
Räuber, Köhler, Jagdgehilfen - Der Wald und seine Menschen
Radiowissen
Waldnutzung und Konflikte im Mittelalter
In diesem Kapitel wird die komplexe Beziehung zwischen Menschen und Wäldern im Mittelalter beleuchtet, insbesondere die Regelung der Waldnutzung durch Könige und die Konflikte zwischen Adligen und der einfachen Bevölkerung. Außerdem wird die Rolle von Räubern und historischen Figuren wie Robin Hood thematisiert, die eine romantisierte Sicht auf die Widerstände gegen soziale Ungerechtigkeiten repräsentieren.
Seit es Menschen gibt, ist der Wald für sie von höchster Bedeutung. Er nährt, heilt, wärmt, schützt und bietet alles, was zum Überleben gebraucht wird. Im "hölzernen Zeitalter", das bis ins Jahr 1800 dauert, sorgt die Jagd für proteinreiche Nahrung, und das Holz liefert Brennmaterial sowie den Baustoff für Häuser und Werkzeuge. Von: Thomas Grasberger (BR 2025)
Credits
Autor/in dieser Folge: Thomas Grasberger
Regie: Ron Schickler
Es sprachen: Hemma Michel, Peter Veit
Technik: Daniela Röder
Redaktion: Thomas Morawetz
Im Interview:
- Dr. Joachim Hamberger (Leiter des Bayerischen Amts für Waldgenetik und in Teisendorf , Vorsitzender des Vereins für Nachhaltigkeit e.V.. , Dozent für Forst- und Umweltgeschichte an der TU München sowie der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf).
- Dr. Elisabeth Weinberger (Historikerin, Archivarin und Autorin des Buches „Waldnutzung und Waldgewerbe in Altbayern im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert, 2001),
- Gerhard Redenböck (Harvester-Fahrer aus Hohenlinden),
- Georg und Hans Sojer (+, Holzarbeiter aus Ruhpolding, Interview aus dem Jahr 2011, beide mittlerweile verstorben)
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„Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt, behaart und mit böser Visage“ – mit diesen Worten beginnt Erich Kästner sein satirisches Gedicht über „Die Entwicklung der Menschheit“. Ob sie wirklich so düster dreingeschaut haben, unsere haarigen Vorfahren? Fest steht, dass sie auf Bäumen saßen. Und irgendwann herunterstiegen, um sich auf die Hinterbeine zu stellen und im offenen Grasland der Savannen nach Nahrung zu suchen.
Erzählerin:
Der Wald und seine Bäume aber blieben von höchster Bedeutung für die Menschen, die jetzt aufrecht gingen und zwei Hände frei hatten, mit denen sie jagen, Kräuter sammeln und Holz bearbeiten konnten.
Erzähler:
Seit Menschengedenken ist es der Wald, der nährt, heilt, schützt und alles liefert, was wir zum Leben brauchen, sagt der Diplom-Forstwirt Joachim Hamberger. Er ist Leiter des Bayerischen Amts für Waldgenetik in Teisendorf.
ZSP 1 Hamberger Steinzeit
Das geht schon in der Steinzeit los. Feuer machen, wärmen, kochen geht nur mit Holz aus dem Wald. Bögen machen oder Speere machen, Wurfspeere, geht auch nur mit Holz. Die ältesten Speere sind aus Eibenholz. Uralte Fichtenpfeile. Also Holz ist schon immer genutzt worden. Und es ist eine ganz enge Verbindung über alle Zeiten.
Atmo Vögel Wald
Erzählerin:
Werkzeuge, Waffen, Häuser, Kirchen – alles war aus Holz. Bis ins Jahr 1800 nach Christus dauerte dieses „hölzerne Zeitalter“, in dem sich der Mensch buchstäblich durchs Gestrüpp der Geschichte schlagen musste. Was nicht immer ein gemütlicher Waldspaziergang war, sagt der Dozent für Forst- und Umweltgeschichte Joachim Hamberger.
ZSP 2 Hamberger Wildnis
Der Wald war tatsächlich Bedrohung, er war Wildnis, der mühsam dem Acker abgerungen worden ist. Im Hochmittelalter ist alles gewachsen, die Familien, die Dörfer – die Jungen mussten auswandern, die Flüsse entlang, hoch ins Mittelgebirge. Dort war es erstens kühler, zweitens, es lag länger Schnee, drittens es war steiniger, weniger Boden und dann mussten sie die Bäume fällen und die Wurzeln ausgraben. Eine furchtbare Arbeit in dieser Wildnis. Dazu gab es Bären, Luchse, Wölfe und was weiß ich, was es noch alles gab. Und es gab natürlich auch keine Wege. Also Wildnis war ein ganz anderer Begriff als heute, wo er positiv belegt ist.
Atmo Hirsch Wald
Erzählerin:
95 Prozent des Landes waren damals mit Wald, vor allem mit Laubbäumen bedeckt. Und die Menschen des Frühmittelalters waren frei, aus diesen Wäldern zu holen, was sie zum Überleben brauchten. Zum Beispiel einen stattlichen Hirsch.
Erzähler:
Denn vor allem die Jagd gehört zu den ältesten und ursprünglichsten Tätigkeiten des Menschen. Sie liefert ihm proteinreiche Nahrung in Form von Fleisch, aber auch wärmende und schützende Kleidung in Form von Pelzen und Häuten.
Erzählerin:
Um das Jahr 800 nach Christus aber beginnt die Obrigkeit, Revier zu markieren. Bestimmte Gebiete dürfen nur noch exklusiv bejagt werden – von Adel, König und Klerus. Dieses Forst- und Jagdrecht, der sogenannte Wildbann, wird im Lauf der Jahrhunderte immer weiter ausgedehnt. Für das einfache Volk sind die Bannforste gesperrt. Wer dennoch dort jagt, muss mit drakonischen Strafen rechnen
ZSP 3 Hamberger Einforstung
Der König hat es dann erst zu Beginn in dieser Zeit eingeforstet. Einforstungen sind ein Rechtsakt, das heißt, der König nimmt sich das Recht, alle Rechte an diesem Wald und vergibt Teile dieser Rechte weiter. Zum Beispiel das Jagdrecht – meistens an adlige Lehensherren. Oder das Recht, eine Mühle zu bauen an irgendwelche Müller. Also um das Land langsam zu nutzen und zu entwickeln.
Atmo Hahn im Wald
Erzähler:
Neben wenigen adligen Jägern gibt es weiterhin viele einfache Menschen, die ihrer täglichen Arbeit nachgehen. In Mitteleuropa leben sie oft in sogenannten Markgenossenschaften, also Siedlungsverbänden mit mehreren Dörfern, Einzelhöfen oder ganzen Talschaften. Als im Hochmittelalter die Bevölkerung zunimmt, sagt Joachim Hamberger, dehnen sich auch die Siedlungen aus.
ZSP 4 Hamberger Dörfer
In dieser Zeit werden in Mittelgebirgen von Königen, Lehensherren und so weiter auch Dörfer angesiedelt. Damals war ein Dorf eine Überlebensgemeinschaft, die war arbeitsteilig, und man hat den umliegenden Wald, die umliegende Fläche gemeinschaftlich in einer Allmende genutzt. Weideflächen und Ackerflächen, relativ nah ums Dorf, das kann man sich kreisförmig vorstellen. Und dann gibt es Weideflächen, die in den Wald übergehen.
Atmo Hacke
Erzählerin:
Dort läuft dann das Vieh herum, das die Dörfler zur Nahrungssuche in die Buchenwälder treiben. Für die ländliche Bevölkerung, die auf Selbstversorgung ausgerichtet ist, ist der Wald die Über-Lebensgrundlage schlechthin. Er liefert vor allem Holz – für den Bau der Blockhäuser, Hütten und Stallungen; für Zäune, Gatter und Hürden; für die Herstellung von Rechen, Heugabeln, Leitern und Reisigbesen; für die Stiele von Hammer und Sense, auch für Tische und Stuhlbeine. Selbst die Schuhe, die der Bauer an den Füßen trägt, sind aus Holz gemacht.
Erzähler:
Und natürlich muss der Mensch auch kochen und heizen. Die „Köhlerei“, die Herstellung von Holzkohle, ist eine uralte Technik, die bis in die Altsteinzeit zurückreicht.
Erzählerin:
Erhitzt man Holz fast ohne Sauerstoff, bleibt ein leichter, gut brennbarer Rückstand übrig – die Holzkohle. Vor der Einführung stählerner Ringöfen fand der Brennvorgang traditionell in Meilern statt: Der Köhler schichtet sie aus Holz in konischen Stapeln auf, die er mit Stroh, Asche und Erde abdeckt. Für den Bau braucht es viel Geschick: Zirkuliert zu viel Luft im Meiler, verbrennt das Holz. Bei zu wenig Luft, wird die Qualität der Kohle schlecht.
Erzähler:
Die aber wird dringend benötigt: Für die Eisenverhüttung, die Glasherstellung und viele andere Gewerke. Kein Wunder, dass der Beruf des rußgeschwärzten Köhlers im 14. Jahrhundert zu einem eigenständigen Handwerk wird.
Erzählerin:
Weil aber der Mensch damals immer weiter in die Wälder vordringt, kommt es häufiger zu Konflikten, sagt Forstwirt Hamberger.
ZSP 5 Hamberger Rodungsinseln
Es gab Inseln, Rodungsinseln in diesem riesigen Waldmeer. Und diese Rodungsinseln sind aber gewachsen. Der Wald dazwischen war von den Dorfgemeinschaften genutzt. Wenn sie zwei Dörfer nehmen, A und B, die sind sich nicht ins Gehege gekommen. Aber mit der Zeit ist ihr ökologischer Fußabdruck gestiegen, je mehr sie geworden sind. Und dann haben sich diese Grenzen, diese Säume immer ausgeweitet und im Hochmittelalter und dann auf jeden Fall im Spätmittelalter haben sie sich überschnitten. Und dann gab es die großen Waldstreite gegen Ende des Mittelalters.
Atmo Schritte durch Wald
Erzähler:
Und immer wieder Konflikte zwischen oben und unten. Auf der einen Seite steht eine privilegierte Oberschicht, die ihre Rechte mit Gewalt und Gesetzen verteidigt. Schon seit dem 13. Jahrhundert gibt es in Bayern so etwas wie fürstliche Jagdaufseher, die im Dienst ihrer Herren für die Hege des Wildes und den Kampf gegen Wilderei zuständig sind.
Erzählerin:
Denn auf der anderen Seite steht das Gros der einfachen Bevölkerung, das täglich ums Überleben kämpft. Nicht jeder will dabei auf die alte Freiheit des Jagens verzichten. Und so wird der Wald zum Rückzugsort auch für all jene, die etwas zu verbergen haben oder sich selbst verbergen müssen – nicht nur Wilderer, sondern auch Räuber, Briganten, Deserteure.
Erzähler:
Und die liefern immer schon guten Stoff für Dichter und Literaten. In Friedrich Schillers berühmten Drama „Die Räuber“ versteckt sich der Räuberhauptmann Karl Moor mit seiner Bande in den wilden, unzugänglichen böhmischen Wäldern.
((Erzählerin:
Der bekannteste Wald-Delinquent aber stammt wohl aus England. Robin Hood, der „edle Räuber“, der mit seinen Mannen durch den Sherwood Forest und zahlreiche Balladen der Frühneuzeit galoppiert. Habgierige Adlige um ihre Schätze zu erleichtern, um sie unter den Armen zu verteilen – das ist der Kern der Robin-Hood-Legende. Frei erfunden ist sie vermutlich nicht, es gab wohl historische Vorbilder für den Volkshelden.
Erzähler:
Solche Sozialrebellen, wie sie der englische Historiker Eric Hobsbawm in seiner vergleichenden Studie „Die Banditen“ beschrieben hat, gab es in allen Kulturen und zu allen Zeiten. Ihre Rebellion im ländlichen Raum ist meist eng verknüpft mit dem Lebensraum des Waldes.))
Erzählerin:
Hierzulande sind die Spessarträuber besonders bekannt geworden, weil sie von Schriftstellern romantisch überhöht und im 20. Jahrhundert durch Heimatfilme berühmt gemacht wurden. Aber Räuber und Wilddiebe gab es auch andernorts. Bis heute viel besungen ist der Wilderer Georg Jennerwein, der 1877 am oberbayerischen Peißenberg hinterrücks erschossen wurde.
Erzähler:
Zu Helden konnten solche Männer nur werden, weil ihr Widerstand gegen eine als ungerecht empfundene obrigkeitliche Jagd- und Forstordnung vielen einfachen Menschen aus der Seele gesprochen hat. Nicht wenige gerieten früher unverschuldet in prekäre Situationen und wurden an den Rand der Gesellschaft, ins Dunkel des Waldes gedrängt. Wo sie ihren Lebensunterhalt mit Überfällen, Holzdiebstahl oder Wilderei erwirtschaften mussten.
neu ZSP 6 Hamberger Zuflucht
Der Wald war einerseits Ort des Schreckens, aber andererseits, das sehen wir aus dem Märchen, auch ein Ort, der bergend war, der schützend war. Und in vielen Kriegen war es immer ein Zufluchtsort – die Schwedenschanzen, die wir noch allerorten im Wald finden. In der Regel sind es Schanzen aus der Keltenzeit, aber sie werden als Schwedenschanzen bezeichnet, weil die Dörfler früherer Zeiten dort Zuflucht gesucht haben im Wald, im Schutz des Waldes. Nicht gesehen von den Soldaten, die durchritten, haben sie Zuflucht gesucht.
Erzählerin:
Je dichter die Bevölkerung, desto mehr wächst der Druck auf den Wald, der dann als Rohstoff-Lieferant immer unergiebiger wird. Wo aber Holz knapp ist, wächst bald auch die Not. Was im 14. Jahrhundert eine neue Berufsgruppe auf den Plan ruft – den Forstunternehmer.
Erzähler:
Peter Stromer, ein um 1315 geborener Patrizier, war nicht nur Bürgermeister und Ratsherr der Stadt Nürnberg, er besaß auch ein Handelshaus samt Bank sowie Bergwerke in Osteuropa, sagt Joachim Hamberger. Für seine Betriebe brauchte Montanunternehmer Stromer viel Energie,
ZSP 7 Hamberger Stromer
Und um Nürnberg herum war inzwischen alles kahl. Man hat es schon mit Gesetzen versucht in den Griff zu kriegen, hat es aber nicht geschafft. Und dieser Peter Stromer hat 1368, also vor 650 Jahren, angefangen, systematisch dort zunächst einmal Versuche zu machen und Bäume auszusäen. Was völlig Undenkbares, dass man Bäume aussät, die sind doch einfach da. Und er hat es systematisch gemacht.
Erzählerin:
Die Reichswälder um Nürnberg sind also fortan nicht mehr nur einfach Gottesgeschenke, sondern das Ergebnis einer planmäßigen Zucht. Man braucht allerdings einen langen Atem für dieses Geschäftsmodell, denn es dauert mindestens 50 Jahre, bis die Holzernte eingefahren werden kann. Der Begriff „Nachhaltigkeit“ sollte zwar erst 300 Jahre später geprägt werden, die Idee aber hatte schon Peter Stromer, der „Vater der Forstkultur“.
Erzähler:
Der exportierte die Samen seiner Nadelbäume. Und in Nürnberg entstand die sogenannte Tannensäerzunft, die streng darauf achtete, dass ihr Zunftwissen geheim blieb.
ZSP 8 Hamberger Tannensäer
Dieses Geheimwissen, das haben sie kultiviert, wie der Boden aufbereitet werden muss, wie man an den Samen kommt. Denn auch das ist nicht trivial. Sie müssen nämlich einen Zapfen ernten, bevor er ausfällt am Baum oder bevor er zerfällt. Und sie müssen aufpassen, wenn sie diesen Samen im Winter aufheben, dass ihn erstens nicht die Mäuse fressen, dass er zweitens nicht verschimmelt und drittens nicht vertrocknet. Also gar nicht so einfach. Und dieses Wissen haben sie gepflegt und haben nach Frankfurt, nach Ungarn und in viele Städte und Gegenden das Wissen exportiert und Wälder begründet.
Erzählerin:
Zu den Berufen des Waldes zählt auch der Jurist. Denn seit dem 16. Jahrhundert wird Deutschland von einer regelrechten Gesetzesschwemme heimgesucht. 1568 etwa erlässt Herzog Albrecht V. die „Bayerische Forstordnung“, die bis etwa 1800 gültig bleibt. Neben der Flut von Paragraphen stellen sich aber auch ganz praktische Fragen: Wie transportiert man das sperrige Holz? Mit Rössern kann man die Baumstämme aus dem Wald ziehen. Aber dann?
ZSP 9 Hamberger Flößer
Man beginnt Holz zu flößen, zum Beispiel wird in dieser Zeit schon das erste Holz Richtung Holland aus dem Schwarzwald oder auch aus dem Frankenwald geflößt. Das heißt, von Holzüberschussgebieten, wo wenig Menschen leben, transportiert man das Holz in Holz- Mangelgebiete, wo viele Menschen leben und hoher Bedarf ist.
Erzähler:
In der „Bayerische Forstordnung“ von 1568 ist auch der Schutz des Waldes schon ein Thema. Aber was in Büchern steht, kommt nicht immer bei den Menschen an, selbst wenn die Forstgesetze einmal im Jahr auf der Kanzel vorgelesen werden. Oder wenn strenge, ungeliebte Förster dafür sorgen, dass die Leute nicht einfach Holz aus dem Wald holen.
Erzählerin:
Dennoch nimmt die Ausbeutung der Ressourcen im 18. Jahrhundert weiter zu. Wissenschaftler fordern im Geist der Aufklärung eine nachhaltigere Nutzung des Waldes. Forstschulen werden gegründet, Wälder vermessen, Karten gezeichnet. Die Angst vor der Holznot geht um. Weil dieses Holz jetzt ein volkswirtschaftlicher Faktor wird, hat auch der Staat ein Interesse daran.
Erzähler:
Während die ländliche Bevölkerung es weiterhin als ihr natürliches Recht ansieht, den Wald stark zu nutzen. Denn der gehört – grob gesagt – allen. Privaten Waldbesitz gibt es bis 1800 noch nicht. Aber Nutzungsrechte, sagt Joachim Hamberger, die gibt es schon.
ZSP 10 Ham Rechte
Die wichtigsten Rechte waren die Brennholzrechte, weil, davon hat die Bevölkerung gelebt, sich ernährt, sich gewärmt. Es gab Bauholzrechte, von irgendwas musste der Stadel gebaut werden oder die Schindeln mussten her fürs neue Dach. Es gab Rechte zur Schweinemast. Es gab Rechte, kleines Vieh einzutreiben, also Ziegen, Schafe. Und es gab Rechte, auch großes Vieh einzutreiben, zum Beispiel Rinder oder Pferde.
Erzählerin:
In den Weiten der Wälder waren also ständig Tiere und Menschen unterwegs. Alte Frauen sammelten Kräuter, Pilze oder Leseholz. Kinder rechten Laub zusammen, das als Einstreu für die Schweineställe gebraucht wurde. Und dann gab es im ausgehenden 18. Jahrhundert auch noch Berufe, die man heute kaum mehr kennt, sagt die Historikerin und Archivarin Elisabeth Weinberger. Über diese sogenannte gewerbliche Waldnebennutzung hat Weinberger ihre Dissertation geschrieben.