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Intro
In diesem Kapitel wird das Konzept des Embodiment behandelt, das die Wechselwirkungen zwischen Körperhaltung und Psyche beleuchtet. Besonderes Augenmerk liegt auf der Wirkung von Power-Posing auf das Selbstbewusstsein und der Diskussion über die wissenschaftlichen Grundlagen dieses Themas.
Sich aufrecht hinzustellen und sich groß zu machen verbessert unser Selbstbewusstsein - das behaupten Studien in der Psychologie, die sich auf die Embodiment-Theorie stützen. Aber stimmt das überhaupt? Wie viel Einfluss hat der Körper wirklich auf Denken und Psyche? Autorin: Rebecca Ricker
Credits
Autorin dieser Folge: Rebecca Ricker
Regie: Kirsten Böttcher
Es sprachen: Xenia Tiling, Johannes Hitzelberger
Technik: Simon Lobenhofer
Redaktion: Nicole Ruchlak
Im Interview:
Prof. Thomas Fuchs, Universität Heidelberg
Prof. Lena Kästner, Universität Bayreuth
Dr. Robert Körner, Universität Bamberg
Und noch eine besondere Empfehlung der Redaktion:
mdr wissen Artikel: ein Update zur Eplikationskrise HIER
Literatur:
Thomas Fuchs: Verteidigung des Menschen - Grundfragen einer verkörperten Anthropologie: Fuchs hat das Buch als Antwort auf die Bedrohung des Menschenbildes durch Künstliche Intelligenz geschrieben. Er glaubt, was uns ausmacht und von Maschinen unterscheidet, ist, dass wir Lebewesen mit Körper sind.
George Lakoff und Mark Johnson: Metaphors We Live By: Ein radikaler Ansatz zum Thema Embodiment, der annimmt, selbst unsere Sprache ist verkörpert. Der Ansatz war prägend für das Thema „Framing“, was heute in politischem Aktivismus eine große Rolle spielt.
Francisco J. Varela, Evan Thompson und Eleanor Rosch -The Embodied Mind: Cognitive Science and Human Experience: Ein Standdardwerk zu Embodiment, das Verbindungen zwischen Kognitionswissenschaften, Buddhistischer Meditation, Philosophie und Psychologie zieht.
Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.Radiowissen finden Sie auch in der ARD Audiothek:
ARD Audiothek | Radiowissen
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
Sprecherin:
Stellen Sie sich vor, Sie haben gleich eine Gehaltsverhandlung mit Ihrer Chefin. Sie sitzen in ihrem Büro, in 10 Minuten ist der Termin. Sie sind nervös, Ihre Hände sind feucht und Ihr Herz schlägt schneller als sonst. Gibt es hier einen Tipp, damit Sie sich besser fühlen? Das sogenannte Power Posing verspricht eine schnelle Lösung:
Musik 2: Main Titles (superman) - 44 Sek
Sprecher:
Gehen Sie ins Badezimmer und nehmen Sie eine Haltung ein wie Wonder Woman oder Superman: Stellen Sie sich aufrecht hin, die Beine hüftbreit auseinander, Brust raus, Schultern zurück, Kinn hoch und stemmen Sie die Fäuste in die Taille. Halten Sie die Pose für ein bis zwei Minuten.
Sprecherin:
Power Posing soll selbstbewusster machen, die Risikofreudigkeit erhöhen und sogar Ihren Hormonhaushalt verändern: Die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol soll zurückgehen und der Testosteronspiegel steigen. Musik aus
Das war jedenfalls das Ergebnis einer Studie, die 2010 von Wissenschaftlern der Harvard- und der Columbia-Universität veröffentlicht wurde.
Sprecher:
Das Ergebnis erregte viel Aufmerksamkeit: Das Video, in dem die Wissenschaftlerin Amy Cuddy die Studie vorstellte, bekam 24 Millionen Aufrufe auf der Videoplattform Youtube. Cuddy verspricht, dass kleine Tricks – zum Beispiel eine Machtpose für zwei Minuten zu halten - riesigen Einfluss auf das Leben haben können. Seither haben sich Power Posen etabliert als Übung für Selbstbewusstsein und gegen Stress – Influencer sprechen davon und selbst eine deutsche Krankenkasse empfiehlt auf Ihrer Website, Power Posen einzunehmen.
Musik 3: Psyching up – 47 Sek
Sprecherin:
Schon lange geht man davon aus, dass die Psyche Einfluss auf den Körper hat. Dass der Körper aber auch Einfluss auf die Psyche und das Denken hat, dass Körper und Geist insgesamt nicht so klar getrennt werden können, ist umstrittener. Diese Ideen sind immer wieder in die Kritik geraten. Ist den Ergebnissen überhaupt zu trauen? Wie sehr kann der Körper Psyche und Denken beeinflussen?
Damit beschäftigen sich Wissenschaftler vieler Disziplinen unter dem Stichwort “Embodiment”, auf Deutsch: Verkörperung. Der Psychiater und Philosoph Professor Thomas Fuchs von der Universität Heidelberg - erklärt das Konzept:
1_FUCHS_NICHT ÄUSSERLICH:
[00:05:40] Das umfassende Prinzip ist, dass unser Körper unserem Erleben, unserem Bewusstsein nicht sozusagen äußerlich ist. Dass er nicht einfach ein Trägerapparat ist, den wir brauchen, damit wir eben denken, wahrnehmen, fühlen, handeln können, sondern dass all diese Prozesse, immer dem Körper als Ganzem, das heißt dem Organismus zugeschrieben werden müssen. All unsere bewussten Erlebnisse und Handlungsweisen sind verkörpert, das heißt, sie sind Handlungsweisen, Erlebnisweisen des ganzen Körpers. [00:06:36][56.9]
Sprecherin:
Die Idee ist also: Denken und Fühlen laufen nicht nur im Gehirn ab, der ganze Körper ist daran beteiligt. Körper und Geist beeinflussen sich gegenseitig und sind untrennbar verbunden.
Das ist die Grundannahme, auf der das Konzept von „Embodiment“ basiert. Um dieses Konzept besser zu verstehen, hilft es, wenn man sich alternative Theorien dazu anschaut, wie Körper und Geist zusammenwirken.
Musik 4: La Cherou – 40 Sek
Sprecher:
In der Philosophie wurde diese Frage seit Jahrhunderten unter dem Begriff des Leib-Seele-Problems diskutiert. Überlegungen dazu gab es schon in der Antike, aber der erste, der die Frage explizit formulierte, war der französische Philosoph René Descartes im 17. Jahrhundert.
Er glaubte, Denken habe eine grundsätzlich andere Substanz als der Körper. Unser Geist sei eine immaterielle Innenwelt, die unabhängig vom Körper funktioniere.
Sprecherin:
Laut Thomas Fuchs diente die jeweilige Technik der Zeit immer wieder als Metapher um zu erklären, wie das Denken funktioniert:
2_FUCHS_DESCARTES
[00:13:06] Bei Descartes finden Sie, dass er versucht, das, was im Gehirn vorgeht, mit den automatischen Wasseranlagen in den Versailler Gärten in Verbindung zu bringen. [00:13:31] Und diese Wasserspiele stellte er sich vor, sind sozusagen ein Prinzip, das uns erklären kann, wie im Gehirn die die Nervenströme so laufen, dass sie uns in bestimmte Bewegungen bringen. Das war ein sehr primitives technisches Vergleichsmodell. Später hat man dann die, denen die Radiowellen oder die Fotografen fotografiert, die die öffentliche Fotografie als Grundlage für zum Beispiel Gedächtnisprozesse im Gehirn angesehen. [00:14:03][31.8]
(([00:14:03] Also sie finden über die Zeit hinweg immer wieder die Nutzung von jeweils neuester Technik, um sie als Modell für das Gehirn Verständnis zu verwenden. [00:14:14][11.3]))
Musik 5: Happy little robots – 33 Sek
Sprecherin:
Prägend für unsere Vorstellung vom Gehirn war besonders eine Erfindung aus den 1940er-Jahren: der Computer.
Sprecher:
Es lassen sich viele Parallelen zwischen dem Gehirn und einem elektronischen Rechner, dem Computer ziehen: Genau wie ein Computer verarbeitet das Gehirn Daten. Es bekommt einen Input und gibt als Reaktion darauf einen Output. Diese Vorstellung, dass unser Gehirn wie ein Computer arbeitet, nennt man Funktionalismus. Und das hat weitreichende Konsequenzen: Wenn das Gehirn das elektronische Gerät ist, dann – so die Überlegung – könnte das Denken die dazugehörige Software sein.
3_FUCHS_SOFTWARE:
[00:16:25] Software kann beliebig realisiert werden, im Gehirn oder in einem anderen Substrat. Man könnte also die Prozesse, die bei uns im Gehirn ablaufen, genauso gut auf einem Computer ablaufen lassen. Denn entscheidend ist dann nur die Informationsverarbeitung.
Musik 6: 1.0_6-leavem3here.flac - 54 Sek
Sprecherin:
In dieser Vorstellung haben das Gehirn und der Körper allgemein keinen Einfluss aufs Denken, er ist nur zufälligerweise die Hardware, auf der die Software “Denken” abgespielt wird.
Für die Forschung an Künstlicher Intelligenz, die in den 50er-Jahren begann, bedeutete das: Wir müssen nur die Regeln des menschlichen Denk-Algorithmus auflisten und dann kann die Software menschlichen Denkens bald auch auf einer Maschine laufen. Wissenschaftler planten, eine Künstliche Intelligenz in wenigen Jahren zu entwickeln. Doch daraus wurde erstmal nichts. Und die Theorie vom Gehirn als Computer zeigte bald Schwächen:
4_FUCHS_BIOLOGISCHE:
[00:16:42] Alles Biologische, alle Prozesse, in denen Biochemie, analoge, also nicht digitale Prozesse ablaufen im Körper, die wurden gewissermaßen ausgeblendet. Und man hat das Gehirn eben nur als ein funktionales System gesehen, in dem Input und Output so ähnlich wie bei einem Computerprozessor verarbeitet und in zur verarbeitet werden und dann zum Output führen. [00:17:12][30.0]
Musik 7: Lost coda – 56 Sek
Sprecherin:
Ein Beispiel: Im Computer können wir Daten speichern. Wenn wir sie wieder brauchen, sind die Dateien noch genauso, wie wir sie abgelegt haben. Bei unserem Gehirn funktioniert das ganz anders: Wenn wir uns erinnern, werden Daten nicht abgelegt, sondern Reaktionsmuster werden immer in leicht veränderter Form wieder aktiviert.
Sprecher:
Genauso wenig wie das Denken funktionieren unsere Gefühle wie eine Software. Ein Computer fängt nicht an, plötzlich zu hüpfen, mehr Wärme auszustrahlen oder effizienter zu arbeiten, weil er zum Beispiel gerade dabei ist, ein Problem zu lösen. Wir aber fühlen nicht nur im Geist, sondern unser ganzer Körper ist beteiligt: Wir schwitzen mehr, unsere Mimik, unsere Haltung verändert sich.
5_FUCHS_AUSDRUCK STILLSTELLEN:
[00:08:57] Man kann gewissermaßen den körperlichen Ausdruck still stellen, bewusst unterdrücken. Dann sind die Gefühle sozusagen nicht mehr sichtbar. Aber sie sind natürlich trotzdem im Körper spürbar, die Schweißsekretion können Sie merken, dass der Körper physiologisch sich verändert, wenn er in Angst gerät. Das ist das Prinzip des Lügendetektors übrigens.
Sprecherin:
Der Körper ist nicht nur bei emotionalen, sondern auch bei kognitiven Prozessen beteiligt:
6_FUCHS_ALLE WORTE:
[00:10:24] Alle Worte, die zum Beispiel Tätigkeiten beinhalten, die ich, die wir benutzen, etwa wenn wir die Worte „lecken“ oder „strecken“ oder „schlagen“ verwenden, dann ist nachgewiesen, dass diese Worte in uns so etwas aufrufen wie die Tätigkeit, die körperlich dabei stattfinden würde, wenn ich lecke, mich strecke oder zuschlage, nicht? Da sind, da werden die Areale im Gehirn aktiviert, die zu diesen Tätigkeiten gehören. Das heißt schon da wird deutlich, dass der Körper auch in der Sprache immer mit aktiviert wird, immer mitläuft, sozusagen. [00:11:10][46.4]
Sprecherin:
Körper und Denken, Körper und Gefühle sind nicht voneinander unabhängig. Diese Erkenntnisse wurden in vielen Disziplinen aufgegriffen und sie befeuerten ab den 1980er- Jahren eine Forschung unter dem Stichwort „Embodiment“.
Musik 8: Psyching up – siehe vorn – 1:06 Min
Sprecher:
Ein populäres Konzept in der Embodiment-Forschung ist die Facial-Feedback-Hypothese: Die Annahme ist, dass die bloße Aktivierung von Gesichtsmuskeln Einfluss auf unsere Gefühle hat.
Um das zu beweisen, hat der deutsche Psychologe Fritz Strack Ende der 1980er-Jahre ein Experiment durchgeführt, das sehr bekannt geworden ist: Die Versuchspersonen mussten einen Stift entweder zwischen den Zähnen oder über der geschürzten Oberlippe halten. Die Kontrollgruppe hielt den Stift hingegen einfach in der Hand. Wenn man einen Stift quer zwischen den Zähnen hält, werden Muskeln aktiviert, die auch beim Lächeln beteiligt sind. Die Zähne-Gruppe lächelte also automatisch bei dem Versuch. Wenn man einen Stift auf der Lippe hält, kann man hingegen nicht lächeln.
Dann mussten die Probanden Comics angucken. Abgefragt wurden zwei Dinge: Zum einen, wie sich die Versuchspersonen fühlten. Zum anderen, wie lustig sie die Comics fanden.
Sprecherin:
Das Ergebnis der Studie war: Die Gruppe, die den Stift zwischen den Zähnen hielt, also automatisch lächelte, fühlte sich besser und fand die Comics lustiger, als die Kontrollgruppe, die den Stift nur in der Hand hielt. Und die Gruppe, die durch den Stift auf der Lippe nicht lächeln konnte, fühlte sich am schlechtesten und fand die Comics am wenigsten lustig. Aus diesen Beobachtungen schloss man, dass die bloße Aktivierung beim Lächeln uns glücklicher macht.
Musik 9: C-5 Galaxy – M0087633Z00 – 49 Sek
Sprecher:
Derartige Erkenntnisse aus der Psychologie sorgten auch für Forschung zum Thema Embodiment in anderen Disziplinen, zum Beispiel in der Pädagogik: So zeigte eine Studie der Universität Erlangen, dass eine aufrechte Körperhaltung Kreativität fördert.
Sprecherin:
Die Ergebnisse erregten viel Aufmerksamkeit, wie auch die anfangs erwähnte Studie zum Power Posing. Schauen wir uns diese Studie über das Power Posing nochmal genauer an. Die Forscher suchten dabei Effekte in drei Bereichen. Der Psychologe Dr. Robert Körner von der Universität Bamberg beschreibt die drei Bereiche, die die Studie von 2010 untersuchte:
7_KÖRNER_ZUM EINEN: [00:01:14]
Zum einen, wie es wirkt auf die Psyche, also das ist die Stimmung. Fühlt man sich positiver oder negativer, ist man selbstbewusster, ist man eben glücklicher. Also das nennen wir alles dann die Wirkung auf psychologische Variablen. Dann, was Sie angesprochen haben, die Physiologie. Also wie wirkt das auf zum Beispiel Hormone, auf Hautleitfähigkeit, auf Herzrate? Und dann gibt es gibt es noch das Verhalten. Also bin ich prosozialer, antisozialer? Bin ich mehr handlungsorientiert, das heißt initiieren wir eher neue Handlungen, Aktionen, Verhaltensweisen. Ob das das eben auch beeinflusst, da wurde oft Risikofreudigkeit untersucht, ob man in bestimmten simulierten Glücksspielen zum Beispiel risikofreudiger ist. [00:01:59][45.0]
Sprecherin:
Die Studie machte in der wissenschaftlichen Community die Runde, weil Effekte nicht nur auf den ersten Bereich, also die Psyche, gefunden wurden. Es zeigten sich auch Effekte auf das Verhalten und auf den Körper.
8_KÖRNER_DAS WAR ERSTMAL WOW: [00:02:24]
wenn man einfach solche raumeinnehmenden Körperhaltung einnimmt für 1 bis 2 Minuten, dass das dann im Vergleich zur einer eher submissiven Körperhaltung, also wenn man sich ziemlich klein macht, eher zusammengezogen sind, eine schlechte Körperhaltung hat, dass das eben Machtgefühl erhöht. Man wird risikofreudiger dadurch, der Testosteronspiegel steigt an und der Cortisolspiegel sinkt. Also wir haben Veränderungen auf psychischer, auf Verhaltens und auf physiologischer Ebene. Und das war erst mal wow. [00:02:57][32.3]
Sprecherin:
Der Effekt ist also noch größer, da er nicht nur auf der subjektiven, psychischen Ebene auftritt - sondern auch auf der physiologischen, zum Beispiel durch Veränderungen bei den Hormonen. Deswegen sorgte die Studie auch für viel Aufruhr in der Forschung.
Musik 10: Mean Motive – Z8021994113 – 1:21 Min
Sprecherin:
Doch kurz danach erschütterte eine Diskussion die Psychologie-Welt:
Sprecher:
In empirischen Wissenschaften wie der Psychologie macht man immer wieder sogenannte Replikationsstudien. Indem man ein Experiment, eine Studie nachstellt, überprüft man, wie zuverlässig das Ergebnis der Studie ist. Aber in den frühen 2010er-Jahren kamen bei derartigen Kontrollen Probleme auf: Viele Ergebnisse diverser psychologischer Studien waren nicht reproduzierbar: Man hat Experimente nachgestellt und nicht dasselbe Ergebnis erhalten. Daraufhin gab es eine Welle von Replikationsstudien. Dabei wurde das Ausmaß der Replikationskrise deutlich: Das Problem betraf nicht nur einzelne psychologische Studien, sondern schätzungsweise die Hälfte aller Ergebnisse war betroffen.
In der Kritik waren dabei auch viele Ergebnisse der Embodiment-Forschung, zum Beispiel dass die bloße Muskelbewegung des Lächeln uns glücklich macht. Oder eben, dass das anfangs erwähnte Power Posing uns selbstbewusster werden lässt.
Sprecherin:
Wie verlässlich sind die Ergebnisse also? Welchen Studien kann man überhaupt noch trauen? (Musik aus)
Um das in Bezug auf Power Posen zu klären, führte der Psychologe Robert Körner Experimente durch, in denen der Effekt von Machtposen untersucht wurde - auf das Selbstbewusstsein, das Verhalten und physiologische Faktoren wie den Hormonhaushalt und die Herzfrequenz. Außerdem veröffentlichte er eine Metastudie zum Thema Power Posing.
9_KÖRNER_UND DA HABEN WIR GEFUNDEN:
[00:04:24] Und da haben wir gefunden so eine Übereinstimmung auch mit unseren Studien, mit dem Selbstwert, dass es eben auf psychische Variablen wirkt, dass man nach Körperhaltung selbstbewusster drauf ist, wie man eben dominante Körperhaltung einnimmt oder die positiven Emotionen mehr erlebt. [00:04:40][15.8]
Sprecherin:
Einen Einfluss auf die Psyche gab es also doch! Der Einfluss aufs Verhalten hingegen war schwächer und weniger eindeutig als früher angenommen, mal gab es Effekte, mal gab es keine. Körner meint, dass das davon abhängen könnte, was genau man untersucht: Dass man sich mit einer dominanten Körperhaltung risikobereiter verhält, stimmt wohl nicht. Möglicherweise agiert man aber generell handlungsorientierter und aktiver.
Sprecher:
Und was ist mit den physiologischen Effekten?
10_KÖRNER_AUSSER IN DER ORIGINALSTUDIE: [00:04:40] Also es konnte danach eigentlich außer in der Originalstudie von 2010 nie wieder gezeigt werden, dass da der Testosteronspiegel ansteigt, der Cortisol Spiegel sinkt. ((Also physiologische Veränderungen, insbesondere Hormonprofile, verändern sich eben nicht durch kurzen Körperhaltungsintervention.))[00:04:59][19.7]
Musik 11: Psyching up – siehe vorn – 32 Sek
Sprecherin:
Zusammengefasst also: Power Posing hat einen Effekt - aber nur auf die Psyche. Damit ist die Wirkung also lange nicht so stark wie anfangs angenommen. Bei der Facial-Feedback-Hypothese – die Hypothese, die im Rahmen der Bleistift-Studie aufgestellt wurde -, ist der Fall wohl ähnlich wie beim Power Posing: Es gibt einen Effekt, aber er ist schwächer als ursprünglich vermutet, sagt Thomas Fuchs, Philosoph und Psychiater von der Universität Heidelberg:
11_FUCHS_FORSCHUNGEN VON STRACK: [00:42:12]
Die Forschungen von Strack zur Rückwirkung des Lächelns, auf also einer Lächelhaltung auf die Bewertung von Situationen – also „Fühlt man Situationen als angenehmer oder lustiger?“ oder „Fühlt man sich besser, wenn man ein Lächeln einnimmt?“ sind zumindest so weit repliziert, dass man sagen kann, das subjektive Gefühl des Sich-besser-, Sich-anders-fühlens das lässt sich schon nachweisen. [00:42:57][44.9]
Sprecher:
Was sich aber nicht immer reproduzieren ließ, war die Bewertung der Situation, also die Frage, wie die Probanden die Comics bewerteten, die sie sich anguckten. Das könnte laut Fuchs aber auch damit zusammenhängen, dass die Originalstudie vielleicht nicht ganz genau nachgestellt wurde: Wenn zum Beispiel eine Kamera statt eines Menschen die Versuchsperson beobachtet, könne das den Effekt verringern. Insgesamt zeige die Replikationskrise, dass man vorsichtig mit den Ergebnissen umgehen müsse, so Thomas Fuchs. Er ist aber trotzdem sicher, dass die Theorie von Embodiment grundsätzlich stimmt:
12_FUCHS_EINE SOLCHE FÜLLE:
[00:40:47] Es gibt eine solche Fülle von Befunden zu diesem Zusammenhang, also der Rückwirkung von Körperhaltungen, Körpererleben, Körperausdruck auf unsere Gefühle und auf die Bewertungen, auf die Wahrnehmung von emotionalen Situationen, dass wir sicher nicht sagen können, dieses Prinzip der Verkörperung ist an dieser Stelle sozusagen widerlegt oder gescheitert. [00:41:18][31.8]
Sprecher:
Das Konzept des Embodiments hat also die Replikationskrise überstanden - in der Psychologie ist es anerkannt. Und selbst in der Computerwissenschaft – die ja geprägt ist durch die Gehirn-als-Computer-Metapher – spielt Embodiment mittlerweile eine Rolle. Das sagt Lena Kästner, Professorin für Philosophie, Informatik und Künstliche Intelligenz.
13_KÄSTNER_ROBOTIKER: [00:03:08]
Wenn Sie mit einem Robotiker oder einer Robotikerin sprechen, da bin ich mir sehr sicher, dass die Embodiment für essenziell halten werden. Denn in der Robotik geht es ja gerade darum, dass wir computationale Prozesse mit Robotern vereinfachen können, dass wir die ein Stück weit auslagern können in die Umwelt und dadurch effizientere Verarbeitungsprozesse haben. [00:03:39][31.3]
Sprecher:
Als Beispiel nennt sie den Roboter Herbert:
14_KÄSTNER_HERBERT: [00:03:39]
Herbert war ein Roboter, den MIT-Forscher gebaut haben. Es war einer der der ersten Roboter, die sich frei daran im Lab herum bewegt haben. Und Herberts Aufgabe war, Coladosen einzusammeln. Und die große Revolution von Herbert gegenüber früheren Robotern war, dass Herbert keine Karte der Labor hatte, sondern Herbert ist einfach losgelaufen und wann immer er ein Hindernis getroffen hat, hat er halt die Richtung gewechselt und er ist halt so durchgelaufen, hat irgendwie die Umgebung exploriert, hat die Labore quasi so nach und nach abgesucht nach Coladosen, die er dann einsammeln konnte. Und auch das Sammeln der Coladose läuft dann über Feedback zwischen Robotern und Umwelt. Also er „sieht“ die Coladose, streckt den Arm aus, greift. Und natürlich braucht es auch da wieder das Feedback, ähnlich wie beim natürlichen Greifprozess, wenn man das jetzt mal so bezeichnen möchte. Auch da spielt ja Feedback halt eine essenzielle Rolle, habe ich ja eben beschrieben. Und auch bei Herbert spielt das eine wichtige Rolle, dass er halt über die Coladosen kann ja unterschiedlich groß sein. Vielleicht sind sie schon verbogen, haben eine etwas andere Form, vielleicht ist noch ein Rest drin, sie schwerer und das wird halt über die Sensoren dann dynamisch angepasst. [00:05:13][94.3]
Sprecher:
Der Roboter Herbert lernte also durch die Interaktion mit der Umwelt. Indem er dadurch seine Motorik anpasste, erfüllte er seine Aufgaben besser. Das Konzept des Embodiments findet auch in der Informatik seine Anwendung
15_KÄSTNER_RIESENTHEMA:
[00:05:13] Und ich denke, wenn man also sofern man das als Informatik bezeichnet und sofern man sich diese Anwendungsform der Informatik anschaut, dann ist Embodiment glaube ich ein Riesenthema. [00:05:23][10.3]
Musik 12: C-5 Galaxy – siehe vorn – 55 Sek
Sprecher:
Das Konzept von Embodiment ist heute ein etablierter Teil vieler Wissenschaften, von der Behandlung von psychischen Krankheiten über die Sportwissenschaften bis hin zur Robotik spielt es eine Rolle. In der Zukunft werden wir sicher neue Antworten finden, auf die Frage, die uns seit der Antike beschäftigt: Wie hängen Körper und Geist zusammen?
Sprecherin:
Doch für jetzt gilt: Körper und Geist sind nicht getrennt voneinander: Die Psyche beeinflusst den Körper und der Körper beeinflusst Denken und Psyche. Auch wenn die Effekte wohl geringer sind als angenommen, kann es tatsächlich helfen, sich vor dem nächsten Vorstellungsgespräch groß zu machen und selbstbewusst hinzustellen – oder einfach mal zu lächeln.
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