
Port Arthur – Die berüchtigte Strafanstalt auf Tasmanien
Radiowissen
Intro
Die Episode erkundet Port Arthur, ein ehemaliges Gefängnis des britischen Empire, das heute ein UNESCO-Weltkulturerbe ist. Sie thematisiert die düstere Geschichte des Standorts sowie seine heutige kulturelle Bedeutung.
Im 19. Jahrhundert entstand auf dem südlich vor Australien gelegenen Tasmanien eines der ältesten Gefängnisse des fünften Kontinents. Port Arthur diente dem britischen Empire in Down Under als Hochsicherheitsgefängnis. Heute gehört es zum UNESCO-Weltkulturerbe. Es ist ein Erinnerungsort am Ende der Welt - an Strafen und Bewachen im Gefängnis. Autor: Michael Marek (BR 2025)
Credits
Autor dieser Folge: Michael Marek
Regie: Anja Scheifinger, Johannes Hitzelberger, Caroline Ebner, Benedikt Schregle
Es sprachen: Katja Bürkle
Redaktion: Thomas Morawetz
Im Interview:
- Jochen Bung, Professor für Rechtsphilosophie/Strafrecht
- Luke Donegan, Museumsdirektor
- Liz La Trope, Museumsführerin
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Linktipps:
Literatur:
Michel Foucault, 1977: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Übersetzt von Walter Seitter, Frankfurt am Main, Suhrkamp Verlag, 1. Auflage
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
Sprecher:
Port Arthur im Südosten Tasmaniens: Der kleine, beschauliche Ort an der rauen Tasmansee liegt rund 80 Autominuten von Hobart entfernt, der Hauptstadt des australischen Bundesstaates. Während dort moderne Hochhäuser in den blauen Himmel ragen, sind in Port Arthur mit seinen etwa 250 Einwohnern vor allem Holzhäuser und alte viktorianische Gebäude zu finden.
M Electric drops
Einst galt der Ort als die Hölle auf Erden:
Sprecherin:
Von 1830 bis 1877 befand sich hier das größte Gefängnis des britischen Empire außerhalb des Mutterlandes. Gleichzeitig galt Port Arthur als die sicherste Strafanstalt Australiens und war ausschließlich männlichen Gefangenen vorbehalten. Frauen, die als Straftäterinnen nach Australien deportiert wurden, kamen in der Regel in spezielle Frauengefängnisse oder Arbeitshäuser.
Sprecher:
Heute ist das Gelände ein Freilichtmuseum und gehört seit 2010 zum Unesco-Weltkulturerbe: Von einem Hügel aus überblickt man die gesamte riesige Anlage - ein Ensemble aus restaurierten historischen Gebäuden und Ruinen.
O-Ton 4: Liz La Trope
"These are the cells … which is above us."
VO weiblich 1.1:
Hier sieht man die Zellen. Das Gebäude ist aus Ziegelsteinen, die Zellen sind aus Sandstein gefertigt. Eine Zelle war einen Meter dreißig breit und zwei Meter zehn lang. Die Gefangenen schliefen in Hängematten. Tagsüber musste die Matratze oder Hängematte zusammengerollt und ordentlich verstaut werden. Dafür gab es ein Regal, in dem auch Napf, Löffel und Becher ihren Platz fanden. Mehr Besitz gab es nicht.
O-Ton 5: Musik Museum
Sprecher:
Liz La Trope arbeitet als Museumsführerin. Die Historikerin erklärt, wie der Tagesablauf für die Strafgefangenen in Port Arthur strukturiert war:
M Philosophy of the artificial
Sprecherin:
Die Nacht verbrachten sie in ihren engen Zellen ohne Fenster, in denen man sich kaum umdrehen konnte. Der Tag begann früh, oft schon bei Sonnenaufgang; nach einer einfachen Mahlzeit wurden die Häftlinge in verschiedene Arbeitsgruppen eingeteilt und mussten zwölf Stunden lang körperlich anstrengende Tätigkeiten verrichten – immer unter Aufsicht von Aufsehern, die auf Disziplin und Gehorsam achteten.
O-Ton 6: Atmo Schwarzdrossel
Sprecher:
Gemeinsam schreiten wir durch die weitläufige Gefängnisanlage, die sich über ein hügeliges Gelände erstreckt und u-förmig von einer Meeresbucht begrenzt wird. Große Zypressen stehen Wache vor den Ruinen, Schwarzdrosseln suchen nach Futter.
Sprecherin:
Die britischen Kolonialherren hatten sie aus ihrer Heimat mitgebracht, genau wie die Pflanzen für den Rosengarten des Kommandanten. Doch der Ort war alles andere als idyllisch: Mit Grauen dachten die Verurteilten an diesen Ort, der über 17.000 Kilometer von England entfernt lag und eine Reise ohne Rückfahrkarte bedeutete.
O-Ton 7: Atmo Türschloss Gefängnis
O-Ton 8: Liz La Trope
“There are about 163.000 … maximum security prison.”
VO weiblich 1.2:
Insgesamt wurden 163.000 Sträflinge nach Australien deportiert, davon allein 73.000 nach Tasmanien, das damals Van-Diemens-Land hieß. Nach Port Arthur kamen die Sträflinge mit der höchsten Sicherheitsstufe, denn Port Arthur war ein Hochsicherheitsgefängnis.
O-Ton 9: Atmo Sound Ausstellung Gefängnis
Sprecherin:
Es gab sieben verschiedene Kategorien von Sträflingen, je höher die Klassifizierung, desto schlimmer die Straftat. Diese Hierarchisierung spiegelte sich auch im Gebäude wider: Die einfachen „Convicts“ waren im Erdgeschoss untergebracht – ihre Kleidung war blau oder grau. Je mehr man auf dem „Kerbholz“ hatte, desto weiter wurde man nach oben verlegt. Für einen Sträfling der Stufe sieben galten höchste Sicherheitsvorkehrungen, Name und Individualität wurden ausgelöscht. In ihrer Häftlingskleidung ähnelten die Sträflinge Harlekinen: ein Hosenbein blau, das andere grau – umgekehrt, ein Ärmel blau, der andere grau. Die verdrehte Farbgebung sollte an die moralische Verkommenheit des Trägers erinnern und signalisierte: Achtung, Schwerbrecher, so die Historikerin La Trope:
O-Ton 10: Liz La Trope
"The penitentiary … heavy leg irons around 18 kilos."
VO weiblich 1.3:
Das Gefängnis war ursprünglich ein Getreidespeicher oder eine Getreidemühle. Dann wurde Port Arthur zu einem Hochsicherheitsgefängnis. Es gab eine Krankenstation, eine katholische Kapelle und sogar eine Bibliothek mit 13.000 Bänden. Die Idee war, aus den Sträflingen bessere Menschen zu machen. Die privilegierten Gefangenen hatten ihren eigenen Schlafsaal und brauchten keine Fußeisen zu tragen – im Gegensatz zu den schweren Jungs. Sträflinge der Kategorie sieben mussten 18 Kilogramm schwere Fußeisen tragen.
O-Ton 11: Atmo Museum Tür-Schritte
Sprecher:
Ein vierstöckiger Zellenblock ist das Zentrum von Port Arthur – ein gelbliches, langgestrecktes Gebäude. Wo einst 484 Gefangene lebten, stehen heute nur noch die renovierten Außenmauern, die wie ein steinernes Skelett an die "Doing Time" erinnern - die Zeit, die die Häftlinge im Gefängnis einsaßen.
O-Ton 12: Liz La Trope
"Those majority would … in the British Empire here at Port Arthur."
VO weiblich 1.4:
Die meisten Strafgefangenen waren junge Arbeiter zwischen 19 und 25 Jahren. Sie wurden für den Aufbau des Landes gebraucht. Der jüngste Häftling war neuneinhalb Jahre alt. Auch deshalb gehört das Gefängnis zum Unesco-Welterbe: Port Arthur hatte eines der ersten Jugendgefängnisse des Britischen Empire.
Sprecher:
Wirtschaftlich stand Port Arthur für einen einfachen Tauschhandel: Manpower gegen Holz!
M Misjudgement (reduziert) Z8037260116 (Länge: 1´00´´)
Sprecherin:
England, Anfang des 19. Jahrhunderts: Die industrielle Revolution forderte- ihren Tribut. Die soziale Verelendung breiter Bevölkerungsschichten führte zu mehr Kriminalität. Schon für ein gestohlenes Brot konnte man nach Tasmanien verbannt werden. Die britischen Wälder waren so stark abgeholzt, dass sie kaum noch als Brennstoff für die Dampfmaschinen dienen konnten. Doch woher Holz nehmen, wenn es im eigenen Land keins mehr gab? Wie verlockend war der Gedanke, die üppigen Wälder Tasmaniens abzuholzen, um den Bedarf Englands zu decken! Die Gefangenen wurden gezwungen, in den Wäldern um Port Arthur zu arbeiten. Sie fällten Bäume, schnitten die Stämme und transportierten sie zu den verschiedenen Werkstätten oder Bauprojekten. Es war harte und gefährliche Arbeit, die oft zu körperlicher Erschöpfung und Verletzungen führte.
Sprecher:
Port Arthur war ebenso bekannt wie berüchtigt für seine sogenannten "Tausendfüßler Kolonnen":