerhin schon eine Reichweite von knapp 70 Kilometern.
13. ZUSPIELUNG (JĂŒrgen Hartmann)
Ja, das ist eine Geschichte, die kam jetzt wieder auf, als es jetzt darum ging, dass man eben, dass sich das Taxi wieder wandelt, also weg vom Diesel wieder zur ElektromobilitĂ€t hin. Und da hat man dann diese alten Geschichten aufgegriffen, vor allem die Verfechter des Elektrotaxis, haben da gerne darauf hingewiesen, dass es ja ganz frĂŒher auch schon die ersten Elektrotaxis gab.
ERZĂHLERIN
Die E-Taxis konnten sich damals nicht durchsetzen. Sie waren im Unterhalt und im Betrieb zu teuer. Es setzte sich die Benzintaxameterdroschke durch. FĂŒr viele JahrzehnteâŠ
MUSIKAKZENT
ERZĂHLERIN
Die Geschichte des Taxis â zumindest in Deutschland â lĂ€uft damit lange Zeit in eine Richtung. - Im Zweiten Weltkrieg ist das Taxifahren zwar stark eingeschrĂ€nkt, blĂŒht in den Nachkriegsjahren aber wieder auf. - Das Wirtschaftswunder. Man konnte und durfte sich jetzt das Taxi wieder leisten!
MUSIKAKZENT
ERZĂHLERIN
Aber warum wurden 1971 aus den schwarzen Taxis nun weiĂe, hellgelbe Taxis? JĂŒrgen Hartmann kennt den Grund:
15. ZUSPIELUNG (JĂŒrgen Hartmann)
Also offiziell heiĂt es RAL 1015, RAL 1015, das ist der offizielle Begriff, das ist Hellelfenbein⊠davor waren die Taxi schwarz, das hat man abgeschafft oder ist zu diesem Hellelfenbein gegangen, aus SicherheitsgrĂŒnden, weil eben es zu der Zeit zu sehr vielen Ăbergriffen kam und ĂberfĂ€llen auf Taxifahrer, vor allen nachts und dann waren die in einem schwarzen Auto natĂŒrlich noch schlechter zu erkennen.
MUSIK (Tom Waits) Night on earth
ERZĂHLERIN
Das Taxi ist bald aus dem Alltagsbild der wachsenden StĂ€dte kaum mehr weg zu denken. Und die Geschichten, die wĂ€hrend einer Fahrt entstehen, finden natĂŒrlich auch Einzug in die Literatur und in den Film. 1991 beispielsweise erzĂ€hlt der Regisseur Jim Jarmusch in seinem Film Night on Earth 5 Episoden, die in Taxis zeitgleich in einer Nacht rund um die Welt entstehen. Im Mittelpunkt. Eigentlich immer der Taxifahrer. Oder auchâŠ.
16. ZUSPIELUNG (JĂŒrgen Hartmann)
⊠also die Menschlichkeit in dieser Taxibranche ist, ist unheimlich wichtig. Ja, der Chauffeur ist, ist GesprĂ€chspartner, der Chauffeur ist Tippgeber fĂŒr Leute, die eben fremd in der Stadt sind.
Wo kann man denn hingehen und so weiter? Was können Sie denn empfehlen?
MUSIK hoch und aus
ERZĂHLERIN
Heute ist das traditionelle Taxigewerbe dennoch zu einer Mindestlohnbranche geworden. Und ja, sollte es je selbst fahrende Autos geben, wĂ€re die Branche wohl am Ende, meint JĂŒrgen Hartmann, aber, immerhin, eine Chance gĂ€be es âŠ
MUSIK
17. ZUSPIELUNG (JĂŒrgen Hartmann)
Die Personbeförderung in einem Taxi beginnt und endet nicht am Randstein, sondern da steckt viel, viel mehr dahinter.
Also unsere Branche macht zu einem ganz groĂen Prozentsatz, vor allem im lĂ€ndlichen Bereich, die sogenannten Krankenfahrten. Ja, das heiĂt, es sind also Fahrten, die von der Kasse bezahlt werden, wo Patienten zur notwendigen Dialyse gefahren werden dreimal die Woche, wo sie zur notwendigen Bestrahlung gefahren werden nach einer Krebsbehandlung und so weiter. Man hilft vielleicht, viele sitzen im Rollstuhl, man setzt sie um oder sie mĂŒssen sogar im Rollstuhl sitzen, befördert werden. DafĂŒr hat sich die Taxibranche entsprechende Fahrzeuge angeschafft, die dann eben die entsprechende VorrĂŒstung haben, also sprich ein Rollstuhl auch transportieren können und so weiter. Also das sind Dinge, solange das existiert oder notwendig ist in der Gesellschaft, solange wird es auch ein Taxi brauchen und geben


