Speaker 2
habe ich mein erstes Portfolio zusammengestellt. Jetzt möchte ich natürlich wissen, wie bringen mir meine Aktien wann Geld ein?
Speaker 1
Leichter planbar als die Kursentwicklung sind die Dividenden. Da weiß man ungefähr schon immer, in welchen Zeitrahmen welches Unternehmen Dividende bezahlen wird. Sie geben auch in meisten Wochen vorher bekannt, wie hoch diese höchstwahrscheinlich sein wird. Die muss dann noch von der Hauptversammlung, wenn sich alle Aktionäre treffen, einmal jährlich, kann auch öfter sein, aber zumindest einmal jährlich beschlossen werden und abgesegnet werden. Und dann kommt eben dieser regelmäßige Ertrag herein. Das ist ein Teil des gesamten Unternehmensgewinns, wird jedes Jahr immer an die Eigentümer ausgeschüttet. Hängt auch davon ab, wie viel sie sonst auch als Reserven behalten wollen und für Investitionen brauchen in die Zukunft. Der andere Faktor, der natürlich eine mitunter auch große Rolle spielen kann, ist die Kursentwicklung. Die ist wesentlich schwerer vorherzusagen. Darum sind wir wieder bei den Punkten, eingangs erwähnt schon, streuen auf mehrere Aktien und vor allem auch viel Zeit, um Rückschläge wieder aussitzen zu können, wie man so schön sagt. Also halt einfach wartet, bis das wieder aufgeholt ist.
Speaker 2
Muss ich damit rechnen, dass ich am Anfang im Minus bin?
Speaker 1
Durchaus, ja. Das kann durchaus passieren. Es kommen nämlich besonders viele Leute neu an die Börse, wenn die einen langen Lauf gehabt hat. Also sozusagen die letzte Phase einer langen Börsenparty, weil dann spricht sich das herum, dass man da gute Erträge machen kann. Und dann kommen viele Leute, die noch nicht diese Erfahrungen gemacht haben und kommen eben just in einer Phase, wo der Laufwege schon fast zu Ende ist, das Ende der Fahnenstangen auch. Es passiert dann oft eben, dass die Kurse nicht mehr weiter steigen, sondern sogar fallen. Und viele werfen dann auch entnervt wieder das Handtuch und sagen, Aktien sind nichts, das ist Teufelszeug. Weil sie Verluste erlitten haben, das wäre aber dann natürlich der falsche Zugang aus meiner Sicht. Man muss damit rechnen, dass man am Anfang Verluste macht. Es gibt auch den Spruch, ein alter Börsenprofi hat das früher gesagt, der André Kostolani, der ist inzwischen schon länger verstorben, der hat gesagt, an der Börse gibt es noch Schmerzensgeld. Zuerst kommen die Schmerzen, dann das Geld. Soll es heißen, man muss damit rechnen, noch Anfängerfehler zu machen und so weiter, aber das zahlt sich dann auf Dauer aus und kommt danach ins Plus. Kann
Speaker 2
man circa sagen, wie lange diese anfängliche, unter Anführungszeichen, Durststrecke dauert?
Speaker 1
Schwer zu sagen. Es gibt Durststrecken, die sind sehr lang und es gibt andere, die kommen mehr oder weniger blitzartig. Wir haben das zum Beispiel erlebt bei der Corona-Epidemie, wo die Börsen am Anfang aus allen Wolken gefallen sind. Oder es gab auch im Jahr 1987 einen ganz starken Crash an der Wall Street, wo die Kurse um ein Viertel binnen eines Tages gefallen sind. Das kann sich sehr schnell abspielen. Es kann aber auch mehrere Jahre dauern, wie nach den Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000, da ist die Internetwerte zum ersten Mal so hoch geobelt worden. Da hat es dann drei Jahre gedauert, bis das wieder korrigiert wurde. Also das ist dann auch schon recht zermürbend für Anleger. Da gibt es dann dazwischen immer wieder Aufwärtsbewegungen, man hofft, und dann geht es wieder weiter runter und wieder weiter runter. Irgendwann ist die PES aber zu Ende, wie so Phasen heißen, wo die Kurse fallen, und es geht wieder aufwärts. Und es gibt noch eine dritte Möglichkeit, nämlich wie in den 1970er Jahren. Da sind die Aktien wirklich sehr, sehr lange eigentlich zur Seite gegangen. Vom damaligen Höhepunkt 1973 hat es neun Jahre gedauert, bis der Dow Jones neue Höchststände wieder dann erzielen konnte. Und da hat es sozusagen die Zeit war der Korrekturfaktor. Es ist einfach zur Seite gegangen, es gab Inflation und irgendwann waren die Aktien dann aber doch wieder dadurch so billig, dass sie nicht gestiegen sind, dass der Basis für den nächsten Aufschwung gelegt war. Das
Speaker 2
heißt aber, der Traum vom schnellen Geld durch Aktien, gibt es den jetzt wirklich oder ist das einfach nur Glück? Es
Speaker 1
ist auf jeden Fall ein Traum, träumen kann man vieles, aber in Erfüllung geht es dahingestellt. Das gelingt nur, sage ich jetzt, einen von tausend sozusagen und man muss auch ein extremes Risiko nehmen, um das erreichen zu können. Also ich würde auch niemandem empfehlen, das zu versuchen. Aber man kann auf jeden Fall ein bisschen Vermögen sich einfacher aufbauen über die Zeit. Und man unterschätzt auch, was es bedeutet, wenn man zum Beispiel 20 Jahre lang jedes Monat in einen gewissen Betrag investiert. Und zu diesem Anspar-Effekt kommen ja auch noch die Effekte, quasi Kurzgewinne und Dividenden. Und wenn man das wieder reinvestiert, dann kann man da durchaus kein großes, schnelles Vermögen, aber doch einen gewissen Grundstein für sein Leben legen, das man dann später vielleicht gut brauchen kann, wenn man Wohnungen kaufen will, Altersvorsorge etc.
Speaker 2
Stichwort Risiko. Die ÖsterreicherInnen bleiben dem Sparbuch ja sehr treu. Das hast du schon in der ersten Folge von Lohnt sich das erwähnt. War das schon immer so? Es gab
Speaker 1
schon Phasen. Da war die Börse in Österreich, wir reden aber von der K&K, der Monarchie damals noch, sehr groß. Es gab damals 1873 den sogenannten Gründerboom und danach den Gründercrash. Damals, zu dieser Zeit, war der Wiener Aktienmarkt sogar der allergrößte der Welt. Man glaubt das heutzutage kaum mehr, aber Österreich-Ungarn war auch ein sehr großes Land. Da war zuvor der Boom am stärksten. Es kam nämlich dann 1873 auch zur Weltausstellung in Wien. da hat man extreme Fantasien entwickelt und die Aktien unmittelbar nach der Gründung sofort über die Börse an Anleger verkauft, wo noch überhaupt nichts dahinter war. Also es war einfach viel, viel heiße Luft in Wahrheit und das hat sich dann gezeigt. Auslöser war, dass auch die Weltausstellung einigermaßen gefloppt ist. Es gab da Pannen, Dauerregen, einen Cholera-Ausbruch in Wien, das war alles nicht so lustig. Und dann sind auch die Aktien komplett in den Keller gerasselt und wertlos geworden und die Leute haben extrem viel Geld verloren. Und seit damals haben die Aktien hierzulande einen negativen Dreh in der Wahrnehmung der Leute. Es wurde mit Spekulantentum, was auch damals wirklich zu Recht, es war auch so, in Verbindung gebracht. Heutzutage ist aber der Anlegerschutz viel, viel größer und hat sich weiterentwickelt und so weiter. Trotzdem ist die Sintimentalität der Österreicher hängen geblieben und die Wirtschaft ist auch anders bei uns strukturiert als in den USA. Wir hatten viel mehr Bankfinanzierungen für Unternehmen sozusagen und daher haben die Banken auch die Spareinlagen gebraucht, damit sie das Geld dann an die Unternehmen weitergeben können. Daher auch diese starke Sparbuch-Tradition, aber das Sicherheitsbedürfnis, dass man bei Sparbuch eigentlich so leicht nicht so viel verlieren kann. Ich glaube, das spielt schon der österreichischen Seele auch irgendwie, das kommt ja entgegen.
Speaker 2
Es kommt ja aber auch tatsächlich regelmäßig zu Börsencrashs und Spekulationsblasen. Und das ist ja auch das, was den Finanzmarkt so risikoreich macht. Was passiert konkret bei solchen Börsencrashs?
Speaker 1
Bei diesen Börsencrashs ist sozusagen die Entwicklung an der Börse an einem Ende angekommen, nach oben hin. Man kann es auch so sehen, in der Phase während einer Aufwärtsbewegung an den Börsen kommen immer mehr neue Anleger dazu, die investieren und neues Geld hineinbringen lassen. Irgendwann sind mehr oder weniger alle zugänglichen Bevölkerungsgruppen erreicht und es kommt nichts mehr nach. Dann bleibt eigentlich automatisch, wenn die Käufer ausbleiben, die neuen, dann kann es noch abwärts gehen. Ist jetzt ein bisschen simpliziert dargelegt, aber in Wahrheit verhält es sich ähnlich. Und wenn man diesen Höchstpunkt nun erwischt, dann kann es oft zu panikartigen Entwicklungen auch kommen, weil die Leute wirklich Angst um ihr Geld haben und dann versuchen sofort zu handeln, ihr Geld rauszuholen. Und das machen alle gleichzeitig und drücken die Kurse immer tiefer. Darum kann es auch zu ganz, ganz, ganz starken Abwärtsbewegungen kommen. Das nennt man dann eben diese Crash. Andere sind eben auch zeitlich mehr nach hinten gezogen, wo es auch das Anleger und Anlegerinnen zermürbt, einfach wenn sich jahrelang nichts tut. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille, weil das Ganze gibt es nach unten auch. Das heißt, es gibt auch sozusagen Negative Craves, wo Aktien extrem und die Börsen extrem billig sind, das teilweise auch länger anhalten kann. Und irgendwann spricht sich das aber auch herum und die Leute fangen wieder an zu kaufen und merken, die Aktien sind spott und billig. Und dann geht es natürlich entsprechend wieder hinauf. Was
Speaker 2
bedeuten solche Kurseinstürze konkret für AnliegerInnen?
Speaker 1
Ja, das bedeutet, dass man vorübergehend mit Verlusten rechnen muss. Das kommt jetzt darauf an, das kann entweder die ganze Depot ins Minus bringen oder Gewinne, die man vorher gemacht hat, wieder aufzehren. Das ist natürlich psychologisch sehr schwierig auch zu verkraften und trotzdem dabei zu bleiben und konsequent zu bleiben und sich zu sagen, ich habe die Zeit, das geht sich aus.