
Die Geschichte des Panzers - Eine neue Dimension im Krieg
Radiowissen
Die Evolution der Panzerkriegsführung
Dieses Kapitel untersucht die Entwicklung von Panzern in modernen Konflikten wie im Golf und in der Ukraine. Besonderes Augenmerk liegt auf der Rolle neuer Technologien und der Notwendigkeit zur Anpassung der Taktiken und Systeme angesichts der sich wandelnden Kriegsbedingungen.
Er ist ein schrecklich effizientes Kriegsgerät, das bereits zahlreiche Schlachten weltweit entschied. Der Panzer verbindet den Schutz von Soldaten mit Beweglichkeit und Feuerkraft. Auch im Zeitalter moderner Drohnenkriege ist der Stahlkoloss nicht wegzudenken. Autor: Lukas Grasberger
Credits
Autor/in dieser Folge: Lukas Grasberger
Regie: Christiane Klenz
Es sprachen: Stefan Wilkening, Benjamin Stedler, Simon Wezeman
Technik: Viktor Veress
Redaktion: Thomas Morawetz
Im Interview:
- Ralf Raths, wissenschaftlicher Direktor Deutsches Panzermuseum Munster
- Dr. Markus Pöhlmann, Historiker am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam
- Siemon Wezeman, Senior Researcher am Friedensforschungs-Institut SIPRI, Stockholm
- Dr. Max Mutschler, Konfliktforscher am International Center vor Conversion (BICC), Bonn
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Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
ZITATOR
Über die Kraterfelder kamen zwei geheimnisvolle Ungeheuer angekrochen […]. Es gab kein Hindernis für sie, eine übernatürliche Kraft schien sie voranzutreiben. Unser Maschinengewehrfeuer und unsere Handgranaten prallten an ihnen ab.
SPRECHER
...so schildert ein deutscher Soldat den ersten Panzerangriff der Geschichte. Es war ein nebliger Spätsommer-Morgen des Jahres 1916, im Norden Frankreichs. Aus den Schützengräben an der Somme schossen Briten und Franzosen auf deutsche Soldaten, diese erwiderten das Feuer. Eine Abnutzungsschlacht im Ersten Weltkrieg, die Hunderttausende das Leben kosten sollte, ein festgefahrener, fast statischer Konflikt, Stellung gegen Stellung. Doch an diesem Tag vernahmen die deutschen Soldaten ein unbekanntes Brummen, das sich langsam, aber unerbittlich näherte. Dann rumpelte er auf Ketten heran: Nach und nach schälte sich ein stählerner Koloss aus dem Nebel, der gleich einem Rammbock die feindliche Linie durchbrach.
OT 1 Ralf Raths
Im Ersten Weltkrieg ist es ja so, dass die Masse der jungen Männer, die an der Front steht, auch der älteren, (…) es gibt viele Stadtbewohner, aber die Gesellschaft ist agrarisch geprägt. Das sind vor allen Dingen Bauern, Bauernsöhne, auch Industriearbeiter. (...)All denen ist gemeinsam, dass sie noch nicht oder selten Autos gesehen haben. Sie haben vielleicht mal Eisenbahnen gesehen, aber die waren an Schienen gebunden. Sie haben vielleicht mal ein Schiff gesehen, wenn sie aus Hamburg oder so kamen, aber das war auf Wasser. Die Konzentration von beweglich und massiv ist für alle neu.
SPRECHER
...erklärt Ralf Raths, wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Panzermuseums Munster. Der Mark I, dieses mit vernieteten Stahlplatten gesicherte Kettenfahrzeug, kroch noch mehr als es fuhr. Als schmerzhaft und langsam beschrieb ein Augenzeuge einerseits die Fortbewegung des ersten, britischen Panzers. Andererseits aber kletterte dieses „unbeholfene Monster“ aus jedem Granattrichter wieder heraus, unbarmherzig, den deutschen Stellungen entgegen.
MUSIK 2 (Z9390684007 Trentemöller: Metamorphosis 1‘11)
OT 2 Ralf Raths
Da kommen Drachen auf uns zu: (…) Es gibt dann diese Bezeichnung der Drachen und der Ungeheuer. Der Tankdrache ist so ein deutsches Wort, das es wirklich gibt. Das Interessante ist, dass alle Seiten, die zum ersten Mal beschreiben, wie sie Panzer gesehen haben, im Ersten Weltkrieg zu ähnlichen Begriffen neigen. Und zwar bedienen sich die Leute bei den Mythen und bei der Bibel. Da wird der Leviathan mitgenommen. Der Behemoth wird genommen. Also diese großen Monster aus der Offenbarung.
SPRECHER
Eine Offenbarung – das waren die neuen Kampffahrzeuge für die militärischen Führer zu ihrer Zeit keineswegs.)) Zwar gelang es den Briten zunächst Dank ihrer Tanks, tief in die deutsche Front einzubrechen. Von ihren 49 Mark-I-Panzern blieben aber 18 Tanks beim britischen Überraschungsangriff mit Pannen liegen. Die Kämpfe an der Somme endeten Anfang Dezember mit fast unveränderten Fronten. Doch auch wenn der erste Panzerangriff der Geschichte damit fast wirkungslos verpufft war: Die Zeit dieser machtvollen motorisierten Waffe namens „Panzer“ - sie schien angebrochen zu sein.
OT 3 Markus Pöhlmann
Und das ist der Moment, wo die technische Innovation zusammentrifft mit dem militärischen Bedarf.
SPRECHER
...sagt Markus Pöhlmann, Historiker am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam – und Autor des Buches „Der Panzer und die Mechanisierung des Krieges.“
Die Frage ist, warum die Briten den Panzer erfunden haben und nicht zunächst einmal die Deutschen, die ist extrem interessant.
SPRECHER
Die Antwort darauf liegt darin, dass die Anfangs erfolgreichen Angriffe der Deutschen bei Verdun 1916 bald stecken blieben. Nach fast einem Jahr erbitterter Kämpfe fielen sie in ihre ursprünglichen Ausgangspositionen zurück, Verteidigung des Erreichten war von nun an die Devise für die deutschen Truppen. Markus Pöhlmann:
O-Ton 4a Markus Pöhlmann:
Und da ist sozusagen der Bedarf an so einem Fahrzeug geringer. Und die Deutschen sind vielleicht ein Stück weit weniger technologieorientiert gewesen. Im Prinzip geht es darum, drei militärische Parameter in einem Gefechtsfahrzeug unterzubringen. Das ist Feuerkraft, das ist Beweglichkeit und das ist Panzerung. In diesem Stellungskrieg haben Sie das Grundproblem, das alle Mächte haben: Wie bringen wir unsere Infanterie über die letzten 300, 500 Meter an den Gegner ran? Im Angesicht von modernen Schnellfeuerwaffen, in der Zeit damals. Also Feldartillerie und Maschinengewehr. Das funktioniert mit Pferdezug nicht, es funktioniert auch mit Dampfmaschine nicht. Sie brauchen tatsächlich den Motor als die technische Voraussetzung.
MUSIK 3 (C1020880009 Heeresmusikkorps 4, Regensburg: Flieger, Flak und Panzer 0‘39)
MUSIK 4 (M0007500059 Ian Anderson: After The Battle 0‘43)
SPRECHER
Der Panzer, sagt Ralf Raths, lag bereits vor dem Ersten Weltkrieg in allen Ländern in der Luft. Als Idee war er auch in den Köpfen vieler Deutscher bereits vorhanden. Der älteste Sohn von Gottlieb Daimler, Paul, entwickelte schon im Jahr 1903 den ersten gepanzerten Kraftwagen. Einen Kettenpanzer konstruierte – wenige Jahre vor Kriegsbeginn – der österreichische Oberleutnant Günther Burstyn. Die Pläne für sein „Landtorpedoboot“ landeten jedoch schnell wieder in der Schublade. Anders Frankreich und England, die bis zum Ende des Krieges ein paar Tausend ihrer „Chars“ und „Tanks“ in die Schlacht warfen. Die Briten und Franzosen entwickelten neue Modelle, die auch über ein damals aktuelles Kommunikationsmittel verfügten.
OT 5 Ralf Raths
Das heißt, die Panzer hatten Brieftauben dabei, dazu war natürlich ein Brieftaubenwart abgestellt, der sich um die Viecher gekümmert hat und wenn dann irgendwas war, dann wurde halt ein kleiner Zettel beschrieben, wirklich das an das Bein gebunden, die Taube wurde rausgeworfen, weil aber in diesen Panzern (...) immer die Motoren nicht abgedichtet waren, war es halt unfassbar laut, es war richtig mit Gasen zu, es war dunkel, das heißt, sowohl die Menschen als auch die Tauben waren halt komplett rammdösig, wie man im Norden sagt. Und dann haben die sich immer erst mal gerne auf die Tanks raufgesetzt, um sich auszuruhen. Also sie haben einen Flügelschlag gemacht und haben sich erstmal hingesetzt. Und dann war halt eine Aufgabe des Taubenwartes, dann mit so einem Stock hinterher zu schlagen, damit die Taube halt in Gang kommt, also so wie wir quasi, keine Ahnung, das Netz nochmal neu starten, um die E-Mail rauszukriegen.
MUSIK 5 (Z8020340103 Martin Todsharow: Frozen 0‘44)
SPRECHER
Dass dem Panzer die Zukunft gehören würde – das sahen nach dem Ersten Weltkrieg auch die technikskeptischen Deutschen so. Bereits in den 1920er-Jahren bauten deutsche Ingenieure in jeden Panzer einen Funkgeräteplatz ein – auch wenn die Geräte für den Kampfeinsatz noch zu groß und zu empfindlich waren. (…) Der Versailler Vertrag verbot Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg, Panzer zu besitzen. Die Reichswehr ging daher eine geheime Militärkooperation mit der Roten Armee ein, in der Sowjetunion wurden neue deutsche Panzertypen erprobt und weiterentwickelt.
Wir sind jetzt in den Zwanzigern in einer Zeit, wo die entscheidenden Technologien für den Panzer, nämlich der Motor, Getriebe, Panzerplatten, sich sehr schnell entwickeln durch die Industrie. (…) In dieser Zeit passieren wahnsinnige Sprünge, also von diesen riesigen Maschinen des Ersten Weltkrieges, die quasi kaum fünf Kilometer fahren können, ohne zusammenzubrechen, bis hin dann 20 Jahre später... und dann hat man diesen Zweiten Weltkrieg, in dem der Panzer dann seine Rolle findet, historisch gesehen.(...) Diese schon sehr modern aussehenden Panzer des Zweiten Weltkrieges, die auch 150, 200 Kilometer fahren können, kämpfen können und so weiter, ohne liegen zu bleiben.