
Kann man sich glücklich essen? Von Genuss bis Gesundheit
Radiowissen
Intro
Dieses Kapitel erkundet die Beziehung zwischen Ernährung und emotionalem Wohlbefinden, während eine Köchin aus der Provence ihre Philosophie des Kochens mit Liebe teilt. Zudem erklärt ein Ernährungsmediziner, wie die Darmflora mit der Psyche verbunden ist und wie bestimmte Nährstoffe das Glücksgefühl fördern können.
Es klingt so einfach: Wenn wir nur die richtigen Lebensmittel auf dem Teller haben, geht es uns besser. Stimmt das wirklich? Kann man sich glücklich essen? Wir zeigen die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse, welche Ernährung unser Wohlbefinden steigert und welches Essen uns die Stimmung vermiest. Wie kommt das Glück vom Darm ins Hirn? Und sind Bananen und Schokolade wirklich so gut für uns? Anna Küch widmet sich genussvoll diesen Fragen. Autorin: Anna Küch (BR 2025)
Credits
Autorin dieser Folge: Anna Küch
Regie: Sabine Kienhöfer
Es sprachen: Katja Amberger, Katja Schild und Peter Veit
Technik: Heiko Hinrichs
Redaktion: Iska Schreglmann
Im Interview:
- Dr. Matthias Riedl, Internist, Diabetologe, Ernährungsmediziner
- Prof. Dr. Martin Smollich, Ernährungsmediziner am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
- Prof. Dr. Lars Libuda, Ernährungs-wissenschaftler Universität Paderborn
- Fabienne Sitri, Köchin Provence
- Salvatore Romano, Koch und Feinschmecker Sizilien
- Toni Mörwald, Sternekoch Österreich
- Lorenzo, ehemaliger Koch, Treviso
Linktipps:
Ernährungsmedizinblog von Martin Smollich
Buch von Matthias Riedl: „Iss deine Psyche gesund.“
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
Sprecherin:
Mitten in der Provence in einem kleinen Dorf serviert Fabienne Sitri frischgebackenes Brot. Es ist noch warm und dampft. Dazu gibt es Olivenöl aus dem eigenen Anbau. Es folgen Kürbisgemüse und selbstgemachte Gnocchi. Die Köchin hat sich in einem alten Schafstall ein kleines Paradies eingerichtet, sie veranstaltet Kochkurse, bewirtet Gäste oder empfängt zum Tee.
O-TON 2 Fabienne Sitri
„Here in my place you will only find local products. Its all doing by myself with my hands. Because the hands are the hearts and its important to put love in your food too.“
Overvoice-Sprecherin
„Bei mir findest du nur lokale Produkte. Ich habe alles selber gemacht mit meinen eigenen Händen. Für mich sind die Hände direkt mit dem Herzen verbunden und es ist wichtig, Liebe ins Essen zu stecken.“
Sprecherin:
Gute Lebensmittel und gutes Essen machen glücklich, davon ist die Köchin überzeugt. Und sie zeigt schon Kindern, wie sie selbst kochen und genießen können:
O-TON 3:
„Everybody has this knowledge inself. But little by little this knowledge come up and we can make and share about this knowledge but its a origin knowledge.“
Overvoice-Sprecherin :
„Eigentlich hat jeder dieses Wissen in sich. Die meisten haben es verlernt. Ich helfe den Menschen, es Stück für Stück wiederzuentdecken. Es ist ein uraltes Wissen.“
Atmo: Gläserklirren, Besteck, zum Wohl.
Sprecherin:
Es klingt so einfach. Wenn wir nur die richtigen Lebensmittel auf dem Teller haben, geht es uns besser. Ist es wirklich so einfach? Kann man sich einfach glücklich essen?
O-TON 4 Matthias Riedl
„Ja, das kann man unbedingt. Derzeit haben wir aber eher noch in Deutschland. Das Gegenteil. Wir essen uns unglücklich, und man sieht es auch daran, dass ein Drittel der Bevölkerung, also jeder dritte, psychisch krank ist. Wir haben eine Abnahme der Empathie seit den 90er-Jahren, das ist messbar. Angsterkrankungen nehmen zu. Ich glaube, das merkt auch jeder in seinem Umfeld. Und ja, das hat auch was mit der Ernährung zu tun. Und das kann man ändern. Man kann sich genauso wieder glücklich essen.“
Sprecherin:
Sagt Dr. Matthias Riedl. Er ist Ernährungsmediziner und Diabetologe. Sein jüngstes Buch heißt: „Iss deine Psyche gesund“.
O-TON 5 Matthias Riedl:
„Wir wissen aus den Studien, das beispielsweise Obst und Gemüse, das Depressions- und das Angstrisiko signifikant senken. Wer also viel davon isst - und da muss man sagen viel hilft viel - der hat ein geringeres Depressions- und Angststörungsrisiko. Das sollte man nutzen. Als zum Beispiel Kerne und Nüsse sind für uns eine total wichtige Quelle von Glück, sage ich jetzt mal so plakativ. Kürbiskerne beispielsweise unterstützten die Serotonin Produktion bei uns im Körper, und das sind ja bekanntermaßen die Glückshormone.“
Musik: Make believe
Sprecherin:
Auch Tomaten, Bananen oder Schokolade enthalten die Aminosäure Tryptophan, aus der unser Körper Serotonin bauen kann, das auch als Glückshormon bezeichnet wird.
Also her mit diesen Lebensmitteln und schon sind wir glücklich? Ganz so einfach ist es nicht. Denn die Inhaltsstoffe unserer Nahrung landen ja nicht direkt und ungefiltert im Gehirn. Wie kommt das Glück also vom Bauch in den Kopf? Dafür interessieren sich immer mehr Wissenschaftler:
O-TON 6 Riedl
„Wir haben in den letzten Jahren vielmehr Kenntnisse bekommen, wie der Darm und das Gehirn zusammenarbeiten, und zwar in beide Richtungen, wobei der Darm mehr als 80 Prozent der Kommunikation ausmacht als das Gehirn. Wir haben eine große Datenautobahn, den Nervus vagus, und über den laufen die Informationen hoch und runter. 80 Prozent der Informationen kommen vom Darm. Der Darm hat also dem Gehirn einiges mitzuteilen. Und entsprechend sind auch die Auswirkungen des Darms auf unsere Psyche groß.“
Sprecherin:
Die Darmflora ist an unsere Stimmung gekoppelt, sagt Matthias Riedl. Je nachdem, was wir essen, bilden die Darmbakterien verschiedene Substanzen, die direkt über den Vagusnerv oder indirekt über Botenstoffe mit dem Hirn kommunizieren. Womöglich können die Bakterien sogar selbst den Stoff Dopamin herstellen, der fürs Wohlbefinden sorgt. Das ist aber noch nicht nachgewiesen.
O-TON 7 Matthias Riedl:
„Und das gipfelt darin, dass die guten Darmbakterien in der Lage sind, das Kuschelhormon Oxytocin zu produzieren. Also das Hormon, das wir vermehrt im Blut haben, wenn wir gestreichelt werden, wenn wir Geborgenheit und Nähe spüren.“
Sprecherin:
Viel wird in diesem Feld geforscht. Rund 100 Billionen Mikroorganismen leben in uns. Jeder Mensch hat andere Darmbakterien.
O-TON 8 Matthias Riedl:
„Und die Darmflora, das wissen wir heute ganz genau, lebt in einer Symbiose mit uns. Das heißt, wir geben den Darmbakterien eine Heimat, und dafür produzieren sie für uns sehr, sehr wichtige Substanzen. Und da kommt natürlich dann die große Frage was geben wir denen denn zu essen? Und da schließt sich der Kreis wieder, natürlich auch zu Obst und Gemüse. Ja, diese Bakterien brauchen Ballaststoffe, die ernähren sich von Ballaststoffen. Die sind für uns zwar auch gesund, aber für die Bakterien im Darm sind sie lebenswichtig. Und daraus stellen diese Darmbakterien die Substanzen her, die wir brauchen. Die gehen zum Teil sogar bis ins Gehirn, helfen Nervenzellen zu reparieren, wirken antientzündlich und natürlich wie gesagt auch können auch unsere Laune verbessern.“
Atmo Essen Italien, Töpfeklappern
MUSIK: Love Tarantella
Sprecherin:
Jemand, der gut gelaunt in seiner Küche steht, ist Salvatore Romano. Der Tisch in dem sizilianischen Dorf Graniti ist gedeckt mit verschiedenen Antipasti. Käse, selbstgemachte Blutorangenmarmelade. Auf dem Herd duftet es verführerisch aus weiteren Töpfen:
O-TON 9 Salvatore Romano:
„Das ist die Sauce. Die Datteltomaten im Meerwasser mit Schwertfisch.“
Sprecherin:
Salvatore Romano ist begeisterter Koch, er isst und trinkt leidenschaftlich gern und vertreibt sizilianische Feinkost.
O-TON 10 Salvatore Romano
„Also Essen macht grundsätzlich glücklich. Und ich glaube, Essen verbindet vor allem. Und mit dem Essen kannst du Geschichten austauschen. Und es so schön, wenn man über Essen sprechen kann und es auch genießen kann.
Das ist ein bisschen, die Banane schälen und das immer das Schönste dann rauskommt oder wie die Artischocke essen bis zum Herz.“
Musik: Rosa y clavel
Sprecherin:
Gegenstand der Forschung ist immer wieder die sogenannte mediterrane Diät. Also das, was vor allem in Ländern rund ums Mittelmeer auf dem Speiseplan steht. Viel Gemüse, Salat, frisches Obst, Nüsse, Hülsenfrüchte, wenig Fleisch - dafür viel kalt gepresstes Olivenöl. Wichtig ist dabei, dass die Zutaten frisch sind.
Die mediterrane Küche soll das Wohlbefinden nachweislich steigern, sagt auch Professor Lars Libuda, Ernährungswissenschaftler an der Universität Paderborn.
Er untersucht, welchen Einfluss die Ernährung auf eine Depression hat.
O-TON 11 Lars Libuda
„Es ist bisher noch Forschung, die so ein bisschen in den Kinderschuhen steckt. Aber es hat sich gezeigt, dass es positiv ist, auf Fett und zuckerreiche Produkte zu verzichten, auf Junkfood zu verzichten, auf der anderen Seite ballaststoffreiche nährstoffdichte Lebensmittel zu bevorzugen, insbesondere Gemüse zu bevorzugen. Das haben Metaanalysen gezeigt. Das war der gemeinsame Ansatz aus diesen bisherigen Studien. Und das ist die bisher vorsichtige Quintessenz, wir müssen sicherlich weiter forschen.“
Musik: Chain reaction (reduced)
Sprecherin:
Vor allem die australische SMILES Studie (ausgesprochen: engl. Smiles) hat 2017 von sich reden gemacht.
Untersucht wurden 67 Menschen mit einer Depression. Die eine Gruppe aß mediterran und bekam eine Ernährungsberatung, die anderen machten wie gewohnt weiter. Nach drei Monaten hatten sich die depressiven Symptome bei der ersten Gruppe signifikant verbessert. Das heißt, die Ernährung hatte offenbar einen Einfluss auf die Stimmung. Ein vielversprechender Ansatz, sagt Forscher Lars Libuda. Aber: Die Gruppe war klein und das Thema Depression ist komplex.
O-TON 12 Lars Libuda
„Also der Effekt der Ernährung auf die Depression. Ich würde ihn nicht überbewerten. Es ist sicherlich nicht so, wenn Sie depressiv sind, dass Sie die Depression komplett mit einer Ernährungsumstellung heilen. Davon würde ich jetzt erst mal nicht ausgehen. Das mag im Einzelfall so sein, aber das kann man im Durchschnitt nicht erwarten. Das kann nur eine Ergänzung sein. Wie gesagt, diese eine Studie ist sehr ermutigend, aber das muss dann auch erst mal wieder reproduziert werden. Da müssen wir schauen, was sich dann in der Praxis tatsächlich nachher zeigt.“
Sprecherin:
Mehr Studien gibt es dazu, was einzelne Nährstoffe bewirken. Vitamine haben eine wichtige Funktion in Stoffwechselprozessen und helfen dem Körper bei der Herstellung der Botenstoffe Dopanim und Serotonin. Unter anderem Vitamin D.
O-TON 13 Libuda
„Wenn Sie mit diesen Nährstoffen wirklich unterversorgt sind, könnte das negative Auswirkung auf ihre Stimmung haben. So könnte man, wenn man den Mangel behebt, das dann wieder ausgleichen. Aber es ist eben nicht so, wenn sie schon gut versorgt sind und dann nochmal eine Extradosis Vitamin D nehmen, dass es ihnen dann besser geht und das das ein totaler Stimmungsaufheller ist.“