
Das Abenteuer der Schatzsuche - Geschichte einer Leidenschaft
Radiowissen
Intro
Dieses Kapitel erkundet die geheimnisvolle Welt der Schatzsuche zwischen dem 5. und 16. Jahrhundert, die stark von Aberglauben und magischen Vorstellungen geprägt war. Es werden Geschichten von verfluchten Schätzen und der entscheidenden Rolle von Schatzmagiern und magischen Formeln erzählt.
Ein Schatz ist eine Sache, die so lange verborgen gelegen hat, dass ihr Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist. So nüchtern die Definition, so sagenumwoben die Schätze selbst: von Drachen bewacht, mit einem X markiert, durch Beschwörungsformeln gefunden - und noch immer gesucht. Autorin: Inga Pflug (BR 2025)
Credits
Autorin dieser Folge: Inga Pflug
Regie: Ron Schickler
Es sprachen: Hemma Michel, Peter Veit
Technik: Wolfgang Lösch
Redaktion: Iska Schreglmann
Im Interview:
- - Dr. Markus Hirte, Experte für Ältere und Neuere Strafrechtsgeschichte und geschäftsführender Direktor im Mittelalterlichen Kriminalmuseum in Rothenburg ob der Tauber
- - Dr. Stefanie Berg, Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Abteilung Bodendenkmalpflege
- - Mäxe Hirscher, Pädagoge Windsbacher Knabenchor, Sondengänger
- Knaben des Windsbacher Knabenchors
- - Uta Kirpal, Archäologin, ARCHAIOS Archäologische Dienstleistungen GmbH
- - Dr. Manfred Hilgart, Archäologe, ARCHAIOS Archäologische Dienstleistungen GmbH
- - Lennart Schönemann, Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Grabungsreferent, stv. Referatsleiter Lineare Projekte
LINK-TIPS:
https://www.kriminalmuseum.eu/blog/ausstellung/schatz-und-schatzsuche-in-recht-und-geschichte/
https://www.kriminalmuseum.eu/
https://www.blfd.bayern.de/information-service/schatzregal/index.html
https://www.blfd.bayern.de/denkmal-atlas/index.html
https://geoportal.bayern.de/denkmalatlas/liste.html
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Literatur:
- Schatz und Schatzsuche in Recht und Geschichte – Kataloge des Mittelalterlichen Kriminalmuseums in Rothenburg ob der Tauber, Band 4; Ausstellungskatalog zur gleichnamigen Ausstellung im Kriminalmuseum mit zahlreichen Bildern und Beispielen
Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
Sprecherin:
Eine dunkle, stürmische Nacht, irgendwo im nirgendwo, vielleicht 1748.
01 Zuspielung Museum (raffbar):
(Eule, Donner, Schritte) Hier muss es sein. Oh heiliger Christopherus, steh mir bei. Lass mich den Schatz schnell finden … (Schaufeln) Oh gloriosem … (Donner) …
Sprecherin: So wie hier in der akustischen Untermalung im Rothenburger Kriminalmuseum könnte sie abgelaufen sein, eine frühneuzeitliche Schatzsuche: nachts, im Wald, mit Hacke und Schaufel – und unter Zuhilfenahme gebetsähnlicher magischer Formeln. Denn:
02 Hirte:
In der magischen Welt unserer Vorfahren vor allem des späten Mittelalters, frühen Neuzeit, im Mittelalter selbst, war der Schatz immer irgendetwas Magisches, Geheimnisvolles gewesen, und das in mehrerer Hinsicht.
Sprecherin:
… beschreibt Markus Hirte, Experte für Ältere und Neuere Strafrechtsgeschichte und geschäftsführender Direktor im Mittelalterlichen Kriminalmuseum in Rothenburg ob der Tauber.
MUSIK: Who's Knocking
03 Hirte:
Zum einen gab es in der Vorstellungswelt unserer Vorfahren Schatzgeister, Poltergeister, wo ein Schatz gefunden werden wollte.
Sprecherin:
… worauf der Poltergeist durch sein Poltern aufmerksam macht:
04 Hirte:
Die Vorstellung war, dass manche Menschen, die besonders schlimme Sachen gemacht haben oder noch eine Aufgabe zu erfüllen hatten, noch so lange der Erde als Geist gewandelt haben, bis ihre Aufgabe erfüllt ist. Zum Beispiel fiktiv jetzt mal, dass jemand Menschen umgebracht hat und Geld gestohlen hat. Und dann wurde er nicht mal zum Sterben gelassen, sondern wandelte als Geist durch die Zwischenwelten und musste sehen, dass dieser Schatz wiedergefunden wird.
Sprecherin:
… damit der Schatz den Eigentümern zurückgegeben werden kann – und der Poltergeist erlöst.
Umgekehrt gab es aber auch die Vorstellung von bewachten Schätzen, die eben nicht gefunden werden sollten:
05 Hirte:
Schätze werden bewacht von – und dann kommt das ganze Sammelsurium – zum Teil von wilden Tieren, von Drachen natürlich. Da haben wir sofort die Erinnerung an das Nibelungenlied, an Beowulf, es gab natürlich auch Geister und Dämonen, die Schätze bewacht haben.
Sprecherin:
… erklärt Museumsdirektor Markus Hirte.
So wird im Mittelalter, der Zeit zwischen etwa 500 und 1500 nach Christus, zunächst noch selten nach Schätzen gesucht. In den beiden bekanntesten Erzählungen um Schätze des Mittelalters, „Beowulf“ und Nibelungenlied, ist der Schatz gefährlich. Er ist verflucht oder bringt den Tod, weil Konflikte um ihn entstehen. Ungefährlich ist der Schatz nur, wenn er unentdeckt oder unerreichbar ist: in der Behausung des Drachens oder auf dem Grund des Rheins.
06 Hirte: Das für mich spannendste war, dass nach der Vorstellung vieler – und auch quellenmäßig belegt über sogenannte Zauberbücher und Gerichtsprozessakten – dass der Schatz selbst magisch war, sich nämlich bewegen konnte, so die Vorstellung, dass der durch die Erde wandelt, dass manche Schätze auch gar nicht gefunden werden wollten, die sich dann mal zum Sonnenbad nach oben bewegten und sobald einer kam, wieder verschwunden sind. Also eine ganz fantastische Welt, die man auch wirklich heute noch nachlesen kann, in Literatur längst vergangener Zeit.
Sprecherin: … Und die das Rothenburger Kriminalmuseum zu einer Sonderausstellung über Schatz und Schatzsuche in Recht und Geschichte zusammengetragen hat:
MUSIK: Glitch Fork Cello2
Besonders spannend wird diese Geschichte in der Volkskultur der Frühen Neuzeit, also in der Zeit ab etwa 1500, als die Suche nach dem magischen Objekt „Schatz“ beginnt. Markus Hirte:
07 Hirte:
Reisen wir zurück ins 16. Jahrhundert, einer hat gehört, dass auf dieser Burg ein Schatz versteckt ist. Also nicht wie heute Quellensuche, schauen, wo könnte sie gewesen sein? Man hat das gehört, manchmal hat auch einer ne Flamme nachts gesehen. Das war schon ein Hinweis, da könnte was sein….
Sprecherin: Damit die frühneuzeitliche Schatzsuche starten kann, ist ein „Schatzmagier“ essenziell. Jemand, der lesen und schreiben kann und die magischen Gebete und Formeln kennt, die für die Suche nach dem magischen Schatz unabdingbar sind.
08 Hirte:
Man hat sich durchaus auch irgendwie mit dem Teufel oder mit den Dämonen einlassen müssen, hat aber auch um göttlichen Beistand zum Beispiel gebetet. Eben, dass die Höllenhunde einen nicht zerreißen. Und diese Magier, das waren teilweise auch Kleriker gewesen. Das war auch gar nicht so fernliegend, da gab es auch Exorzismen. Da spielten ja auch Dämonen und Engel noch eine andere Rolle als beim Protestantismus, später zum Beispiel. Und wenn man also einen Priester hat, einen Exorzisten hat, der sowieso den Dämonen austreiben muss, dann hat der möglicherweise auch Ahnung, wie das mit anderen Dämonen zum Beispiel geht.
Sprecherin:
Gegraben wird dann meist in der Nacht. Kein ungefährliches Unterfangen – leben in den Wäldern doch noch Wölfe und andere Raubtiere. Und manch ein Schatzsucher mag auch über Böschungen gestürzt oder anderweitig verunfallt sein.
Waren die Schatzsucher schließlich am Ort einer Lichterscheinung angelangt …
MUSIK: Incubus
09 Hirte:
Dann wurde teilweise dann mit einer Wünschelrute gegangen. Und wenn sie ausgeschlagen hat, war das ein Zeichen. Und je nach Konstellation begann dann der Magier Pentagramme in dem Boden zu zeichnen. Paraphernalia, Totenköpfe, kleine Gefäße, Räucherstäbchen. Das war ganz, ganz bunt. Das war ja auch so ein bisschen seine Show gewesen – wie heute bei den Magiern im Fernsehen auch, es wird ja auch was verkauft – und hat dann Dämonen angerufen oder Geister gebannt. Und dann begann die Suche. Und wie aber die Geschichte fast überall zeigt: gefunden ist eigentlich nie irgendwas worden.
Atmo Kinder
Sprecherin:
Und heute? Schatzsuche beim Windsbacher Knabenchor. Im Sand des Volleyballfelds auf dem Campus der jungen Sänger hat Pädagoge Mäxe Hirscher ein paar Schätze vergraben, nach denen eine quirlige Schar Elf- bis Fünfzehnjähriger nun suchen darf.
Atmo
Sprecherin:
Metalldetektoren, also Ortungsgeräte, die Metalle im Boden aufspüren können und durch einen Piepton anzeigen, unterstützen bei der Schatzsuche.
10 Hirscher:
Schaut mal, ich mach Euch mal die Geräte an, … und jetzt schwenkt Ihr einfach mal über den Boden …
Sprecherin: Und dann geht es auch schon los.
Atmo unterliegend
Sprecherin: Die Windsbacher Knaben sind mit Eifer dabei. Und es dauert nicht lange, bis der Metalldetektor anschlägt:
11 Knaben:
I hab was gefunden / Hier / dann geh mal drauf dass wir genau hören, wo es ist. / Dann darf der Max mal buddeln / … Hier, hier // Wir habens.
Sprecherin: Und schon halten die Jungen ihren ersten Schatz in Händen.
MUSIK: Friendly Exploration
12 Knaben:
Schaut mal, wir haben hier so ne Münze gefunden, willst du mal schauen / darf ich mal / Pfennig / was könnte das denn sein, da steht drauf? / der deutsche Reichsadler, oder? / Reichspfennig / 1919 steht da / Ein Pfennig von 1919. / sehr gut.
Sprecherin:
Die initiierte Schatzsuche ist Freizeitbeschäftigung für die Windsbacher Knaben. Auch alte, leere Patronenhülsen, Knöpfe, ein Blei-Gewicht und Cent-Stücke tauchen im Sand noch auf. Allesamt echte Fundstücke von zurückliegenden Exkursionen, bei denen auch umliegende Äcker, Wiesen und Feldwege abgesucht wurden. Und die Pädagoge Mäxe in einer kleinen Schatzschatulle für das Internat aufbewahrt.
13 Hirscher:
Ich möchte, dass die Jungs nicht dieses Schatzsuchergen mitbekommen, dass se sagen, was ich hab, das ist unbedingt meins. Sondern, ich möchte wirklich, dass die Nachwelt was davon hat. Und zum einen die Jungs was davon haben, dass sie ihre Vergangenheit ein bisschen recherchieren können, aber zum anderen, was ich viel wichtiger finde: dass sie ehrenhaft und toll mit diesen Sachen umgehen können. Dass sie wissen, was das ist, dass sie wissen, was sie da mitbekommen und dass sie auch ordentlich damit umgehen können und nicht sagen, ich schmeiß das jetzt mal am Boden, ist mir egal, was das ist. Das ist mir wichtig.
MUSIK: Friendly Exploration
Sprecherin:
Der materielle Wert der gefundenen Schätze steht bei den Nachwuchs-Schatzsuchern ohnehin nicht an oberster Stelle.
14 Knaben:
Es macht Spaß / das Spannendste ist wenn das Piepen kommt / Du weißt nicht, was da kommt / dass man Gemeinschaft hat, zusammenhilft / dass die Sachen schon so alt sind / du das ausgräbst und dann ist das halt einfach irgendeine coole Sache.
16 Hirte:
Der Schatz, da sagt das Gesetz, 984 BGB, dass das ein Gegenstand ist, eine Sache, die so lange verborgen war, dass man den Eigentümer nicht mehr ermitteln kann. Das heißt, da gibt's keinen Eigentümer, das sind in der Regel alte Sachen. Das ist so die ganz nüchterne Definition eines Schatzes.
Sprecherin:
Sagt Markus Hirte im Rothenburger Kriminalmuseum.
Dabei kann es sich freilich grundsätzlich auch um vor langer Zeit verlorengegangene Dinge handeln. Denkt man beim Schatz aber an Schatzkästchen voller Schmuck, Gold oder Münzen, wurden die in der Regel absichtlich in der Erde vergraben oder in einem Geheimfach verborgen. Aus gutem Grund, wie der Museumsdirektor resümiert:
17 Hirte:
Es war eine Zeit, wo es noch keine Sparkassen, wo es noch keine Banken gab, wo die Menschen auch noch nicht zu viele Habseligkeiten hatten. Die wurden dann aus Angst vor Überfällen oder um das Geld einfach ja sicher zu verwahren, in der Erde eingegraben. Das konnte aber auch ein Dieb sein, der was geraubt hatte, auf der Flucht dann seine Beute irgendwo versteckt. Ja, und dann stirbt der Dieb oder in der Familie bekommt der, der es versteckt hat, ein Herzinfarkt. Und dann ist keiner mehr da, der um den Fundort weiß. Und so gerät dann dieser Schatz in Vergessenheit und überdauert dann manchmal Jahre, Jahrhunderte und Jahrtausende.